Einträge in Archive
In memoriam: Sebastião Salgado – Chronist der Menschlichkeit und Anwalt der Natur…

Flüchtlinge im Lager Korem, Äthiopien, 1984 © Sebastião Salgado

Der Tod von Sebastião Salgado hinterlässt eine Leerstelle in der Welt der Fotografie – und weit darüber hinaus. Am Freitag ist der weltbekannte brasilianische Fotograf und Umweltaktivist im Alter von 81 Jahren in Paris gestorben. Seine Familie teilte mit, dass Salgado an Leukämie litt, die nach einer Malaria-Infektion im Jahr 2010 ausgebrochen war. Noch bis zuletzt engagierte er sich gemeinsam mit seiner Frau Lélia Deluiz Wanick Salgado für ihr gemeinsames Herzensprojekt, Instituto Terra, mit dem sie Hoffnung säten, wo Verwüstung war.

Ein ruandisches Flüchtlingscamp in Tansania, 1994 © Sebastião Salgado/Amazonas images

Salgado war mehr als nur einer der grossen Fotografen unserer Zeit. Er war Chronist der menschlichen Existenz, Fürsprecher der Ausgegrenzten – und, wie Kulturministerin Margareth Menezes treffend schrieb, jemand, dessen "Objektiv die Seele der Welt eingefangen hat, mit einem menschlichen, poetischen und zutiefst transformativen Blick". Er gab den Namenlosen ein Gesicht und machte das Unsichtbare sichtbar.

Menschen im Sahel auf der Flucht vor der Dürre: Die Aufnahmen des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado prägten überall auf der Welt das Bild der grossen Hungersnot südlich der Sahara in den 1980er-Jahren. Der grosse Verdienst Salgados: Er lichtete die Notleidenden ab, ohne sie ihrer Würde zu berauben. © Sebastião Salgado / Focus

Er wurde am 8. Februar 1944 in Aimorés, Minas Gerais, Brasilien, als einziger Sohn einer Viehzüchterfamilie geboren. Nach seinem Wirtschaftsstudium in São Paulo und dem Doktortitel in Paris floh Salgado mit seiner Frau vor der Militärdiktatur nach Frankreich. Dort entdeckte er auf einer Afrika-Reise mit der Leica seiner Frau die Fotografie – ein Wendepunkt in seinem Leben. Ab 1973 war er als unabhängiger Fotograf aktiv und arbeitete für renommierte internationale Agenturen wie Sygma, Gamma und beinahe 20 Jahre bei Magnum Photos, eine der wichtigsten Fotoagenturen weltweit. 1994 gründete er zusammen mit Lélia Wanick Salgado eine eigene Agentur.

Arbeiter auf der Teeplantage Mata, Ruanda © Sebastião Salgado

Bekannt wurde Salgado durch schonungslose Sozialreportagen und intensive Naturaufnahmen. Ob Kriegsgebiete in Kuwait, Flüchtlingslager in Afrika oder die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der Goldmine von Serra Pelada – seine Bilder dokumentierten das Leiden der Menschen und berührten weltweit. Salgados Bildsprache wurde gelegentlich als "verstörend schön" und er selbst als "Ästhet des Elends" kritisiert; doch er hielt dagegen: "Weshalb sollte die arme Welt hässlicher sein als die reiche? Die Würde ist hier wie dort dieselbe."

Hoffnung: 1995 machte Salgado dieses Aufnahme im Südwesten Ruandas. 300.000 Menschen lebten allein dort in zwölf Flüchtlingslagern. © Sebastião SALGADO/ Amazonas images

Charakteristisch für Salgados Arbeiten sind seine grossformatigen, ausschliesslich in Schwarz-Weiss gehaltenen Fotografien, oft analog aufgenommen. Seine Kompositionen sind sorgfältig aufgebaut und leben vom Kontrast zwischen Licht und Schatten. In ihnen verdichtet sich menschliche Erfahrung zu universellen Geschichten. Als "Chronist des globalen Südens" brachte er mit seinen Projekten "Workers", "Migration", "Africa" und zuletzt mit der monumentalen Naturstudie "Genesis" die Herausforderungen und Hoffnungen ganzer Erdteile ins öffentliche Bewusstsein.

Rajasthan, India, 1990 © Sebastião Salgado

Salgado verstand Fotografie als Verpflichtung: "Durch die Linse seiner Kamera kämpfte Sebastião unermüdlich für eine gerechtere, menschlichere und ökologischere Welt", heisst es in der Mitteilung von Instituto Terra.

Überfüllung: Menschen in Bewegung faszinierten Sebastião Salgado. Die Aufnahme aus dem indischen Bombay 1995 zeigt den Bahnhof Church Gate, der zu diesem Zeitpunkt von fast drei Millionen Menschen genutzt wurde - täglich. © Sebastião SALGADO/ Amazonas images

Der Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" (2014, Wim Wenders und Juliano Ribeiro Salgado) setzte mit berührenden Einblicken in Leben und Werk des Fotografen seinem Lebenswerk ein besonderes Denkmal. Seine Bilder waren Mahnung und Hoffnung zugleich.

Bucht von Moramba. Madagaskar 2010 © Sebastião Salgado/Amazonas images

Im Laufe seines Schaffens wurde Salgado mit bedeutenden internationalen Preisen geehrt, darunter unter anderem der World Press Photo Award, der Grand Prix National de la Photographie, der Prinz-von-Asturien-Preis, die Leica Oskar Barnack Awards und als erster Fotograf der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zusätzlich wurde er 1992 zum Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences ernannt und 2016 in die Académie des Beaux-Arts aufgenommen. Verschiedene Universitäten verliehen ihm Ehrendoktorwürden. Ebenso engagierte er sich für UNICEF, Amnesty International und Médecins Sans Frontières.

Rio Jaú, Amazonas, Brazil, 2019 © Sebastião Salgado

Nach Jahren der Arbeit in Kriegs- und Krisengebieten widmete sich Salgado mit seiner Frau ab Ende der 1990er-Jahre dem Wiederaufbau der zerstörten Heimat seiner Kindheit: Millionen Bäume pflanzten sie über das Instituto Terra auf der Farm in Minas Gerais, heute ein Naturschutzgebiet und Hoffnungszeichen für kommende Generationen.

Iles Anavilhanas, bewaldete Inseln des Rio Negro, Bundesstaat Amazonas, Brasilien, 2009 © Sebastião Salgado

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva schrieb: "Sein Leiden an der Ungleichheit in der Welt und sein Talent, die Lebenswirklichkeit der Unterdrückten abzubilden, dienen als Weckruf an das Gewissen der gesamten Menschheit. Salgado hat nicht nur seine Augen und seine Kamera genutzt, sondern auch die Fülle seines Herzens und seiner Seele."

Elefant im Kafue-Nationalpark, Sambia, 2010. © Sebastião Salgado

Danke, Sebastião Salgado, für dein einzigartiges Werk, das unser Bewusstsein erweitert hat – und das uns weiterhin auffordert, hinzusehen, hinzuhören und Verantwortung zu übernehmen.

Stiftung F.C. Gundlach…

Junge Männer machen junge Mode - Gitta Schilling in einem Cardigan von Pierre Cardin, Paris 1958 © F.C. Gundlach / Stiftung F.C. Gundlach

Die Stiftung F.C. Gundlach wurde im Jahr 2000 von F.C. Gundlach gegründet, mit dem Ziel, die Fotografie als künstlerisch und gesellschaftlich bedeutendes Kulturgut zu fördern. Im Zentrum ihrer Tätigkeit steht das fotografische Werk und Archiv des Stifters, welches durch eine Vielzahl von fotografischen Konvoluten, Zustiftungen, Nachlässen und Archiven bedeutender Fotografinnen und Fotografen ergänzt wird.

Fischmarkt, Sesimbra 1968 © Toni Schneiders / Stiftung F.C. Gundlach

Die Archive der Stiftung umfassen sowohl vollständige Nachlässe als auch ausgewählte Werkgruppen renommierter Fotografinnen und Fotografen. Dabei variieren Umfang und Inhalt der Bestände: Während einige das gesamte künstlerische Werk darstellen, handelt es sich bei anderen um wichtige Teilarchive oder thematische Konvolute. Zu den betreuten Beständen gehören unter anderem Nachlässe und Archive von Hans Meyer-Veden, Werner Stuhler, Reinhart Wolf, Wilfried Bauer, Peter Keetman, Dirk Reinartz, Toni Schneiders und Michael Lange.

o.T.. aus der Serie Hamburg - St. Georg, 1981 © Dirk Reinartz / Deutsche Fotothek & Stiftung F.C. Gundlach

Durch die Erschliessung, Katalogisierung und Vermittlung ihrer Archive leistet die Stiftung einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des fotografischen Kulturerbes und eröffnet Forscherinnen und Forschern, Kuratorinnen und Kuratoren sowie einem interessierten Publikum neue Zugänge zu zentralen Positionen und Entwicklungen der Fotografie.

Sprungturm, Prien am Chiemsee 1957 © Peter Keetman / Stiftung F.C. Gundlach

In enger Zusammenarbeit mit dem von F.C. Gundlach 2003 initiierten Haus der Photographie in den Deichtorhallen Hamburg – welches den Kernbestand seiner Sammlung „Das Bild des Menschen in der Fotografie“ sowie die Bibliothek als Dauerleihgabe verwaltet – realisiert die Stiftung zahlreiche Ausstellungen, Fotobildbände und Projekte zur Vermittlung von fotografischer Kultur.

Verlassener Wohnwagen in Südfrankreich, 1972 © Werner Stuhler / Deutsche Fotothek & Stiftung F.C. Gundlach

2025 feiert die Stiftung F.C. Gundlach ihr 25-jähriges Jubiläum. Sie blickt damit auf ein Vierteljahrhundert engagierter Arbeit zurück. Das Jubiläum bietet Anlass, das fotografische Erbe F.C. Gundlachs sowie die vielfältigen Aktivitäten der Stiftung für die Fotografie gebührend zu würdigen. Das Jubiläumsjahr wird durch zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen begleitet und lädt dazu ein, die Fotografie als lebendige Ausdrucksform neu zu entdecken. 

Die Stiftung F.C. Gundlach arbeitet im Bereich der Vermittlung und Sichtbarmachung fotografischer Positionen mit sichtbar.art zusammen. sichtbar.art ist ein kuratiertes Onlinemagazin für Fotografie und verwandte Genres und richtet sich an eine anspruchsvolle, internationale Leserschaft mit Interesse an Fotografie und Kunst. In dieser Zusammenarbeit präsentiert die Stiftung F.C. Gundlach ausgewählte Bestände und Projekte einem weltweiten Publikum, fördert den Austausch und stärkt die digitale Präsenz ihrer Sammlung.

Archivgeschichte: Joana Biarnés Florensa…

Das Hochwasser im Vallès 1962 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

Joana Biarnés Florensa (1935–2018) war eine der ersten Fotoreporterin Spaniens. Sie wurde in Terrassa bei Barcelona geboren und kam durch ihren Vater Joan Biarnés i Masip[1], einen Sportfotografen, schon früh mit der Fotografie in Kontakt. Bereits als Kind half sie ihm in der Dunkelkammer. Biarnés studierte an der Journalistenschule in Barcelona. Zu Beginn ihrer Laufbahn hatte sie als Frau grosse Schwierigkeiten: Arbeitsmöglichkeiten waren knapp, und oft musste sie sich mit ihrem Vater auf Sportveranstaltungen behelfen. Häufig erlebte sie Diskriminierung – es kam sogar vor, dass ein Fussballschiedsrichter ein Spiel unterbrach, um zu verhindern, dass sie als Frau fotografierte, obwohl sie über alle nötigen Akkreditierungen verfügte.

Die Überschwemmungen in El Vallès forderten Hunderte von Todesopfern und richteten grosse Schäden an. Auf dem Bild hängen die Eisenbahnschienen, die durch den Bach Les Arenes führen. Terrassa, 25/09/1962. © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

Ihr Professor Del Arco [2]gab ihr während des Studiums den Auftrag, eine Reportage über einen Schlachthof zu machen, nachdem er hörte, dass sie keine Stierkampf-Fotos machen wollte. Dieses Projekt ergänzte Joana mit Fotos aus einer Sammlung von deformierten Tieren und verkaufte die Bilder schliesslich an einen Tierarzt, der damit ein Fachbuch gestaltete.

Ernte der Safranblüten. Consuegra, Toledo, 1967 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

Ein bedeutender Schritt ihrer Karriere war die Berichterstattung über das Hochwasser in Terrassa im September 1962, bei dem viele Menschen ums Leben kamen. Im selben Jahr machte sie eine Reportage für die Zeitung Pueblo an, die sogenannten "Aschenputtel von Pueblo". Dem Direktor der Zeitung, Emilio Romero, gefiel diese Arbeit so sehr, dass er sie nach Madrid holte. Fortan arbeitete sie als festangestellte Fotografin für Pueblo und berichtete über viele gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse.

Atmosphäre in einer Madrider Kneipe, 1966 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

In Madrid lernte Biarnés den französischen Journalisten Jean Michel Bamberger [3]kennen, der die Radiosendung "Ustedes son formidables" produzierte. Mit ihm war sie später verheiratet.

