Das Hochwasser im Vallès 1962 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
Joana Biarnés Florensa (1935–2018) war eine der ersten Fotoreporterin Spaniens. Sie wurde in Terrassa bei Barcelona geboren und kam durch ihren Vater Joan Biarnés i Masip[1], einen Sportfotografen, schon früh mit der Fotografie in Kontakt. Bereits als Kind half sie ihm in der Dunkelkammer. Biarnés studierte an der Journalistenschule in Barcelona. Zu Beginn ihrer Laufbahn hatte sie als Frau grosse Schwierigkeiten: Arbeitsmöglichkeiten waren knapp, und oft musste sie sich mit ihrem Vater auf Sportveranstaltungen behelfen. Häufig erlebte sie Diskriminierung – es kam sogar vor, dass ein Fussballschiedsrichter ein Spiel unterbrach, um zu verhindern, dass sie als Frau fotografierte, obwohl sie über alle nötigen Akkreditierungen verfügte.
Die Überschwemmungen in El Vallès forderten Hunderte von Todesopfern und richteten grosse Schäden an. Auf dem Bild hängen die Eisenbahnschienen, die durch den Bach Les Arenes führen. Terrassa, 25/09/1962. © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
Ihr Professor Del Arco [2]gab ihr während des Studiums den Auftrag, eine Reportage über einen Schlachthof zu machen, nachdem er hörte, dass sie keine Stierkampf-Fotos machen wollte. Dieses Projekt ergänzte Joana mit Fotos aus einer Sammlung von deformierten Tieren und verkaufte die Bilder schliesslich an einen Tierarzt, der damit ein Fachbuch gestaltete.
Ernte der Safranblüten. Consuegra, Toledo, 1967 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
Ein bedeutender Schritt ihrer Karriere war die Berichterstattung über das Hochwasser in Terrassa im September 1962, bei dem viele Menschen ums Leben kamen. Im selben Jahr machte sie eine Reportage für die Zeitung Pueblo an, die sogenannten "Aschenputtel von Pueblo". Dem Direktor der Zeitung, Emilio Romero, gefiel diese Arbeit so sehr, dass er sie nach Madrid holte. Fortan arbeitete sie als festangestellte Fotografin für Pueblo und berichtete über viele gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse.
Atmosphäre in einer Madrider Kneipe, 1966 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
In Madrid lernte Biarnés den französischen Journalisten Jean Michel Bamberger [3]kennen, der die Radiosendung "Ustedes son formidables" produzierte. Mit ihm war sie später verheiratet.
Paul McCartney im Hotel, Barcelona, Juli 1965 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
Eine ihrer bekanntesten Reportagen entstand 1965, als die Beatles in Spanien auftraten. Durch ihre Kontakte gelang es Biarnés, im gleichen Flugzeug wie die Band von Madrid nach Barcelona zu fliegen und sie fotografisch zu begleiten. Sie umging die Sicherheitsvorkehrungen, gelangte über den Lastenaufzug zur Suite der Beatles im Hotel Avenida Palace und konnte dort drei Stunden lang exklusive Fotos anfertigen. Die Zeitung weigerte sich, den Bericht zu veröffentlichen, da er nicht den Redaktionsthemen entsprach, sodass die Bilder stattdessen in der Zeitschrift Ondas erschienen.
Modereportage mitten auf der Strasse, Madrid, 1967 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
Biarnés war über viele Jahre die persönliche Fotografin des Sängers Raphael und lichtete zahlreiche weitere prominente Personen ab, darunter Sara Montiel, die Herzogin von Alba, Audrey Hepburn, Tom Jones, Lola Flores, Sammy Davis Jr., "El Cordobés" und Joan Manuel Serrat. Sie begleitete die Sängerin Massiel nach Paris, um das Kleid für ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest zu kaufen und war an weiteren Ereignissen der internationalen und nationalen Prominenz beteiligt. In ihren Arbeiten zeigte sie immer wieder Improvisationstalent – zum Beispiel, indem sie sich für Interviews als Ehefrau oder Sekretärin ausgab, um Zugang zu erhalten.
