Flüchtlinge im Lager Korem, Äthiopien, 1984 © Sebastião Salgado
Der Tod von Sebastião Salgado hinterlässt eine Leerstelle in der Welt der Fotografie – und weit darüber hinaus. Am Freitag ist der weltbekannte brasilianische Fotograf und Umweltaktivist im Alter von 81 Jahren in Paris gestorben. Seine Familie teilte mit, dass Salgado an Leukämie litt, die nach einer Malaria-Infektion im Jahr 2010 ausgebrochen war. Noch bis zuletzt engagierte er sich gemeinsam mit seiner Frau Lélia Deluiz Wanick Salgado für ihr gemeinsames Herzensprojekt, Instituto Terra, mit dem sie Hoffnung säten, wo Verwüstung war.
Ein ruandisches Flüchtlingscamp in Tansania, 1994 © Sebastião Salgado/Amazonas images
Salgado war mehr als nur einer der grossen Fotografen unserer Zeit. Er war Chronist der menschlichen Existenz, Fürsprecher der Ausgegrenzten – und, wie Kulturministerin Margareth Menezes treffend schrieb, jemand, dessen "Objektiv die Seele der Welt eingefangen hat, mit einem menschlichen, poetischen und zutiefst transformativen Blick". Er gab den Namenlosen ein Gesicht und machte das Unsichtbare sichtbar.
Menschen im Sahel auf der Flucht vor der Dürre: Die Aufnahmen des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado prägten überall auf der Welt das Bild der grossen Hungersnot südlich der Sahara in den 1980er-Jahren. Der grosse Verdienst Salgados: Er lichtete die Notleidenden ab, ohne sie ihrer Würde zu berauben. © Sebastião Salgado / Focus
Er wurde am 8. Februar 1944 in Aimorés, Minas Gerais, Brasilien, als einziger Sohn einer Viehzüchterfamilie geboren. Nach seinem Wirtschaftsstudium in São Paulo und dem Doktortitel in Paris floh Salgado mit seiner Frau vor der Militärdiktatur nach Frankreich. Dort entdeckte er auf einer Afrika-Reise mit der Leica seiner Frau die Fotografie – ein Wendepunkt in seinem Leben. Ab 1973 war er als unabhängiger Fotograf aktiv und arbeitete für renommierte internationale Agenturen wie Sygma, Gamma und beinahe 20 Jahre bei Magnum Photos, eine der wichtigsten Fotoagenturen weltweit. 1994 gründete er zusammen mit Lélia Wanick Salgado eine eigene Agentur.
Arbeiter auf der Teeplantage Mata, Ruanda © Sebastião Salgado
Bekannt wurde Salgado durch schonungslose Sozialreportagen und intensive Naturaufnahmen. Ob Kriegsgebiete in Kuwait, Flüchtlingslager in Afrika oder die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der Goldmine von Serra Pelada – seine Bilder dokumentierten das Leiden der Menschen und berührten weltweit. Salgados Bildsprache wurde gelegentlich als "verstörend schön" und er selbst als "Ästhet des Elends" kritisiert; doch er hielt dagegen: "Weshalb sollte die arme Welt hässlicher sein als die reiche? Die Würde ist hier wie dort dieselbe."
Hoffnung: 1995 machte Salgado dieses Aufnahme im Südwesten Ruandas. 300.000 Menschen lebten allein dort in zwölf Flüchtlingslagern. © Sebastião SALGADO/ Amazonas images
Charakteristisch für Salgados Arbeiten sind seine grossformatigen, ausschliesslich in Schwarz-Weiss gehaltenen Fotografien, oft analog aufgenommen. Seine Kompositionen sind sorgfältig aufgebaut und leben vom Kontrast zwischen Licht und Schatten. In ihnen verdichtet sich menschliche Erfahrung zu universellen Geschichten. Als "Chronist des globalen Südens" brachte er mit seinen Projekten "Workers", "Migration", "Africa" und zuletzt mit der monumentalen Naturstudie "Genesis" die Herausforderungen und Hoffnungen ganzer Erdteile ins öffentliche Bewusstsein.
Rajasthan, India, 1990 © Sebastião Salgado
Salgado verstand Fotografie als Verpflichtung: "Durch die Linse seiner Kamera kämpfte Sebastião unermüdlich für eine gerechtere, menschlichere und ökologischere Welt", heisst es in der Mitteilung von Instituto Terra.
Überfüllung: Menschen in Bewegung faszinierten Sebastião Salgado. Die Aufnahme aus dem indischen Bombay 1995 zeigt den Bahnhof Church Gate, der zu diesem Zeitpunkt von fast drei Millionen Menschen genutzt wurde - täglich. © Sebastião SALGADO/ Amazonas images
Der Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" (2014, Wim Wenders und Juliano Ribeiro Salgado) setzte mit berührenden Einblicken in Leben und Werk des Fotografen seinem Lebenswerk ein besonderes Denkmal. Seine Bilder waren Mahnung und Hoffnung zugleich.
Bucht von Moramba. Madagaskar 2010 © Sebastião Salgado/Amazonas images
Im Laufe seines Schaffens wurde Salgado mit bedeutenden internationalen Preisen geehrt, darunter unter anderem der World Press Photo Award, der Grand Prix National de la Photographie, der Prinz-von-Asturien-Preis, die Leica Oskar Barnack Awards und als erster Fotograf der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zusätzlich wurde er 1992 zum Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences ernannt und 2016 in die Académie des Beaux-Arts aufgenommen. Verschiedene Universitäten verliehen ihm Ehrendoktorwürden. Ebenso engagierte er sich für UNICEF, Amnesty International und Médecins Sans Frontières.
Rio Jaú, Amazonas, Brazil, 2019 © Sebastião Salgado
Nach Jahren der Arbeit in Kriegs- und Krisengebieten widmete sich Salgado mit seiner Frau ab Ende der 1990er-Jahre dem Wiederaufbau der zerstörten Heimat seiner Kindheit: Millionen Bäume pflanzten sie über das Instituto Terra auf der Farm in Minas Gerais, heute ein Naturschutzgebiet und Hoffnungszeichen für kommende Generationen.
Iles Anavilhanas, bewaldete Inseln des Rio Negro, Bundesstaat Amazonas, Brasilien, 2009 © Sebastião Salgado
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva schrieb: "Sein Leiden an der Ungleichheit in der Welt und sein Talent, die Lebenswirklichkeit der Unterdrückten abzubilden, dienen als Weckruf an das Gewissen der gesamten Menschheit. Salgado hat nicht nur seine Augen und seine Kamera genutzt, sondern auch die Fülle seines Herzens und seiner Seele."
Elefant im Kafue-Nationalpark, Sambia, 2010. © Sebastião Salgado
Danke, Sebastião Salgado, für dein einzigartiges Werk, das unser Bewusstsein erweitert hat – und das uns weiterhin auffordert, hinzusehen, hinzuhören und Verantwortung zu übernehmen.