Paul McCartney im Hotel, Barcelona, Juli 1965 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

Eine ihrer bekanntesten Reportagen entstand 1965, als die Beatles in Spanien auftraten. Durch ihre Kontakte gelang es Biarnés, im gleichen Flugzeug wie die Band von Madrid nach Barcelona zu fliegen und sie fotografisch zu begleiten. Sie umging die Sicherheitsvorkehrungen, gelangte über den Lastenaufzug zur Suite der Beatles im Hotel Avenida Palace und konnte dort drei Stunden lang exklusive Fotos anfertigen. Die Zeitung weigerte sich, den Bericht zu veröffentlichen, da er nicht den Redaktionsthemen entsprach, sodass die Bilder stattdessen in der Zeitschrift Ondas erschienen.

Modereportage mitten auf der Strasse, Madrid, 1967 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

Biarnés war über viele Jahre die persönliche Fotografin des Sängers Raphael und lichtete zahlreiche weitere prominente Personen ab, darunter Sara Montiel, die Herzogin von Alba, Audrey Hepburn, Tom Jones, Lola Flores, Sammy Davis Jr., "El Cordobés" und Joan Manuel Serrat. Sie begleitete die Sängerin Massiel nach Paris, um das Kleid für ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest zu kaufen und war an weiteren Ereignissen der internationalen und nationalen Prominenz beteiligt. In ihren Arbeiten zeigte sie immer wieder Improvisationstalent – zum Beispiel, indem sie sich für Interviews als Ehefrau oder Sekretärin ausgab, um Zugang zu erhalten.

Ad Lib Modenschau, Ibiza, 1972. © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

Neben ihrer Reportertätigkeit gestaltete sie für die Zeitung Pueblo eine Modeseite im Stil von Magazinen wie Vogue und Elle. Nach ihrer Zeit bei Pueblo war sie zunächst für Raphael tätig, dann holte Luis María Anson sie zum ABC. Später gründete Biarnés mit Kollegen die Fotoagentur Sincropress [4]und arbeitete auch für andere Presseagenturen wie Heliopress, Contifoto und Cosmopress.

Madrid, 1971 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

Im Jahr 1985 entschied sie sich, die Presse zu verlassen. Sie missbilligte die zunehmende Sensationslust im Fotojournalismus. Anschliessend eröffnete sie auf Ibiza das Restaurant Cana Joana, das zu den angesehensten Restaurants der Balearen zählte. Sie trat zudem in der spanischen Kochsendung "Con las manos en la masa" auf und zog sich später nach Viladecavalls in der Provinz Barcelona zurück.

Ava Gardner in der Stierkampfarena La Maestranza. Sevilla, 1964 © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

2017 veröffentlichte Joana Biarnés ihr Buch "Joana Biarnés. Disparando con el corazón". Im selben Jahr wurde eine grosse Auswahl ihrer Fotos im Palau Robert in Barcelona ausgestellt, die insbesondere das Spanien der Nachkriegszeit dokumentieren. Seit 2001 litt sie an einer degenerativen Augenerkrankung, die ihr Sehvermögen im Lauf der Jahre stark einschränkte.

Ein lustiger Moment zwischen zwei Stierkämpfern auf der Plaza de Las Ventas, Madrid, 1967. © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

Joana Biarnés starb am 19. Dezember 2018 im Alter von 83 Jahren. Ihr Lebenswerk gilt als wichtiger Beitrag für den Fotojournalismus in Spanien, insbesondere für die Rolle der Frauen in der Presse, und wurde in ihren letzten Lebensjahren und posthum durch zahlreiche Ausstellungen und Veröffentlichungen gewürdigt.

Dalí kleidet sich als Clown auf Kosten eines Modells. Portlligat, Girona, 1966. © Joana Biarnés / Fundación Photographic Social Vision.

[1] Joan Biarnés i Masip (1919–2009). Er war ein bekannter katalanischer Sportfotograf und Inhaber eines eigenen Fotostudios in Terrassa. Von ihm lernte Joana Biarnés schon früh die Grundlagen der Fotografie und sammelte bei ihm erste berufliche Erfahrungen als Fotografin.

[2] Luis de Arco, mit vollem Namen Luis de Arco Canseco (häufig bekannt als Del Arco). Er war ein bekannter spanischer Journalist und Dozent an der Journalistenschule von Barcelona. Del Arco war in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine prägende Persönlichkeit des Journalismus in Spanien und für seine oft provozierenden und praktischen Lehrmethoden bekannt. Er spielte eine wichtige Rolle als Mentor in der Ausbildung von Joana Biarnés, indem er sie zu besonderen und nicht alltäglichen Reportageaufgaben ermutigte. Der Name „Del Arco“ ist in der Journalistenszene Spaniens insbesondere durch seinen Unterricht und seine Kolumnen bekannt geworden.

[3] Jean Michel Bamberger arbeitete bei spanischen Medien, insbesondere beim Radio, und war Produzent der Sendung "Ustedes son formidables", einer erfolgreichen Radiosendung von Alberto Oliveras, die sich auf soziale Hilfsaktionen konzentrierte und im spanischen Radio Popular ausgestrahlt wurde. 

[4] Sincropress war eine spanische Fotoagentur, die von Joana Biarnés gemeinsam mit anderen Fotografen gegründet wurde. Die Gründung von Sincropress war Teil ihrer Bestrebungen, als Fotojournalistin unabhängiger zu arbeiten und nicht nur für einzelne Zeitungen oder Verlage, sondern auch für verschiedene Medien und Auftraggeber tätig sein zu können. Sincropress bot Bildmaterial für Zeitungen, Zeitschriften und andere Presseerzeugnisse an und ermöglichte es Fotoreporterinnen und Fotoreportern, eigene Reportagen und Themen selbstständiger zu vermarkten.

ArchiveMiryam Abebe
Archivgeschichte #7 - Esther Bubley

Greyhound bus trip from Louisville, Kantucky, to Memphis, Tennessee. Waiting for the bus at Memphis terminal, September 1943 © Esther Bubley for the Office of War Information

Esther Bubley (1921-1998) war eine bedeutende US-amerikanische Fotografin, die sowohl im Office of War Information (OWI) als auch bei der Standard Oil Company (New Jersey) tätig war. Sie etablierte sich in einer Zeit, in der viele Frauen auf häusliche Rollen beschränkt waren, als erfolgreiche Fotografin. Sie arbeitete für bekannte Zeitschriften wie LIFE und das Ladies' Home Journal sowie für Unternehmen wie Pepsi-Cola und Pan American World Airways.

Greaseball, a mascot at the Stevens Airport, Frederick, Maryland, October 1943 © Esther Bubley, Office of War Information

Geboren am 16. Februar 1921 in Phillips, als viertes Kind russisch-jüdischer Einwanderer, entwickelte Bubley bereits während ihrer Schulzeit eine Leidenschaft für den Fotojournalismus. Inspiriert vom 1936 erstmals veröffentlichten Life Magazin und den Bildern der Weltwirtschaftskrise der Farm Security Administration, verfolgte sie ihre Passion zielstrebig. Als Chefredakteurin des Jahrbuchs ihres Colleges versuchte sie, den Stil des Life Magazins nachzuahmen. Sie besuchte nach der Highschool zunächst die heutige University of Wisconsin-Superior für zwei Jahre und schrieb sich dann in das einjährige Fotografieprogramm des heutigen Minneapolis College of Art and Design ein.

Alone in the Sea Grill, 1943 © Esther Bubley

1941 zog Bubley nach Washington, D.C., in der Hoffnung, als Fotografin arbeiten zu können. Nach einer kurzen Anstellung beim Vogue Magazin in New York City kehrte sie nach Washington zurück und begann ihre Karriere bei den National Archives and Records Administration. Im Herbst 1942 stellte Roy Stryker sie als Dunkelkammerassistentin im OWI ein, wo sie schnell zur Fotografin avancierte und das Leben an der Heimatfront während des Krieges dokumentierte.

New York Harbor, October 1946 © Esther Bubley

Innovativ in ihren Fototechniken, gehörte Bubley zu den Fotografen, die den Übergang von inszenierten zu spontanen, intimen Erzählungen vollzogen. Sie verstand es hervorragend, künstliches Licht und verschiedene Kameraformate einzusetzen, um tiefgehende und fesselnde Bildserien zu schaffen.

In the Waiting Room, Greyhound Bus Terminal, New York, c. 1949 © Esther Bubley

1943 wechselte Bubley zusammen mit Stryker zu Standard Oil, wo ihre „Bus Story“-Serie 1948 mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Sie begann auch, für das Children’s Bureau zu fotografieren, eine Wohltätigkeitsorganisation, für die sie zahlreiche Bilder beisteuerte.

A Newly Arrived Youngster in the Admitting Ward, Bellevue Hospital, New York, 1950 © Esther Bubley

1949 gewann sie mit einem Bericht über Geisteskrankheit im Ladies' Home Journal erneut einen Fotowettbewerb. Sie produzierte zudem Beiträge für die Serie „How America Lives“. Ab 1951 arbeitete sie für das LIFE Magazin und erstellte zahlreiche Artikel, darunter mehrere Titelgeschichten. In diesem Jahr dokumentierte sie auch das Children’s Hospital of Pittsburgh, was ihr Interesse an medizinischen Themen in der Fotografie verstärkte und von Edward Steichen im Museum of Modern Art ausgestellt wurde.

Third Avenue, 1951 © Esther Bubley

In den 1950er Jahren nahm sie an internationalen Projekten teil, darunter eine Dokumentation für UNICEF in Marokko. Ihre Arbeiten für grosse Unternehmen und Organisationen führten sie nach Lateinamerika, Europa und Asien.

Rush hour passengers on a Q type express train on the upper level of the 42nd Street express station. New York City, circa 1951 © Esther Bubley

Als in den 1960er Jahren die Fotozeitschriften an Bedeutung verloren, konzentrierte sich Bubley mehr auf persönliche Projekte und reduzierte ihre Reisetätigkeit. Sie veröffentlichte Bücher über Tiere und Pflanzenfotografie. 1991 erhielt sie ein Ehrendoktorat vom Minneapolis College of Art and Design. Sie verstarb 1998 in New York City.

New York City, 1951 © Esther Bubley

Ihr fotografisches Werk wird durch Ausstellungen und Publikationen gewürdigt, darunter eine bedeutende Ausstellung 2001 in der UBS Art Gallery in New York City. Bücher über ihr Werk erschienen 2005 und 2010, und sie bleibt eine prägende Figur in der Fotografiegeschichte des 20. Jahrhunderts.

Berber woman. Trachoma project. Morocco. 1953 © Esther Bubley

Central Park. New York City. © Esther Bubley

Rockefeller Center. New York City. © Esther Bubley

Rockefeller Center. New York City. © Esther Bubley

New York City, 1951 © Esther Bubley

In memoriam: Ibra Ibrahimovič...

© Ibra Ibrahimovič

Der tschechische Fotograf Ibra Ibrahimovič, bekannt für seine Arbeiten aus Nordböhmen, ist im Alter von 57 Jahren verstorben. Besondere Aufmerksamkeit erhielt seine Serie über die Gemeinde Libkovice, die in den 1990er Jahren aufgrund des Kohleabbaus dem Boden gleichgemacht wurde. Für seine Serie «Geschichte des Bauern Jan Rajter» wurde er vor 21 Jahren mit dem Hauptpreis des Czech Press Photo ausgezeichnet. Viele seiner Fotografien veröffentlichte er im Umweltmagazin «Sedmá generace».

© Ibra Ibrahimovič

Ibrahimovič stammte aus Most. Seine erste Fotoausstellung hatte er 1993 – eine Serie von Schwarzweissbildern über die Gemeinde Libkovice und den Kampf ihrer Bewohner für die Rettung des Dorfes. Seine Erinnerungen an die Ankunft im Dorf im Dezember 1992 sind auf seiner Website festgehalten: Die für einige Tage geplante Aktion verwandelte sich in zwei Jahre andauernde Bemühungen um die Rettung der Gemeinde. Diese sei seit 1990 wegen dem Kohleabbau systematisch liquidiert worden… Trotz Gerichtsstreitigkeiten und Verhandlungen mit dem Industrieministerium wurden im Oktober 1993 während eines Tages 29 Häuser an der Hauptstrasse abgerissen. Binnen eines Monats folgten weitere 25 Häuser, und bis 1994 verschwand fast die ganze Gemeinde. Die Serie über den verschwundenen Ort heisst «Libkovice, das Gewissen des Nordens».

Ibra Ibrahimovič|Foto: Tomáš Vodňanský, Tschechischer Rundfunk

Archive, in memoriamMiryam Abebe
Fotostiftung Schweiz: «Bildarchiv Online» - ein digitales Portal zur Schweizer Fotografiegeschichte

Ansicht Frontend Bildarchiv Online © Fotostiftung Schweiz

Die Fotostiftung Schweiz macht das fotografische Kulturerbe der Schweiz in neuer Form erlebbar: Mit dem «Bildarchiv Online» wird die Geschichte und Vielfalt der Schweizer Fotografie von ihren Anfängen bis zur Gegenwart digital zugänglich gemacht. Ab sofort können rund 37'700 digitalisierte Werke kostenlos entdeckt werden.