Ad Lib Modenschau, Ibiza, 1972. © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
Neben ihrer Reportertätigkeit gestaltete sie für die Zeitung Pueblo eine Modeseite im Stil von Magazinen wie Vogue und Elle. Nach ihrer Zeit bei Pueblo war sie zunächst für Raphael tätig, dann holte Luis María Anson sie zum ABC. Später gründete Biarnés mit Kollegen die Fotoagentur Sincropress [4]und arbeitete auch für andere Presseagenturen wie Heliopress, Contifoto und Cosmopress.
Madrid, 1971 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
Im Jahr 1985 entschied sie sich, die Presse zu verlassen. Sie missbilligte die zunehmende Sensationslust im Fotojournalismus. Anschliessend eröffnete sie auf Ibiza das Restaurant Cana Joana, das zu den angesehensten Restaurants der Balearen zählte. Sie trat zudem in der spanischen Kochsendung "Con las manos en la masa" auf und zog sich später nach Viladecavalls in der Provinz Barcelona zurück.
Ava Gardner in der Stierkampfarena La Maestranza. Sevilla, 1964 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
2017 veröffentlichte Joana Biarnés ihr Buch "Joana Biarnés. Disparando con el corazón". Im selben Jahr wurde eine grosse Auswahl ihrer Fotos im Palau Robert in Barcelona ausgestellt, die insbesondere das Spanien der Nachkriegszeit dokumentieren. Seit 2001 litt sie an einer degenerativen Augenerkrankung, die ihr Sehvermögen im Lauf der Jahre stark einschränkte.
Ein lustiger Moment zwischen zwei Stierkämpfern auf der Plaza de Las Ventas, Madrid, 1967. © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
Joana Biarnés starb am 19. Dezember 2018 im Alter von 83 Jahren. Ihr Lebenswerk gilt als wichtiger Beitrag für den Fotojournalismus in Spanien, insbesondere für die Rolle der Frauen in der Presse, und wurde in ihren letzten Lebensjahren und posthum durch zahlreiche Ausstellungen und Veröffentlichungen gewürdigt.
Dalí kleidet sich als Clown auf Kosten eines Modells. Portlligat, Girona, 1966. © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.
[1] Joan Biarnés i Masip (1919–2009). Er war ein bekannter katalanischer Sportfotograf und Inhaber eines eigenen Fotostudios in Terrassa. Von ihm lernte Joana Biarnés schon früh die Grundlagen der Fotografie und sammelte bei ihm erste berufliche Erfahrungen als Fotografin.
[2] Luis de Arco, mit vollem Namen Luis de Arco Canseco (häufig bekannt als Del Arco). Er war ein bekannter spanischer Journalist und Dozent an der Journalistenschule von Barcelona. Del Arco war in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine prägende Persönlichkeit des Journalismus in Spanien und für seine oft provozierenden und praktischen Lehrmethoden bekannt. Er spielte eine wichtige Rolle als Mentor in der Ausbildung von Joana Biarnés, indem er sie zu besonderen und nicht alltäglichen Reportageaufgaben ermutigte. Der Name „Del Arco“ ist in der Journalistenszene Spaniens insbesondere durch seinen Unterricht und seine Kolumnen bekannt geworden.
[3] Jean Michel Bamberger arbeitete bei spanischen Medien, insbesondere beim Radio, und war Produzent der Sendung "Ustedes son formidables", einer erfolgreichen Radiosendung von Alberto Oliveras, die sich auf soziale Hilfsaktionen konzentrierte und im spanischen Radio Popular ausgestrahlt wurde.
[4] Sincropress war eine spanische Fotoagentur, die von Joana Biarnés gemeinsam mit anderen Fotografen gegründet wurde. Die Gründung von Sincropress war Teil ihrer Bestrebungen, als Fotojournalistin unabhängiger zu arbeiten und nicht nur für einzelne Zeitungen oder Verlage, sondern auch für verschiedene Medien und Auftraggeber tätig sein zu können. Sincropress bot Bildmaterial für Zeitungen, Zeitschriften und andere Presseerzeugnisse an und ermöglichte es Fotoreporterinnen und Fotoreportern, eigene Reportagen und Themen selbstständiger zu vermarkten.