Prozesse, Digital Lab Fotostiftung Schweiz © Fotostiftung Schweiz

Die Plattform bietet eine umfassende Sammlung von Werken aus den Archiven der Fotostiftung Schweiz. Zu den vertretenen renommierten Schweizer Fotografi:innen zählen unter anderen Marianne Breslauer, Barbara Davatz, Robert Frank, Monique Jacot, Andri Pol oder Pia Zanetti. Die Bildbestände werden laufend um neu digitalisierte Werke und Archive ergänzt. Forschende, Medienschaffende, Historiker:innen sowie ein fotografiebegeistertes Publikum erhalten mit dem «Bildarchiv Online» ein vielseitiges Werkzeug – sei es für gezielte Recherchen oder für eine inspirierende Entdeckungsreise durch das Schweizer Fotoschaffen.

Henriette Grindat, 1946-1952, Lavaux, Schweiz © Fotostiftung Schweiz

Effiziente Recherche dank neuer Funktionen
Dank der erweiterten Such- und Filterfunktion können Bilder nach Kriterien wie Fotograf:innen, Orten, Themen, Zeiträumen oder fotografischen Techniken durchsucht werden. Die Warenkorb-Funktion bietet die Möglichkeit, Bilder für Publikationszwecke zu bestellen. Zudem stellt der integrierte Index der Fotograf:innen eine Auswahl von Autor:innen vor, die mit mindestens einem Werk in den Archiven und Sammlungen vertreten sind. Die Plattform ist an die neue Sammlungsdatenbank der Fotostiftung Schweiz angebunden, die seit Frühjahr 2024 im Einsatz ist.

Prozesse, Digital Lab Fotostiftung Schweiz © Fotostiftung Schweiz

Das Digital Lab der Fotostiftung Schweiz
Die Digitalisierung der Archiv- und Sammlungsbestände bildet die Grundlage für deren Sichtbarmachung im digitalen Raum, insbesondere für schwierig zugängliche Medien wie Negativ- und Diapositivfilmen. Mit der Anschaffung einer professionellen Repro-Anlage im Jahr 2017 und dem Aufbau des Know-Hows im hauseigenen Digital Lab wurde die Digitalisierung der Sammlungen intensiv vorangetrieben. Als Kompetenzstelle für die Digitalisierung fotografischer Kulturgüter steht die Fotostiftung in regelmässigem Austausch mit anderen Institutionen. In Zusammenarbeit mit Memoriav organisiert sie zudem Workshops zur Digitalisierung von fotografischen Dokumenten für Fachkräfte.

Marcel Bolomey, Rotes Kreuz, Paris, 1945 © Marcel Bolomet Estate / Gottfried Keller Foundation / Fotostiftung

SchweizArchive und Sammlungen der Fotostiftung Schweiz
Die Fotostiftung Schweiz engagiert sich seit über 50 Jahren für die Bewahrung, Erforschung und Vermittlung des fotografischen Erbes. Sie betreut eine der umfangreichsten und repräsentativsten Sammlung zur Schweizer Fotografie ab 1840 und rund 160 bedeutende Archive von Fotograf:innen wie Binia Bill, Marcel Bolomey, Balthasar Burkhard, Hans Danuser, Ernst A. Heiniger, Gertrud Dübi-Müller, Nicolas Faure, Gertrude Fehr, Gotthard Schuh, Henriette Grindat oder Jakob Tuggener.

Gotthard Schuh, Elefant, um 1930 © Fotostiftung Schweiz

Ein Beitrag zur Zukunft des Kulturerbes
Mit dem «Bildarchiv Online» leistet die Fotostiftung Schweiz einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Teilhabe am fotografischen Erbe der Schweiz. Die Plattform fördert Forschung, Bildung und Vermittlung und öffnet die reiche Bildersammlung für ein breites Publikum.

(Medieninformation Fotostiftung Schweiz)

ArchiveMiryam Abebe
Limen, soglia di passaggio…

Aus Limen, soglia di passaggio © Mario Cresci

Mario Cresci, einer der bedeutendsten italienischen zeitgenössischen Fotografen, hat während seines einwöchigen Aufenthalts in Ragusa ein künstlerisches Projekt realisiert – eine Interaktion mit dem iberischen Territorium und mit Drucken und Kartografien Siziliens aus der Collezione Zipelli della Fondazione Cesare e Doris Zipelli della Banca Agricola Popolare di Ragusa. Als Zeugnis der geopolitischen Bedeutung der Insel im Laufe der Jahrhunderte, sowohl als Ausdruck der Aufmerksamkeit ausländischer Reisender als auch der Arbeit europäischer Kartographen und Illustratoren der damaligen Zeit, bestätigt die Sammlung der Karten von Sizilien die Einzigartigkeit der Insel im Hinblick auf die historischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Ereignisse, die sie in den verschiedenen historischen Epochen beeinflusst haben.

Aus Limen, soglia di passaggio © Mario Cresci

Mario Cresci (Chiavari 1942) ist Fotograf, visueller Designer und Dozent an der ISIA Universität von Urbino. Seit den 1960er Jahren ist er Autor eklektischer Werke, die sich durch eine Freiheit der Forschung auszeichnen, die Zeichnung, Fotografie, Video und Installationen miteinander verbindet. Als einer der ersten seiner Generation in Italien wendet er die Designkunst an und kombiniert sie mit dem Experimentieren mit visuellen Sprachen. 2004 wurde die anthologische Ausstellung „Le case della fotografia“ im GAM in Turin gezeigt. 2023 präsentiert er eine Neuinterpretation seines Werks durch spezifische Schwerpunkte, die in zwei großen Ausstellungen gezeigt wurden: „L'esorcismo del tempo, 1960-1980“ im MAXXI in Rom und „Colorland, 1975-1983“ im Monastero di Astino für die Fondazione MIA in Bergamo. 2019 veröffentlichte er mit „Segni migranti. Storia di grafica e fotografia“, eine wichtige Publikation über seine Forschung. Er lebt und arbeitet in Bergamo.

Aus Limen, soglia di passaggio © Mario Cresci

Die Mario Cresci Archive Association wurde im Mai 2023 auf Initiative von Mario Cresci und seinen Mitarbeitern gegründet, um die Werke des Künstlers zu fördern und aufzuwerten und seine Urheberschaft durch Forschung, Archivierung, Authentifizierung, Dokumentation und Ausstellungsaktivitäten zu schützen.

Aus Limen, soglia di passaggio © Mario Cresci

Collezione Zipelli della Fondazione Cesare e Doris Zipelli della Banca Agricola Popolare di Ragusa: Die Stiftung verfolgt das Ziel, die von Cesare Zipelli hinterlassene Sammlung zu erhalten und aufzuwerten und sie der Öffentlichkeit, Universitäten und kulturellen Einrichtungen zugänglich zu machen. Sie plant den Erwerb weiterer Kulturgüter und die Förderung kreativer sowie wissenschaftlicher Aktivitäten, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Kunst und soziale Studien, mit Fokus auf Sizilien und die Provinz Ragusa. Zusätzlich fördert sie Studien und Forschungen, vergibt Stipendien und Preise, veröffentlicht Werke und organisiert kulturelle Veranstaltungen. Die Stiftung strebt Kooperationen mit öffentlichen und privaten Einrichtungen an, um ihre Ziele zu erreichen.

Aus Limen, soglia di passaggio © Mario Cresci

Das Ragusa Foto Festival ist ein jährliches Fotografie-Event in Ragusa, Sizilien. Es umfasst Ausstellungen, Workshops, Vorträge und Begegnungen mit renommierten Fotografen und aufstrebenden Talenten. Das Festival möchte die Fotokultur fördern und bietet eine Plattform für den Austausch von Ideen und Inspirationen im Bereich der visuellen Kunst.

Collage aus Limen, soglia di passaggio © Mario Cresci

Die Ausstellung "Limen, soglia di passaggio" von Mario Cresci kann bis 30. September 2024 im Palazzo Garofalo in Ragusa Ibla besucht werden.

Collage aus Limen, soglia di passaggio © Mario Cresci

Collage aus Limen, soglia di passaggio © Mario Cresci

Collage aus Limen, soglia di passaggio © Mario Cresci

Monique Jacot...

Sans titre, 1995 © Monique Jacot / Fotostiftung Schweiz

Monique Jacot, eine aussergewöhnliche Künstlerin, hat uns Anfang August verlassen. Ihre Fähigkeit, das Leben in seinen vielfältigen Facetten einzufangen, bleibt unvergessen. Doch ihr Vermächtnis lebt in ihren Bildern weiter.

Geboren 1934 in Neuenburg entdeckte Jacot früh ihre Leidenschaft für die Fotografie. Ihr Werk umfasst eine beeindruckende Vielfalt an Themen: von gesellschaftlichen Fragestellungen über intime Porträts bis hin zu beeindruckenden Landschaftsaufnahmen. Ihre Fähigkeit, die Essenz des Moments festzuhalten, machte sie einzigartig.

Maude liardon, danseuse, Prangins, 1990 © Monique Jacot / Fotostiftung Schweiz

Jacots Fotografien sind mehr als blosse Bilder; sie erzählen Geschichten und berühren Emotionen. Sie arbeitete für renommierte Magazine wie "Vogue", "Elle" und "Die Zeit", doch auch jenseits des Mainstreams brachte sie ihre einzigartige Perspektive zum Ausdruck. Ihr soziales Engagement zeugte von ihrem einfühlsamen Blick auf Ungerechtigkeiten und die oft übersehenen Facetten des menschlichen Lebens.

Monique Jacot, Sans titre, série Fleurs, 1996, Transfert Polaroid sur papier Fabriano. Cabinet cantonal des estampes Collection de la Ville de Vevey Musée Jenisch Vevey © Monique Jacot / Fotostiftung Schweiz ; Photo © Julien Gremaud

Ihr Engagement für soziale Themen manifestierte sich auch in ihrer Dokumentation des Frauenstreiks von 1991 in der Schweiz, einem bedeutsamen Ereignis in der Geschichte der Frauenrechte. Jacot hielt diese kraftvolle Bewegung in beeindruckenden Bildern fest, die die Stärke und Entschlossenheit der streikenden Frauen einfingen und damit einen bleibenden Beitrag zur feministischen Geschichte leisteten.

Serpents, 2012, photogramme © Monique Jacot / Fotostiftung Schweiz

In einer Ära, in der Frauen in der Fotografie selten die Kameras in die Hand nahmen, war Jacot eine inspirierende Pionierin. 2020 wurde sie mit dem Schweizer Grand Prix Design des Bundesamtes für Kultur ausgezeichnet, eine Ehrung, die unterstrich, wie sehr ihr Werk die kulturelle Landschaft prägte.

Peney-le-Jorat, 1988, aus der Serie: Femmes de la terre / Frauen auf dem Land © Monique Jacot / Fotostiftung Schweiz

Ein bedeutendes Vermächtnis hinterliess sie mit der Schenkung ihres umfangreichen Archivs an die Fotostiftung Schweiz. Diese Sammlung bietet zukünftigen Generationen die Möglichkeit, von ihren eindrucksvollen Arbeiten und ihrer aussergewöhnlichen Sichtweise auf die Welt zu lernen. Seit 2010 betreut die Fotostiftung Schweiz in Winterthur das fotografische Archiv von Monique Jacot.

Atelier de Gérard de Palézieux, 1978, photographie analogiques noir et blanc, Kunstsammlung Stadt Biel, © Monique Jacot / Fotostiftung Schweiz

Wir haben eine bemerkenswerte Fotografin verloren, doch ihr Licht wird weiterhin den Weg erhellen für jene, die bereit sind hinzusehen und zu fühlen. Ihr Werk bleibt ein lebendiges Zeugnis ihrer tiefen Menschlichkeit und ihres aussergewöhnlichen Lebens.

Hanalei, Ile de Kauai, 1991, Kunstsammlung Stadt Biel, © Monique Jacot / Fotostiftung Schweiz

Bis 14. September 2024 kann die Ausstellung La figura e i suoi doppi von Monique Jacot im Palazzetto Bru Zane in Venedig besucht werden.

Archive, ArtMiryam Abebe
L'immagine dell'empresente. FOSCO MARAINI. Una retrospettiva...

Kinder laufen auf dem Kutcharo-See. Japan. Hokkaidō. 1953-1954.
Copyright: Fotografie von Fosco Maraini / Eigentum Gabinetto Vieusseux © 2024 Archivi Alinari

Das MUSEC in Lugano feiert die Fotografie von Fosco Maraini zwanzig Jahre nach seinem Tod mit der grössten Retrospektive, die ihm je gewidmet wurde. Sie ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts, das vor zwei Jahren gestartet wurde und an dem die wichtigsten Institutionen beteiligt waren, die sein Werk von Anfang an bewahrt und gefördert haben. Auf diese Weise ist es möglich, Maraini die ihm gebührende Rolle in der Geschichte der Fotografie zuzuweisen und gleichzeitig auf mehreren Ebenen über die grundlegenden Werte einer Kunstform nachzudenken, die heute, angesichts der neuen Grenzen der Technologie, ihrer Substanz in Frage stellt. Eine Überlegung, die darauf abzielt, zu unterstreichen, dass jede Darstellung der Realität, sei sie konkret oder abstrakt, nur dann einen Sinn hat, wenn sie in der Lage ist, ein geistiges Universum und eine ursprüngliche Vision der Welt wiederherzustellen.

Wandernder Musiker. Tibet. 1937.
Copyright: Fotografie von Fosco Maraini / Eigentum Gabinetto Vieusseux © 2024 Archivi Alinari.

Die Ausstellung in der Villa Malpensata in Lugano zeigt 223 zum Teil unveröffentlichte Fotografien, die zwischen 1928 und 1971 in Europa und Asien aufgenommen wurden. Die Auswahl der Fotografien ist das Ergebnis einer eingehenden Untersuchung des Fotoarchivs von Maraini, angefangen bei den Hunderten von illustrierten Publikationen, die es erst ermöglichten, die Kapitel zu definieren, mit denen das Projekt strukturiert werden sollte, bis hin zu den Tausenden von Negativen, die im Gabinetto Vieusseux in Florenz aufbewahrt werden. Unter Berücksichtigung der laufenden "Entdeckungen", der fehlenden oder unbrauchbaren Negative und der vergleichenden Auswahl, die notwendig war, um Harmonie und visuelle Kohärenz zu gewährleisten, nahm die Auswahl so Gestalt an. Die von Francesco Paolo Campione, dem Direktor des MUSEC, kuratierte Ausstellung bringt die Facetten der Fotografie Marainis wieder zum Vorschein: eine Fotografie von Menschen und Kulturen; von Landschaften, die sich ins Unendliche öffnen; von Innenarchitekturen, in denen die geheimen Geometrien der inneren Welt widerhallen; von Details, die sich inmitten der Handlung einer Realität offenbaren, die mit seltener Intelligenz interpretiert und mit einer kultivierten und äusserst feinen Ästhetik beschrieben wird. Es sind Bilder, die "all'empresente ergriffen" sind, wie Maraini mit einem ihrer überraschenden Neologismen zu sagen pflegte. Bilder also, die in jenem unwiederholbaren Moment eingefangen wurden, in dem das Auge die Bewegungen des Herzens und der Seele wahrnimmt.

Maiglöckchen. Italien. Um 1930.
Copyright: Fotografie von Fosco Maraini / Eigentum Gabinetto Vieusseux © 2024 Archivi Alinari.

Fosco Maraini wurde am 15. November 1912 in Florenz als Sohn von Antonio Maraini (1886-1963), einem bekannten Bildhauer aus einer alteingesessenen Tessiner Familie, und Edith (Yoï) Crosse (1877-1944), einer Schriftstellerin englischer Abstammung und ungarisch-polnischer Herkunft, geboren. 1935 heiratete er die Malerin Topazia Alliata (1913-2015), die aus einer sizilianischen Aristokratenfamilie stammte und wie er eine begeisterte Bergsteigerin war. Das Paar hatte drei Töchter: Dacia (geb. 1936), Yuki (1939-1995) und Toni (geb. 1941). 1937 unternahm Maraini mit dem bekannten Orientalisten Giuseppe Tucci (1894-1984) eine lange Expedition nach Tibet. Nach seiner Rückkehr nach Italien schloss er sein Studium ab und erwarb 1938 einen Abschluss in Naturwissenschaften an der Universität von Florenz. Ein Stipendium ermöglichte es ihm, mit seiner Familie nach Sapporo auf der Insel Hokkaido umzuziehen, wo er die Ainu erforschte. Infolge des Krieges wurden Maraini und seine Familie auch mehrere Monate in einem Konzentrationslager in Nagoya interniert. 1946 kehrte Maraini mit seiner Frau und seinen Töchtern nach Italien zurück und nahm seine Bibliothek und seine Sammlung von etwa fünfhundert Objekten der Kunst und der materiellen Kultur der Ainu mit, die sich heute im Museum für Anthropologie und Ethnologie der Universität Florenz befinden.

Wäschetag. Kampanien. Neapel. 1952-1953.
Copyright: Fotografie von Fosco Maraini / Eigentum Gabinetto Vieusseux © 2024 Archivi Alinari.

Im Jahr 1948 unternahm er zusammen mit Tucci eine zweite Expedition nach Tibet, nach der er das erfolgreiche Buch Secret Tibet (1951) veröffentlichte. Zwischen 1949 und 1953 widmete er sich einer intensiven Dokumentationsarbeit. Anschliessend begann er eine Phase dokumentarischer Arbeit, in der er mehrere Kurzfilme in Sizilien produzierte. In dieser Zeit hatte der Verleger Di Donato die Idee zu einem Fotoband, der den Titel Nostro Sud tragen sollte, der jedoch nie realisiert wurde. Dieses Projekt führte Maraini auf eine zweijährige Reise (1952-1953) durch ganz Süditalien, auf der er Tausende von Fotos machte. Im Frühjahr und Sommer 1951 dokumentierte er unter der wissenschaftlichen Leitung von Ernst Kitzinger (1912-2003) auch die byzantinischen Mosaike in Palermo und Monreale. In der gleichen Zeit startete er ein Dokumentarfilmprojekt in Griechenland, das nie abgeschlossen wurde, und machte mehr als 700 Fotos.

Neue Mythen. Nordgriechenland. Juni 1951.
Copyright: Fotografie von Fosco Maraini / Eigentum Gabinetto Vieusseux © 2024 Archivi Alinari.

1954 kehrte Maraini für weitere Dokumentarfilme nach Japan zurück. In dieser Zeit machte er auch viele Fotos und sammelte Material für mehrere Bücher, darunter Ore giapponesi (1956), The Island of the Fishwomen (1960) und Japan: Patterns of Continuity (1971). Maraini war auch ein begeisterter Bergsteiger und nahm zwischen 1958 und 1959 an Expeditionen zum Gasherbrum IV im Karakorum und zum Saraghrar Peak am Hindukusch teil, die zu den Büchern Gasherbrum 4. Baltoro, Karakorùm (1959) und Paropàmiso (1963). Zwischen 1960 und 1964 war er Fellow am St. Antony's College (Abteilung für fernöstliche Zivilisation) in Oxford. Auf dem Weg nach Japan, um sein Studium abzuschliessen, reiste er 1962 durch mehrere asiatische Länder. 1970 ernannte ihn das Aussenministerium zum Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des italienischen Pavillons auf der Weltausstellung in Osaka. Im selben Jahr heiratete er seine zweite Frau, Mieko Namiki (geb. 1940), eine japanische Designerin, die er vier Jahre zuvor kennen gelernt hatte. 1972 kehrte er dauerhaft nach Florenz zurück, wo er bis 1983 an der Universität Japanische Sprache und Literatur lehrte. Parallel dazu arbeitete er an der Systematisierung der komplexen Wechselwirkungen zwischen seinen künstlerischen, wissenschaftlichen und literarischen Interessen. 1983 gründete er die Italienische Gesellschaft für Japanstudien (Aistugia), deren Ehrenpräsident er bis zu seinem Tod war. In seinen letzten Lebensjahren widmete sich Maraini der Neuordnung seines umfangreichen Bild- und Textarchivs, vertiefte seine Japanstudien und arbeitete an der Gründung des Zentrums für Orientalische Studien Vieusseux-Asia, das 2001 eingeweiht wurde. Fosco Maraini verstarb am 8. Juni 2004 in Florenz. Seinem Wunsch entsprechend wurde er auf dem kleinen Friedhof von Alpe di Sant'Antonio in der Garfagnana beigesetzt, wo er ein Haus besass.

Wissensdurst. Japan. 1953-1963.
Copyright: Fotografie von Fosco Maraini / Eigentum Gabinetto Vieusseux © 2024 Archivi Alinari. 

Das Museo delle Culture wurde 1985 und beherbergt den grössten Teil der aussergewöhnlichen Sammlung des Tessiner Künstlers Serge Brignoni . Die prächtige Villa im neoklassizistischen Stil liegt am Seeufer in einem botanischen Park mit tropischen und subtropischen Arten.

Eishöhle. Pakistan. Karakorum. 30. April-3. September 1958
Copyright: Fotografie von Fosco Maraini / Eigentum Gabinetto Vieusseux © 2024 Archivi Alinari.

Die Ausstellung L'immagine dell'empresente. Fosco Mariani. Una retrospettiva kann bis 19. Januar im MUSEC – Museo delle Culture in Lugano besucht werden.

Au début, la photographie...

Femme à l’ombrelle sur la rive haute du Mississippi, près de St. Louis, Missouri, Juillet-Septembre 1900, 8,3 x 8,4 cm – Papier avec émulsion au chlorure d’argent. Fondation Gabriele Münter et Johannes Eichner, Munich. © ADAGP, Paris, 2024

Die Ausstellung Au début, la photographie im Pavillon Populaire in Montpellier bringt zwei aussergewöhnliche Künstlerinnen zusammen, deren fotografisches Werk oft im Schatten ihrer bekannteren Tätigkeiten steht: Gabriele Münter, eine der führenden Figuren des Expressionismus und Mitbegründerin des Blauen Reiters, und Eudora Welty, eine gefeierte amerikanische Schriftstellerin und Chronistin des amerikanischen Südens.  

Die Ausstellung beleuchtet die frühen fotografischen Arbeiten dieser beiden Künstlerinnen, die in vielerlei Hinsicht überraschend sind. Sie bietet einen seltenen Einblick in ihre visuelle Weltwahrnehmung und erlaubt es uns, die Anfänge ihrer kreativen Wege zu verfolgen.

Emmy, the donkey, Fred, Johnnie, Dallas, our room, Guion, Texas, Février, Mars 1900 8,5 x 8,7 cm - Papier avec émulsion au chlorure d’argent. Fondation Gabriele Münter et Johannes Eichner, Munich. © ADAGP, Paris, 2024

 

Gabriele Münter - Einblicke in eine expressionistische Seele. Münters Fotografien sind geprägt von einem tiefen Verständnis für Komposition und Licht, das zweifellos ihre malerischen Werke beeinflusst hat. Ihre Aufnahmen, oft schnörkellos, zeigen eine Sensibilität und eine Neigung zur Atmosphäre. Landschaften, Porträts und alltägliche Szenen erhalten durch Münters Linse eine besondere Bedeutung und Präsenz. Ihre Fotografie wirkt manchmal wie eine Vorstufe ihrer späteren expressionistischen Werke – man kann förmlich die Übergänge von Licht und Schatten in ihre Gemälde nachzeichnen.

Garçons jouant entre Abilene et le lac d’Abilene le jour de notre départ, Texas, 17 mai 1900 8,4 x 8,7 cm – Papier avec émulsion au chlorure d’argent. Fondation Gabriele Münter et Johannes Eichner, Munich. © ADAGP, Paris, 2024

Eudora Welty - Die Chronistin des Alltags. Weltys Fotografien wiederum dokumentieren die tiefen sozialen und kulturellen Schichten des amerikanischen Südens der 1930er Jahre. Sie zeigt die Menschen in ihrem alltäglichen Leben, oft in Momenten der Arbeit oder in ihren Gemeinschaften. Ihre Bilder sind sowohl dokumentarisch als auch poetisch, sie sind Zeugnisse einer Zeit und einer Region, die sie auch literarisch festgehalten hat. Weltys Gespür für das Erzählerische findet in ihren Fotografien einen deutlichen Ausdruck; jedes Bild scheint eine grössere Geschichte zu verbergen, die darauf wartet, entdeckt zu werden.

Petit garçon au chapeau sur une véranda, Marshall, Texas, Mai-Juin 1900, 8,5 x 9,5 cm - Négatif celluloïd. Fondation Gabriele Münter et Johannes Eichner, Munich. © ADAGP, Paris, 2024

Die Ausstellung ist sorgfältig kuratiert, die Werke sind in einem harmonischen Dialog zueinander arrangiert. Auf subtile Weise wird hervorgehoben, wie beide Künstlerinnen, obwohl geografisch und kulturell weit voneinander entfernt, ähnliche ästhetische Fragen und soziale Themen bearbeitet haben. Der kunsthistorische Kontext, der durch erklärende Texte und historische Hintergrundinformationen vermittelt wird, hilft dem Betrachter, die Bedeutung und die Einflüsse dieser fotografischen Arbeiten umfassend zu verstehen.

Petite fille dans une rue, St. Louis, Missouri, Juillet-Septembre 1900, 8,7 x 9,6 cm - Négatif celluloïd. Fondation Gabriele Münter et Johannes Eichner, Munich. © ADAGP, Paris, 2024

"Au début, la photographie" ist eine Ausstellung, die sowohl für Kenner als auch für Neulinge auf dem Gebiet der Kunstfotografie faszinierend ist. Sie zeigt die Bedeutung der Fotografie als Ausdrucksmittel und ihre Fähigkeit, tiefere Schichten der Realität offenzulegen. Münter und Welty, jede auf ihre Weise, bieten uns durch ihre frühen Arbeiten neue Einblicke in ihre kreativen Prozesse und in ihre Sicht auf die Welt. Diese Ausstellung im Pavillon Populaire ist ein Muss für alle Kunstliebhaber, die bereit sind, die Anfänge zweier beeindruckender Künstlerinnen zu entdecken und die Fotografie als eine erweiterte Sprache der Kunst zu schätzen wissen.

Home sweet home at aunt Annie’s, Plainview, Texas, 1899/1900, 6 x 10,2 cm - Papier avec émulsion au chlorure d’argent. Fondation Gabriele Münter et Johannes Eichner, Munich. © ADAGP, Paris, 2024

Gabriele Münter, geboren am 19. Februar 1877 in Berlin, war eine bedeutende deutsche Malerin des Expressionismus und eine Pionierin der künstlerischen Fotografie. In den 1890er Jahren begann sie mit Zeichenkursen in Düsseldorf und entdeckte bald die Fotografie für sich. 1901 zog sie nach München, studierte an der Künstlerinnenschule und der Phalanx-Kunstschule, wo sie Wassily Kandinsky kennenlernte. Gemeinsam bereisten sie Europa und die USA, wobei Münter stets mit ihrer Kamera Eindrücke festhielt. Ihre Fotografien dieser Reisen dokumentieren eindrucksvoll Alltagsszenen, Architektur und Natur.

Mardi gras dans une rue de la Nouvelle-Orléans, 1935 © Reproduit avec l’autorisation du Mississipi Department of Archives History et Russell & Volkening en tant qu’agents de l’auteur © 2024 Eudora Welty & Eudora Welty, LLC

1909 war Münter Mitbegründerin der Neuen Künstlervereinigung München und 1911 Mitglied der Gruppe "Der Blaue Reiter". Ihre Fotografien spielten eine wesentliche Rolle in ihrem künstlerischen Schaffen und beeinflussten die visuelle Sprache der Gruppe.  

Während des Ersten Weltkriegs lebte sie in Skandinavien und der Schweiz, bevor sie 1920 nach Murnau am Staffelsee zurückkehrte. Dort setzte sie ihre Fotografietätigkeit fort und dokumentierte das ländliche Leben und die Natur.  

Gabriele Münter starb am 19. Mai 1962 in Murnau. Ihr fotografisches Werk gilt heute als integraler Bestandteil ihres künstlerischen Œuvres und bietet einzigartige Einblicke in ihre vielseitige Kreativität.

Le porche, Années 30 © Reproduit avec l’autorisation du Mississipi Department of Archives History et Russell & Volkening © 2024 Eudora Welty & Eudora Welty, LLC

Eudora Welty (1909–2001) war eine gefeierte amerikanische Schriftstellerin und Fotografin, bekannt für ihre einfühlsamen Schilderungen des Lebens in den Südstaaten der USA. Geboren am 13. April 1909 in Jackson, Mississippi, zeigte sie schon früh eine aussergewöhnliche Beobachtungsgabe, die sich später in ihren literarischen und visuellen Werken widerspiegelte. Nach ihrem Studium kehrte Welty in den 1930er Jahren nach Mississippi zurück und arbeitete für die Works Progress Administration (WPA). Mit ihrer Voigtländer-Kamera dokumentierte sie das Alltagsleben während der Grossen Depression. Ihre Fotografien zeigen eine Mischung aus dokumentarischer Präzision und tiefem Mitgefühl und bieten intime Einblicke in die sozialen und ökonomischen Bedingungen der Zeit.

Promeneuses, Années 30 © Reproduit avec l’autorisation du Mississipi Department of Archives History et Russell & Volkening © 2024 Eudora Welty & Eudora Welty, LLC

1941 veröffentlichte sie ihre erste Kurzgeschichtensammlung, "A Curtain of Green", die sie literarisch bekannt machte. Sie gewann zahlreiche Preise, darunter den Pulitzer-Preis für "The Optimist's Daughter" (1973). In späteren Jahren wurden ihre Fotografien wiederentdeckt und fanden ein breiteres Publikum. Die Kombination ihrer literarischen und fotografischen Arbeiten bietet einen tiefen Einblick in die amerikanische Südstaatenerfahrung des 20. Jahrhunderts.

Crystal Springs, Années 30 © Reproduit avec l’autorisation du Mississipi Department of Archives History et Russell & Volkening © 2024 Eudora Welty & Eudora Welty, LLC

Eudora Welty verstarb am 23. Juli 2001 in Jackson, Mississippi, und hinterliess ein anhaltendes Erbe in Literatur und Fotografie, das Generationen inspiriert.

Fayette, Années 30 © Reproduit avec l’autorisation du Mississipi Department of Archives History et Russell & Volkening © 2024 Eudora Welty & Eudora Welty, LLC

Die Ausstellung "Au début, la photographie" kann noch bis 29 September 2024 im Pavillon Populaire in Montpellier besucht werden.

Archivgeschichte #6 - Frances McLaughlin-Gill

Manhattan, Vogue, 15. November 1944 © Frances McLaughlin-Gill

Frances McLaughlin-Gill (1919 in Brooklyn, New York - 2014) war eine amerikanische Fotografin und eine der ersten weiblichen Modefotografinnen, die bei Vogue unter Vertrag stand. Nach zwei Jahrzehnten in der Modebranche arbeitete sie ein Jahrzehnt lang als unabhängige Filmproduzentin und drehte Werbefilme. Einer ihrer Filme gewann 1969 die Goldmedaille beim Internationalen Film- und Fernsehfestival von New York. In ihrer späteren Karriere veröffentlichte sie mehrere Sammlungen, sowohl mit ihrer Schwester als auch in Zusammenarbeit mit anderen Autoren.

Untitled (woman smoking a cigarette), c. 1950 © Frances McLaughlin-Gill

Frances McLaughlin wurde am 22. September 1919 in Brooklyn, New York, als Tochter von Kathryn und Frank McLaughlin geboren. Sie war die Zwillingsschwester von Kathryn Abbe. Ihr Vater starb, als die Zwillinge drei Monate alt waren, und die Familie zog nach Wallingford, Connecticut, wo sie ihre Schulausbildung abschlossen. Frances machte 1937 ihren Abschluss an der Lyman Hall High School als Klassenbeste und Kathryn war die Zweitbeste. Die Zwillinge schrieben sich dann am Pratt Institute ein, um Fotografie zu studieren und machten 1941 ihren Abschluss. Im selben Jahr nahmen beide an dem von Vogue gesponserten Prix de Paris-Wettbewerb teil und waren unter den fünf Finalisten.

Nan Martin, Jones Beach, NY, Glamour, 1950. © Frances McLaughlin-Gill

McLaughlin-Gill arbeitete anschliessend als Stylistin für Montgomery Ward und wurde schliesslich Toni Frissell, einem Fotografen der Vogue, vorgestellt. Frissell stellte sie Frances Alexander Liberman vor, dem neuen Art Director der Vogue, der sie 1943 einstellte. Liberman war der Meinung, dass McLaughlin einen frischen Ansatz hatte. Ihre Direktheit und Spontaneität machten McLaughlin für ihn zu einer idealen Fotografin, denn ihre Bilder waren weniger gestellt und natürlicher als die vieler Modefotografen jener Zeit. Sie begann mit Fotoshootings mit Nachwuchsmodellen für Glamour Magazine, das sich an ein jüngeres Publikum richtete, und war in der Lage, Bewegungen auf eine Art und Weise einzufangen, wie es bis dahin nicht möglich gewesen war. In den 1940er und 1950er Jahren schuf McLaughlin einige der stärksten Bilder, die in der amerikanischen Ausgabe der Vogue erschienen. Neben Modefotografien schuf sie auch Fotos von Prominenten sowie Stillleben für Leitartikel und Titelseiten von House & Garden. 1948 heiratete sie den Fotografen Leslie Gill, der als einer der ersten Fotografen bekannt wurde, der Farbfilm verwendete.

Nan Martin, Street Scene, First Avenue, 1949 © Frances McLaughlin-Gill

Einer der Höhepunkte ihrer Karriere war McLaughlins Arbeit bei der Paris Fashion Week 1952. Obwohl sie weiterhin für Glamour, House & Garden und Vogue arbeitete, wurde McLaughlin 1954 freiberufliche Fotografin bei Condé Nast Publications. In den sechziger Jahren schrieb sie regelmässig für die britische Vogue. Nach dem plötzlichen Tod Gills 1958 begann McLaughlin, ihren Nachnamen mit Bindestrich zu schreiben. Im folgenden Jahr arbeiteten die Schwestern gemeinsam an einer Sammlung von Kinderfotos, die in Modern Photography veröffentlicht wurden. Zwischen 1964 und 1973 drehte McLaughlin-Gill als unabhängige Filmproduzentin und Regisseurin Werbespots und Filme. Ihr Film Cover Girl: New Face in Focus über das Model of the Year, Elaine Fulkersons Weg zum Modemodell, gewann 1969 die Goldmedaille beim International Films and TV Festival of New York. Ende der 1970er Jahre begann sie, an der School of Visual Arts in Manhattan Fotografie-Seminare zu geben.

Vogue, March 1, 1947 © Frances McLaughlin-Gill

McLaughlin-Gill begann nach 1976, einige ihrer späteren Werke in Buchform zu veröffentlichen. Einige ihrer bekanntesten Sammlungen waren Women Photograph Men (1976) und Twins on Twins (1981), das zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Kathryn Abbe veröffentlicht wurde. Sie fotografierte auch für mehrere Autorenbücher, darunter ein Buch über Körpersprache, Face Talk, Hand Talk, Body Talk (1977) von Sue Castle und Jane Fearer Safers Spirals From the Sea: An Anthropological Look at Shells (1983). 1984 bereitete sie Fotografien für eine retrospektive Ausstellung der Werke ihres Mannes für das New Orleans Museum of Art vor. 1995 fand eine Ausstellung ihrer Fotografien in der Hamilton’s Gallery in London statt und 2011 veröffentlichten sie und ihre Schwester ihr letztes gemeinsames Buch, Twin Lives in Photography. Die Schwestern waren 2009 Gegenstand eines von Nina Rosenblum, produzierten Dokumentarfilms, Twin Lenses, der ihre Pionierrolle in der Fotografie beleuchtete und Interviews mit den Zwillingen enthielt. McLaughlin-Gill starb am 23. Oktober 2014.

Marguerite Dillemuth with a car, 1946 © Frances McLaughlin-Gill

Tina Campbell at the Hall of Mirrors, Versailles © Frances McLaughlin-Gill, ICP

Glamour, 1946 © Frances McLaughlin-Gill

Beauty through the man's eyes, for Glamour, Summer issue, 1950 © Frances McLaughlin-Gill

Theatre Time, Broadway - Producer Gardner Cowles with Catherine Hannon - taken for Vogue, Oct. 15, 1953 © Frances McLaughlin-Gill

Untitled (woman's face with eye highlighted), c. 1950 © Frances McLaughlin-Gill

Central Park South Near 6th Avenue, NYC, Photo by Leslie Gill, 1953 © Frances McLaughlin-Gil

Beth Wilson, Vogue, 1945 © Frances McLaughlin-Gill

Lifetime Award der photoSchweiz geht an den Modefotografen Hans Feurer

© Hans Feurer

Die photoSchweiz ehrt den Modefotografen Hans Feurer mit dem Lifetime Award. Mit der Auszeichnung wird einer der international erfolgreichsten Schweizer Modefotografen geehrt. 

© Hans Feurer

Hans Feurer wurde am 22. September 1939 in Zürich geboren und arbeitete nach seinem Kunststudium in den 1960er Jahren als Art Direcotr für diverse Firmen in London. 1966 - während einer Reise nach Südafrika entschied, Feurer sich als Fotografen zu etablieren und mietete nach seiner Rückkehr in London ein Studio. Bereits ein Jahr später gelang ihm der Durchbruch. Seine Werke wurden unter anderen in der Vogue und der GQ Style publiziert. 1974 fotografierte er für den legendären Pirelli-Kalender. 

© Hans Feurer

Von Beginn weg demonstrierte Hans Feurer sein aussergewöhnliches Talent Mode und seine Modelle ins beste Licht zu rücken. Wichtigster Fokus war dabei die herausragende Ausstrahlung und die kraftvolle Präsenz seiner charismatischen Modelle. Er erschuf als "Meister des Gegenlichts" ikonische Bilder und über beinahe fünf Jahrzehnte ein einzigartiges Werk. 

© Hans Feurer

Michel Pernet, Produzent der photoSchweiz erklärt: "Ein Level, das bis heute unerreicht ist". 

© Hans Feurer

Hans Feurer freut sich über die Auszeichnung der photoSchweiz und der Sonderschau: " Dies ist eine ebenso warmherzige und künstlerisch spannende Würdigung meiner Vita und meines Werks. Ich fühle mich geehrt." 

© Hans Feurer

Die photoSchweiz kann noch bis 16. Januar 2024 in der Halle 550 in Oerlikon besucht werden.

© Hans Feurer

Pia Zanetti…

Chontales, Nicaragua, 1987 © Pia Zanetti

Bereits 2021 ist ein Buch über die Arbeit von Pia Zanetti, anlässlich ihrer Ausstellung in der Fotostiftung beim Verlag Scheidegger & Spiess erschienen. Wer nun denk, dass man keine neuen Aspekte des fotografischen Werks von Pia Zanetti kennen lernen kann, irrt sich. Ein Blick, auch ein zweiter, dritter Blick in das Buch lohnt sich. Peter Pfrunder (Direktor Fotostiftung) hat sich gar gefragt, ob Pia Zanetti ihnen Bilder vorenthalten habe...

In St. Moritz fotografierte ich die "Italiener erster Klasse": Das waren jene Begüterten aus Mailand und Turin, die im Engadin ihren verschwenderischen Lebensstil pflegten und mit ihren Landsleuten aus dem Süden, die als Kellner und Dienstmädchen arbeiteten, nur Französisch redeten.
© Pia Zanetti

Natürlich gibt es ein paar Bilder, die erkennt man wieder, aber es gibt viel Neues zu sehen. Pia Zanetti ist tief in ihr Archiv getaucht und hat neue Schätze gehoben. Schätze, die beim Machen eher verkannt worden sind, aber im heutigen Zeitgeist mit einem anderen Blick auf die Arbeit unbedingt gezeigt und vor allem gesehen werden sollten. Dies ist der Bildauswahl mit Luca Zanetti, ihrem Sohn und Fotografen geschuldet. Er hat sie auf Bilder aufmerksam gemacht, die für das heutige Wahrnehmen wichtig geworden sind. Es gibt mehr Farbfotografien und jüngere Arbeiten zu entdecken.

Belgien, 1967 © Pia Zanetti

Blättert man das Buch durch, entdeckt man immer wieder Menschenmengen, aus denen einzelne Personen mit skurrilen Gesichtsausdrücken, Menschen, die ihren Gedanken nachhängen und ins Nirgendwo schauen und lachende Kinderaugen scheinbar hervorgehoben werden. Pia Zanetti geht mit der Kamera – natürlich unerkannt – auf die Menschen zu und erzählt deren Geschichten genauso oder ganz anders…

Chicago, USA, 1967 © Pia Zanetti

Das spannende an Pia Zanettis neuem Buch, das bei den Edizioni Periferia erschienen ist – es hat kaum Text. Nur Anmerkungen, wo die Bilder entstanden sind und dies auch nur wenn sie sich noch genau daran erinnert. Aber das Buch funktioniert, denn auf allen der 351 Seiten gibt es Bilder, die für sich sprechen und keine Worte brauchen. Wohltuend für alle, die sich einzig auf die Fotografie fokussieren möchten und sich nicht durch Texte beeinflussen oder ablenken möchten!

Ein Blick, ein Moment: Der Box-Champion Muhammad Ali an einer Black-Power-Versammlung in der Community von Watts
© Pia Zanetti

Pia Zanetti (*1943) ist in Basel geboren und lebet heute in Zürich. Ihre Ausbildung zur Fotografin machte sie bei Olivio Fontana und an der Kunstgewerbeschule Basel (1960 – 1963). Seither ist sie als freischaffende Fotografin tätig, mit Schwerpunkten in politischen und sozialen Themen. Von 1963 bis 1965 und von 1969 bis 1971 lebte sie in Rom, dazwischen in London (1965 – 1969). Ihre Arbeiten erschienen in zahlreichen Medien (Espresso, Venerdì di Repubblica, Adesso, Stern, Paris Match, Du, Annabelle, Bolero, Film-Revue, Textil-Revue und anderen) und wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen (Instituto Svizzero di Roma, Museo cantonale d'Arte, Lugano, Musée de l'Elysée, Kunsthaus Zürich und anderen) präsentiert. Seit 2019 ist sei Stiftungsrätin und fotografische Beraterin von fairpicture.org.

Soweto, Johannesburg, Republik Südafrika, 1968 © Pia Zanetti

1986 gründeten Flurina und Gianni Paravicini-Tönz in Poschiavo die Galleria Periferia. Es entstanden installative Reaktionen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler auf die rurale Bausubstanz des Gebäudes, auf die Zeit und den Ort. 1992 gesellte sich nach dem Umzug nach Luzern die Edizioni Peiferia. Der Schwerpunkt verlagerte sich immer mehr von Ausstellungen auf den Verlagsbereich. Seither verlegten sie über hundert Kunst- und Künstlerbücher, von denen einige längst vergriffen und gesucht sind. Das Programm beinhaltet Bücher, Editionen, Videos und DVDs von international bekannten Künstlerinnen und Künstlern mit speziellen thematischen Schwerpunkten. Die Publikationen werden mit grösster Sorgfalt produziert und stellen in sich geschlossene Werke dar, die in kleinen, meist limitierten und oft nummerierten Auflagen editiert werden.

Armeno, Italien, 1995 © Pia Zanetti

Das Buch Pia Zanetti (ISBN 978-3-907205-39-6) kann direkt bei Edizioni Periferia bestellt oder im Buchhandel bezogen werden.

Fotograf – Ernst Scheidegger…

Metzgerei in Süditalien, um 1948, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Fotograf – Ernst Scheidegger ist eine Hommage an den am 30. November 1923 geborenen Magnum-Fotografen und Mitbegründer des Verlags Scheidegger & Spiess mit Texten von Tobia Bezzola, Philippe Büttner, Helen Grob, langjährige Lebenspartnerin von Ernst Scheidegger und Alessa Widmer.

Fassade des ehemaligen Wohnhauses des Malers Johna Barthold Jongkind, Paris, um 1955 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Tobia Bezzola schreibt in Vom fotografischen Frühwerk zu den Künstlerportraits über das fotografische Frühwerk Scheideggers und wie er eine Kartonschachtel voller Fotografien, Abzügen von Freunden und Kollegen der Agentur Magnum in den frühen 1950er-Jahren gegen eigene Fotografien eingetauscht hatte von Paris in die Schweiz mitgebracht hat. "Dieses Konvolut von Rohkopien, Presseabzügen, Archivkopien und Ausstellungsprints von Werner Bischof, Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, Ernst Haas, George Rodger, Ruth Orkin und David Seymour war mehr als eine Zeitkapsel oder eine Memorabiliensammlung. In gewisser Weise blieb in dieser Schachtel auch Ernst Scheideggers eigene abgebrochene Karriere als Fotoreporter und Bildjournalist versiegelt. […]"

Kinder in der Tschechoslowakei, um 1948 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Im Essay Der bildschöpferische Seher – Über das fotografische Werk von Ernst Scheidegger von Alessa Widmer erfährt man einiges über die Begegnung, Freundschaft und Gemeinsamkeiten von Ernst Scheidegger mit Werner Bischof, der Freundschaft zu Alberto Giacometti und wie er den Schaffensprozess und die Skulpturen Giacomettis bis zu dessen Tod 1966 immer wieder fotografierte. Es ist auch zu lesen, wie Scheidegger zum Portraitieren von Künstlerinnen und Künstlern kam. "Mal mit und mal ohne Kamera in der Hand traf sich Scheidegger über Jahre hinweg mit verschiedenen Kunstschaffenden, besuchte deren Ausstellungen, wurde in Ihre Ateliers eingeladen und verbrachte in den französischen Cafés Zeit mit Ihnen. "Ich bekam Freude am Beobachten von Menschen und vor allem von Künstlern," beschreib Scheidegger diese Zeit und damit auch, wie sein Interesse am Portraitieren von Künstlerinnen und Künstlern entstand."

Kinder in Süditalien, um 1948, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

"C'est comme un reportage" – Ein Blick in die Essenz von Ernst Scheideggers Fotografie von Philippe Büttner zeigt die von Giacometti geschätzte Qualität der Herangehensweise und Umsetzung von Ernst Scheidegger in der Fotografie, aber auch in der Buchgestaltung. "Es gibt einen jungen Fotografen aus Zürich, Scheidegger, der vor ein paar Jahren bei mir zu Hause viele Fotos von den Skulpturen, vom Atelier usw. gemacht hat. Jetzt ist er daran, davon ein kleines Buch zu machen, er hat einen jungen Herausgeber in Zürich, der es veröffentlicht. Das Buch, ich habe das Layout gesehen, ist sehr; sehr gut und ich möchte unbedingt, dass es herauskommt, weil es viel Mühe gekostet hat, es ist ein wenig wie eine Reportage, aber sehr speziell." (Alberto Giacometti, in einem Brief an Pierre Matisse, 11.05.1957)

Ballettschülerin im Studio von Madame Rousanne, Paris, um 1955 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Helen Grob – langjährige Lebenspartnerin schreibt in Von Fischen und Freunden über das Fischen mit Ernst Scheidegger, die spontanen Gäste im Bergell, von den "gefundenen Fressen" – une truite au bleu, dem Freilassen von Forellen am Heiligenabend, den mässig geniessbaren Karpfen und den gesammelten Eierschwämmen, die zu kulinarisch unübertrefflichen Mahlzeiten führten – Erinnerungen an Streifzüge durch die Natur. Sie schreibt auch über die Galerietätigkeit Scheideggers und die Art und Weise wie er potenzielle Kundschaft, die ihm unsympathisch war aus der Galerie ekelte und über langjährige Freundschaften unter anderen mit Arnold Hottinger, der die Einladungen zum Essen ablehnte und sich doch immer dazusetzte. Feinfühlig und poetisch bringt sie die Erinnerungen an den geliebten Menschen auf Papier und lässt die Leserinnen und Leser auch am besonderen Fisch teilhaben. "Halt, beinahe hätte ich einen ganz besonderen Fisch vergessen: Bevor es jeweils ins Bergell hinunterging, liessen wir uns genüsslich im Hotel Kulm in Maloja einen am frühen Morgen desselbigen Tages gefangenen Saibling kredenzen."

Arbeiter an einer Brüstung, um 1949 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Tobia Bezzola, ist seit 2018 Direktor des Museo d'Arte della Svizzera italiana (MASI). Zuvor war er Direktor des Museum Folkwang in Essen (2013-2018) und Kurator am Kunsthaus Zürich (1995-2012). Er hat seit 1993 über 100 Ausstellungen und Katalogpublikationen zu moderner und zeitgenössischer Kunst und Fotografie verantwortet. Er ist Mitglied zahlreicher Stiftungsräte (darunter der Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv), Vorstände und Fachgremien privater und öffentlicher Kulturinstitutionen sowie Dozent an der Accademia di Architettura der Università della Svizzera italiana.

Eishockeyspiel auf einem gefrorenen See, Anfang 1960er-Jahre, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Philippe Büttner, ist seit Herbst 2011 Sammlungskonservator am Kunstmuseum Zürich. Von 2003 bis 2011 war er Ausstellungskurator an der Fondation Beyeler in Riehen/Basel. Er hat u. a. Ausstellungen zu Wolfgang Laib, Fernand Léger, Alberto Giacometti und Aristide Maillol sowie zu Pop-Art und Surrealismus kuratiert. Er ist Geschäftsführer der Alberto-Giacometti-Stiftung sowie Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv.

Schlucht im Verzascatal, 1970er-Jahre © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Helen Grob, arbeitete während vieler Jahre als Assistentin für den Schweizer Komponisten und Intendanten Rolf Liebermann an der Hamburgischen Staatsoper und an der Opéra de Paris und später für den deutschen Komponisten Hans-Werner Henze. Nach dem berufsbegleitenden Studium der Psychologie war sie ab 1986 noch für zwei Jahrzehnte als Psychotherapeutin in Zürich tätig. Während 33 Jahren bis zu seinem Tod 2016 war sie die Lebenspartnerin Ernst Scheideggers.

Clown vor seinem Auftritt im Zirkus Knie, um 1949, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Alessa Widmer, absolvierte ihren Master in Theorie und Geschichte der Fotografie und Kunstgeschichte an der Universität Zürich, wo sie aktuell ihre Dissertation zur Schweizer Fotografiegeschichte und zu Rosellina Burri-Bischof schreibt. Sie arbeitete u. a. im historischen Archiv der Magnum Foundation in Paris und ist derzeit Künstlerische Leiterin der Kunstmesse photo basel.

Frau mit Tuba vor dem Zirkuszelt, um 1949 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Scheidegger & Spiess gehört zu den führenden Schweizer Verlagen in den Bereichen Kunst, Fotografie und Architektur. In Zusammenarbeit mit renommierten Museen, Fotografinnen, Kunstschaffenden und Architekten werden sorgfältig konzipierte, lektorierte und gestaltete Bücher verlegt. Ein besonderes Augenmerk gilt der anspruchsvollen Ausstattung und Materialisierung. Rund die Hälfte der Titel erscheint auch in englischer Sprache. Das Verlagsprogramm ist dank der Zusammenarbeit mit kompetenten Marketing- und Vertriebspartnern weltweit präsent. Der Verlag gehört einer unabhängigen Eigentümerschaft und besteht aus engagierten Mitarbeitenden, die ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Stärken in die Arbeit einbringen.

Schiffschaukel, um 1950, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Das Kunsthaus Zürich ist mit 11'500 Quadratmeter Ausstellungsfläche das grösste Kunstmuseum der Schweiz. Es besteht aus einem vierteiligen Gebäudekomplex, dem alten, dreiteiligen Gebäudetrakt Moserbau, Bührlesaal und Müllerbau sowie dem 2021 eröffneten Erweiterungsbau von Chipperfield Architects Berlin. Die Bauten säumen, wie das in unmittelbarer Nähe liegende Schauspielhaus Zürich, den Heimplatz der Stadt Zürich. Das Kunstmuseum beherbergt eine der grössten Kunstsammlungen des Landes, besitzt die umfangreichste Sammlung von Werken des Schweizer Bildhauers, Malers und Grafikers Alberto Giacometti sowie eine der bedeutsamsten des Dadaismus. Zudem gehört dem Museum der repräsentativste Bestand an Gemälden von Edvard Munch ausserhalb Norwegens. (Quelle: Wikipedia)

Errichtung der Skulptur «Kontinuität» von Max Bill in ihrer ersten Gipsfassung, Zürich, 1947, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Das MASI-Lugano - Museo d’arte della Svizzera italiana wurde 2015 gegründet und gehörte bereits nach wenigen Jahren zu den meistbesuchten Kunstmuseen der Schweiz. Es bildet einen kulturellen Knotenpunkt zwischen dem Süden und dem Norden der Alpen, der italienischen und der deutschen Schweiz, dem lateinischen und dem germanischen Europa. An seinen zwei Standorten – im Kulturzentrum LAC sowie im historischen Palazzo Reali – bietet es ein reichhaltiges Ausstellungsprogramm, wechselnde Sammlungspräsentationen sowie ein umfangreiches, mehrsprachiges Vermittlungsprogramm für Besucherinnen und Besucher jeden Alters. Ergänzt wird das Angebot durch die in Zusammenarbeit mit dem MASI betriebene, ganz der zeitgenössischen Kunst gewidmeten Collezione Giancarlo e Danna Olgiati.

Max Bill mit einer Studentin in der Keramikwerkstatt der HfG Ulm, um 1954, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Das Buch
Ernst Scheidegger – Fotograf (Deutsch ISBN 978-3-03942-173-2, englisch ISBN 978-3-03942-178-7) kann bei Scheidegger & Spiess oder im Buchhandel bezogen werden.

Germaine Richier in ihrem Pariser Atelier, um 1953, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich Werk Germaine Richier: © 2023, ProLitteris, Zurich*

Die Ausstellungen
Kunsthaus Zürich: Ernst Scheidegger – Fotograf, 27. Oktober 2023 – 21. Januar 2024
MASI-Lugano: Faccia a faccia - Omaggio a Ernst Scheidegger, 18. Februar – 21. Juli 2024

Justizpalast. Kapitol. Seitenansicht des Hypostyls (Architekt: Le Corbusier), um 1955 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Archivgeschichte #5: Yva - Else Ernestine Neuländer-Simon…

Yva, Ohne Titel (Creme Mouson), um 1937 © Das Verborgene Museum

Yva - wurde 1900 als Else Ernestine Neuländer-Simon in Berlin als Jüngste von neun Geschwistern an der Grossbeerenstrasse 36 in der Tempelhofer Vorstadt geboren und starb 1942 im Vernichtungslager Sobibor[1]. Im Alter von 25 Jahren gründete sie 1925 ihr eigenes Fotostudio in der Friedrich-Wilhelm-Strasse 17 in Berlin - ein ebenso berühmtes wie innovatives Atelier. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere beschäftige sie bis zu zwölf Angestellt in ihrem Studio.

Ohne Titel (Dame beim Lesen der Rennsport-Zeitung), 1932 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

1926 arbeitete sie eine Zeit lang mit dem Fotografen, Illustrator und Layouter Heinz Hajek-Halke[2] zusammen. 1929 erhielt sie einen Vertrag mit dem "Ullstein-Verlag". Ende 1930 zog sie mit ihrem Studio in die Bleibtreustrasse 17 um. Sie war auf der Ausstellung "Film und Foto" vertreten.

Beim Sekt, 1936. | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

1933, nach der Machtergreifung der Nazis, wurde ihr aufgrund ihrer jüdischen Herkunft untersagt, arische Mitarbeiter zu beschäftigen. Dennoch setzte sie ihre Arbeit in ihrem Studio und in der Agentur "Schostal"[3] fort.

Hands Study, Berlin 1925 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

1934 heiratete sie Alfred Simon, der zunächst die Leitung ihres Studios übernahm. 1936 übertrug sie die Leitung ihres Unternehmens ihrer "arischen" Freundin, der Kunsthistorikerin Charlotte Weidler[4]. Von 1936 bis 1938 beginnt Helmut Neustädter, der unter dem Pseudonym Helmut Newton berühmt wurde, seine Ausbildung, indem er Yva als Assistent zur Seite stand.

zwei Frauen, um 1933 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

Im Jahr 1938 wurde sie vom Regime gezwungen, ihren Beruf aufzugeben. Sie musste ihr Fotostudio aufgeben. Sie arbeitete als Röntgenassistentin im Jüdischen Krankenhaus in Berlin, wo sie Zwangsarbeit leistete.

Junges Paar beim Tanzen, 1932 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

Als Yva und ihr Mann sich 1942 darauf vorbereiteten, das Deutsche Reich zu verlassen, wurden sie am 13. Juni 1942 festgenommen und mit dem Todestransport Nr. 15 von Lublin in das Vernichtungslager Sobibor deportiert. Nach ihrer Ankunft wurde sie sofort hingerichtet.

Charleston, 1927 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

Obwohl Yva nur eine kurze Zeit lebte, war sie eine bedeutende Modefotografin der 1920er und 1930er Jahre. Sie war sehr beliebt und gefragt und wurde für ihre Werbespots, Prominentenporträts und Aktaufnahmen bekannt. Ihre Werke waren in renommierten Galerien und gehobenen Modezeitschriften jener Zeit zu finden.

Beach outfit, Berlin ca. 1932. | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon, Stiftung F.C. Gundlach

Unter den Fotografen, die in den 1920er Jahren in Berlin ihr eigenes Atelier gründeten und sich der Nachfrage nach Portraits stellten, war Yva eine der erfolgreichsten Fotografinnen. Von Beginn ihres Unternehmens richtete sie das Profil ihres Ateliers auf Gebrauchsfotografie und Presseveröffentlichungen aus und belieferte gleichzeitig illustrierte Zeitschriften und Magazine.

Selbstporträt, 1925 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

Noch bis am 4. Juni 2023 kann die Ausstellung Frieda Riess und Yva. Fotografien 1919–1937 in der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen in Rüsselheim besucht werden.

Amor Skin, Berlin um 1925-1930 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

[1] Das Vernichtungslager Sobibor war ein deutsches Vernichtungslager im besetzten Polen während des Zweiten Weltkrieges. Es lag in der Nähe des etwa 500 Einwohner zählenden Dorfs Sobibór, eines Orts der Landgemeinde Włodawa, im südöstlichen Polen. Es lag an der Ostgrenze des damaligen Distrikts Lublin des Generalgouvernements, im heutigen Dreiländereck Polen–Belarus–Ukraine. Das Lager wurde Anfang 1942 errichtet und diente neben den Lagern Belzec und Treblinka als Vernichtungslager im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ der planmäßigen Ermordung der Juden des Generalgouvernements. Im Vernichtungslager Sobibor wurden nach Schätzungen bis zu 250.000 Juden in Gaskammern ermordet, darunter alleine vermutlich 33.000 aus den Niederlanden. (Quelle: Wikipedia)

[2] Heinz Hajek-Halke, eigentlich Heinz Richard Paul Halke (* 1. Dezember 1898 in Berlin; † 11. Mai 1983 ebenda) war ein deutscher Fotograf. (Quelle: Wikipedia)

[3] Die Agentur Schostal war eine Pressebildagentur mit Sitz in Wien. Sie hatte Niederlassungen u. a. in Paris, Mailand, Berlin und Stockholm. Der Besitzer war Robert F. Schostal. In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg befanden sich im Bestand der Agentur über eine Million Fotos aus den verschiedensten Bereichen aus den 1920er und 1930er Jahren. Damit zählte sie zu den Großen in der Branche. (Quelle: Wikipedia)

[4] Charlotte Weidler (1895-1983) war eine deutsche Kunsthändlerin, Kuratorin und Kunsthistorikerin. Ihre Geschäfte mit Kunstwerken aus den Sammlungen von Paul Westheim und Alfred Flechtheim während der NS-Zeit waren Gegenstand mehrerer viel beachteter Gerichtsverfahren. (Quelle: Wikipedia)

Werner Bischof. Unseen Colour…

Studie, Zürich, Schweiz, 1949 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Unseen Colour ist ein farbiger Schatz, der uns das Gesamtwerk von Werner Bischof näherbringt. Als Marco Bischof, der älteste Sohn von Werner Bischof 2016 das Archiv durchforstete, fand er Hunderte von Glasplatten, die er für Schwarz-Weiss-Fotos hielt. Er stellte jedoch fest, dass es für jedes Bild scheinbar drei identische Negative gab. Dann die Überraschung beim genauen Hinsehen; sie wiesen unterschiedliche Intensitäten auf, wie Schichten eines einzigen Bildes, aus deren Überlagerung sich ein Farbfoto ergibt.

Orchidee (Studie), Zürich, Schweiz, 1943 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Devin Tri-Color Camera[1], Rolleiflex[2] und Leica[3].

 In "Versuche der Farbfotografie mit den heutigen Mitteln" - Werner Bischof und die Farbfotografie beschreibt Tobia Bezzola die Eigenheiten der verschiedenen Kameratypen. Wir finden ein Panorama der technischen und ästhetischen Möglichkeiten erprobt, von sprühend-grell bis weich und aquarellistisch, von rokokohaft verspielt bis Pop-Art-mässig aggressiv, je nach Massgabe der Möglichkeiten des Motivs und des Materials. Bleibt zu bedauern, dass Bischof, der in Schwarz-Weiss so virtuos die technischen Möglichkeiten zu maximalem ästhetischem und narrativem Ausdruck zu steigern wusste, diese Pfade nicht weiterverfolgen konnte.

Model mit Rose, Zürich, Schweiz, 1939 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

In Von kommerziellen Zwängen zu künstlerischen Vorhaben: Der zwiespältige Ruf der Farbe zeigt Clara Bouveresse die zwiespältige Beziehung zur Farbfotografie, insbesondere in der Agentur Magnum auf.  …Den Gründungsidealen der Agentur und dem Geist der engagierten Fotografie getreu, realisierte er Bilder in Schwarz-Weiss, die, geprägt von Empathie und Humanismus, zu den Klassikern des Genres werden sollten […] […] Die Arbeit in Farbe bot neue Möglichkeiten und bedeutete eine andere Art und Weise, jede Aufnahme zu komponieren. Auch sensibilisierte sie den Blick für die Farbnuancen jeder einzelnen Bildzone […]

Glasflasche mit Blatt, Zürich, Schweiz, 1942 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Peter Pfrunder schreibt in Schmerzhafte Farben wie Farbfotografien auch empören können: Dass die Farbe dabei eine wesentliche Rolle spielte, bezeugen die darauf Bezug nehmenden Formulierungen der Zeitgenossen: Dem Fotografen selbst prägen sich die "blauvioletten Brandmale", "eine rote Maske" und "das farbig-rosa Fleisch" ein; Du-Chefredakteur Kübler erwähnte in seinem Editorial explizit das "bläulich gefärbte" Gesicht, und ein Leser empörte sich übe de Zumutung, ein solches Bild "überlebensgross und farbig" zu zeigen. Nicht wenige von Bischofs Devin-Aufnahmen hätten als Schwarz-Weiss-Fotos ebenso gut funktioniert […]

Der Reichstag, Berlin, Deutschland, 1946 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Im Text von Farben und Techniken von Luc Debraine erfährt man einiges über die eingesetzten Kameras, über Drucktechniken und Filmmaterialien. Nun war der Zeitpunkt gekommen: Die Farbfotografie begann sich in den illustrierten Magazinen durchzusetzen. Tatsächlich erschien sie in Frankreich bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Zeitschriften wie Illustration. Der Druck mithilfe des Autochrom-Verfahrens aber lieferte wenig überzeugende Ergebnisse. Zumindest in den Augen der Werbetreibenden, die eine realistische Wiedergabe verlangten […] Die Heliogravüre[4] wie auch die Trichromie[5] waren eine Antwort auf diese eindringliche Nachfrage. Die beiden Techniken sind kostspielig, zeitaufwendig und verlangen grosses Geschick. Die Ergebnisse aber sind beispielhaft ich ihrer Authentizität, Modernität und visuellen Wirkung…

Trümmerfrauen, Berlin, Deutschland, 1946 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Werner Bischof wurde am 26. April 1916 als Sohn eines Direktors einer pharmazeutischen Fabrik und passionierten Amateurfotografen in Zürich geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Zürich, Kilchberg und in Waldshut. Die Kindheit und Jugendzeit wurde vom frühen Tod der Mutter 1931 überchattet. 1932 trat er in die Kunstgewerbeschule Zürich ein, wo er die neu eingerichtete Fotoklasse von Hans Fisler besuchte und 1936 abschloss. Bereits 1936 eröffnete er sein erstes Atelier in Zürich. 1939 übersiedelte er, mit der Absicht Maler zu werden, nach Paris. Bei Ausbruch des zweiten Weltkriegs kehrte er zurück in die Schweiz und leistete zwei Jahre Militärdienst. 1945 begann er mit einer fotografischen Dokumentation des zerstörten Nachkriegseuropas im Auftrag der "Schweizer Spende an die Kriegsgeschädigten" in Süddeutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden. 1946 lernte er Rosellina Mandel kennen, die er 1949 heiratete. 1949 wurde er Mitglied von Magnum Photos. Seine weiteren Reisen führten ihn durch Italien, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Tschechoslowakei, Polen, Skandinavien, Indien, Japan, Indochina. 1953 begann er die Planung für eine ausgedehnte Reise durch Südamerika. Am 16. Mai 1954 verunfallte er tödlich als sein Wagen in den peruanischen Anden in eine Schlucht stürzt.

Neues Palais, Darmstadt, Deutschland, 1946 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Scheidegger & Spiess gehört zu den führenden Schweizer Verlagen in den Bereichen Kunst, Fotografie und Architektur. In Zusammenarbeit mit renommierten Museen, Fotografinnen, Kunstschaffenden und Architekten werden sorgfältig konzipierte, lektorierte und gestaltete Bücher verlegt. Ein besonderes Augenmerk gilt der anspruchsvollen Ausstattung und Materialisierung. Rund die Hälfte der Titel erscheint auch in englischer Sprache. Das Verlagsprogramm ist dank der Zusammenarbeit mit kompetenten Marketing- und Vertriebspartnern weltweit präsent. Der Verlag gehört einer unabhängigen Eigentümerschaft und besteht aus engagierten Mitarbeitenden, die ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Stärken in die Arbeit einbringen.

Trocknendes Getreide, Castel di Sangro, Italien, 1946 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Das MASI Lugano - Museo d’arte della Svizzera italiana wurde 2015 gegründet und gehörte bereits nach wenigen Jahren zu den meistbesuchten Kunstmuseen der Schweiz. Es bildet einen kulturellen Knotenpunkt zwischen dem Süden und dem Norden der Alpen, der italienischen und der deutschen Schweiz, dem lateinischen und dem germanischen Europa. An seinen zwei Standorten – im Kulturzentrum LAC sowie im historischen Palazzo Reali – bietet es ein reichhaltiges Ausstellungsprogramm, wechselnde Sammlungspräsentationen sowie ein umfangreiches, mehrsprachiges Vermittlungsprogramm für Besucherinnen und Besucher jeden Alters. Ergänzt wird das Angebot durch die in Zusammenarbeit mit dem MASI betriebene, ganz der zeitgenössischen Kunst gewidmeten Collezione Giancarlo e Danna Olgiati.

Strand, Sardinien, Italien, 1950 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Die Fotostiftung Schweiz, 1971 als private «Stiftung für die Photographie» gegründet, setzt sich für die Erhaltung, Erforschung und Vermittlung von fotografischen Werken ein. Ihre Sammlung umfasst ca. 50’000 Ausstellungsprints, 250’000 Archivabzüge sowie über 1 Million Negative bzw. Dias. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf der Schweizer Fotografie des 20. Jahrhunderts. Im Auftrag des Bundesamtes für Kultur betreut sie rund 100 Archive oder Teilarchive von herausragenden Fotografinnen und Fotografen sowie eine umfassende Sammlung zur Schweizer Fotografie. Mit eigenen Ausstellungen und Publikationen stellt die Fotostiftung regelmässig historische oder aktuelle Positionen der Schweizer Fotografie vor.

Regenschirm aus Pergamentpapier, Kyoto, Japan, 1951 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Die Ausstellung Werner Bischof. Unseen Colour kann vom 12. Februar - 2. Juli 2023 im MASI -  Museo d’arte della Svizzera italiana in Lugano und vom 26. August 2023 - 21. Januar 2024 in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur besucht werden.

Sumida-Fluss, Tokio, Japan, 1951 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Werner Bischof. Unseen Colour (Deutsche Ausgabe: ISBN 978-3-03942-129-9, Englische Ausgabe: 978-3-03942-130-5, die italienische Ausgabe erscheint bei Edizioni Casagrande: ISBN 978-88-7713-997-9) ist bei Scheidegger & Spiess oder im Buchhandel erhältlich.

Fotostudio im Freien, Colima, Mexiko, 1954 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

[1] Die Devin Tricolor Camera ist eine One-Shot-Farbseparationskamera. D. h. sie belichtet in einer einzigen Aufnahme drei monochrome Platten, die jeweils hinter einem Farbfilter angebracht sind, so dass anschliessend durch Addition der drei monochromen Negative ein Echtfarbabzug erstellt werden kann.

[2] Rolleiflex ist die Markenbezeichnung für eine Reihe von analogen und digitalen Mittelformatkameras der Firma DW Photo GmbH, Braunschweig, vormals DHW Fototechnik GmbH, ehemals Rollei. Die Modellreihe umfasst hauptsächlich ein- und zweiäugige Spiegelreflexkameras, die Rollfilm im Format 60 × 60 mm, später auch 40 × 40 mm belichten, aber auch mit digitalen Rückteilen versehen werden können. (Quelle: Wikipedia)

[3] Die Leica Camera AG (Leica: Abkürzung für Leitz(sche) Camera) ist ein deutsches Unternehmen der optischen Industrie mit Sitz in Wetzlar. Das Unternehmen hat sich auf die Fertigung von Fotoapparaten und Ferngläsern spezialisiert. Das Unternehmen entstand 1986 aus der Ernst Leitz Wetzlar GmbH, dem Nachfolgeunternehmen des von Carl Kellner 1849 in Wetzlar gegründeten Optischen Instituts. (Quelle: Wikipedia)

[4] Als Heliogravüre (von griech. helios „Sonne“), auch Heliogravur, Fotogravüre, Fotogravure, Photogravur, Photogravüre, Klicotypie oder Sonnendruck genannt, bezeichnet man ein fotografisches Edeldruckverfahren. Die Heliogravüre ist die Vorläufertechnik des modernen Tiefdrucks, mit der Fotos und Illustrationen durch ein fotomechanisches Druckverfahren reproduziert werden können und mit dem sich echte Halbtöne darstellen lassen. Sie ist eine Weiterentwicklung des Aquatintaverfahrens. So wird die dafür erforderliche Druckplatte ähnlich wie jene für die Aquatintaradierung hergestellt. (Quelle: Wikipedia)

[5] Trichromie (aus altgriechisch τρι tri = drei und χρῶμα chroma = Farbe entlehnt) ist ein Verfahren der Farbfotografie, bei der drei getrennte Schwarzweißaufnahmen durch die Farbfilter Rot, Grün und Blau hergestellt werden, die zum Betrachten wieder zur farbigen Darstellung überlagert werden. (Quelle: Wikipedia)

Lichter der Stadt, New York; USA, 1953 | Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Archivgeschichte #4: Roxanne Lowit…

Three Models in a Tub, Naomi Campbell and Christy Turlington, Linda Evangelista, Paris I, 1990 | © Roxanne Lowit

Roxanne Elizabeth Lowit (22. Februar 1942 - 13. September 2022) war eine amerikanische Mode- und Promifotografin. Über drei Jahrzehnte lang hat Roxanne Lowit mit ihrer einzigartigen Linse die Gesichter, Persönlichkeiten und Räume der modernen Kultur eingefangen. Ihre unvergleichliche Art zu betrachten, bedeutet, hinter das sprichwörtliche Samt-Seil zu treten. Wer ihre Bilder betrachtet, wird Zeuge der Kreation und der Feier von Mode und Kunst, Theater und Film, Vergnügen und Freude und ästhetischem Genuss.

Pink Ruffles, Yves Saint-Laurent | © Roxanne Lowit

Roxanne Lowit ist ein Shootingstar und hat Tausende von Berühmtheiten fotografiert, darunter Andy Warhol, Salvador Dali, Kate Moss, Yves Saint-Laurent, Johnny Depp, Madonna, George Clooney und viele andere. Wer ihre Arbeit betrachtet, sieht nicht nur diese berühmten Gesichter aus nächster Nähe, sondern auch ihre Schönheit, ihre Verletzlichkeit und ihre Menschlichkeit, eingefangen von einer leidenschaftlichen Geschichtenerzählerin, deren grösstes Werkzeug ihre bescheidene, einfühlsame Präsenz ist. Sie ist mehr als eine Fotografin, sie ist eine wahre Künstlerin, eine moderne Nachfolgerin von Manet und Toulouse-Lautrec. So wie diese das turbulente Pariser Leben im 19. Jahrhundert auf Leinwand festgehalten haben, hat sie die kreative Klasse der letzten drei Jahrzehnte in ihren Fotografien festgehalten und bietet damit einen beispiellosen visuellen Zugang zur beau monde von New York, Paris und Mailand.

Palm Coat, Yves Saint-Laurent | © Roxanne Lowit

Als Pionierin hat Roxanne Lowit die Dinge immer anders gemacht. Als gebürtige New Yorkerin war sie ursprünglich Textildesignerin. Ihre wahre Berufung fand sie aber in der Herstellung von Bildern anderer Art und schuf dadurch ein völlig neues Genre der Fotografie, indem sie ihre Kamera dorthin mitnahm, wo niemand sonst hinwollte: hinter die Kulissen der Modeschauen. Während alle anderen auf den Laufsteg fixiert waren, fing sie das wahre Geschehen dort ein, wo die anderen Fotografen nicht hinschauten. Ihre Erleuchtung ist bezeichnend für ihren scharfen Blick für neue Möglichkeiten - und sie hat die Modefotografie für immer verändert. Aber sie ist noch weiter gegangen und hat ihr Medium zur Kunst erhoben.

Warren Tricomi, aus der Serie White on Black | © Roxanne Lowit

Roxanne Lowits Arbeiten wurden in vielen der wichtigsten Museen der Welt ausgestellt, darunter das Metropolitan Museum of Art, das Whitney Museum of American Art, das Victoria & Albert Museum, das Warhol Museum und das Museum of Modern Art in Moskau. Ihre Fotografien sind Teil der ständigen Sammlung des renommierten Kobe Fashion Museum in Japan. Ausserdem war sie in Einzelausstellungen in New York, Paris, Berlin, Amsterdam und London sowie in Gruppenausstellungen in der Gagosian Gallery, bei Colette und der Art Basel Miami zu sehen.

Anne Slater and Foxy Brown | © Roxanne Lowit

Roxanne hat vier Bücher veröffentlicht, die ihre einmaligen Bilder zeigen. Moments (1990) und People (2001) sind visuelle Zeitkapseln des internationalen Nachtlebens. Backstage Dior (2009), mit einem Vorwort von John Galliano, und Roxanne Lowit Photographes Yves Saint Laurent (2014), mit einem Vorwort von Pierre Berge, konzentrieren sich auf die unnachahmliche Kreativität und unvergleichliche Energie dieser traditionsreichen Häuser.

Poppy Delevigne, Mary Charteris, and Clara Delevigne at the Club Monaco dinner at Derrière, October 2011 | © Roxanne Lowit

Lowits Fotografien sind seit langem eine feste Grösse in der amerikanischen, italienischen, französischen und deutschen Ausgabe der Vogue sowie in Vanity Fair, Tatler, GQ, W und zahlreichen anderen Publikationen. Zu ihren bahnbrechenden Arbeiten für die Werbung gehören denkwürdige Kampagnen für grosse Marken aus einer Vielzahl von Branchen, darunter Acura, Armani, Coca-Cola, DeBeers, Dior, Land Rover, Moët & Chandon und Vivienne Westwood. (Quelle: Roxanne Lowit)

Aus der Serie Backstage II | © Roxanne Lowit

Madame d'Ora…

d'Ora, Rosella Hightower, Danseuse de ballet, c.1955 © Vienne, Collection privée

Madame d'Ora - Dora Kallmus (1881-1963) eine bekannte Fotografin, die als Portraitfotografin in Wien arbeitete, das damals ein wichtiges kulturelles Zentrum und Labor der Moderne in Europa war und später im Paris der Années folles[1].

d'Ora, La danseuse Lizica Codreanu, c. 1927 © Vienne, Photoinstitut Bonartes

Als Vordenkerin war sie 1908 eine der ersten Frauen, die in Wien ein Fotostudio eröffneten. Vor allem Aristokraten, Schauspielerinnen und Modedesigner schätzten ihre künstlerische Intuition, ihr Talent, die Persönlichkeit ihrer Modelle zu erfassen und Kleidung und Accessoires zu arrangieren. Bald wurden ihre Bilder regelässig in Zeitschriften veröffentlicht.

d'Ora, Joséphine Baker. © Vienne, Photoinstitut Bonartes

1925 zog sie nach Paris, wo sie rasch von Haute-Couture-Häusern wie Balenciaga[2] und Chanel[3] gerufen wurde, um die eleganten Kleider zu fotografieren, die unter vielen anderen Tamara de Lempicka[4] und Josephine Baker[5]. Sie war eine wichtige Figur in der Kunstszene und schuf zahlreiche Atelierportraits der damals angesagten Persönlichkeiten, mit denen sie in der High Society ihrer Zeit verkehrte.

d'Ora, La sculptrice Bessie Strong-Cuevas dans une robe Pierre Balmain, 1953 © Hambourg, Museum für Kunst und Gewerbe

Der Krieg erschütterte auch ihr Leben und ihre Arbeit. Als Jüdin verlor sie währen der Besatzung ihr Pariser Studio und musste sich mehrere Jahre lang in der Ardèche verstecken, wo ihre Familie und Freunde verfolgt wurden. Als sie nach 1945, nachdem sie alles verloren hatte, nach Paris zurückkehrte, hatte sie einen scharfen, aber empathischen blick auf die Opfer des Krieges und einen weitaus distanzierteren auf Glamour und Geld. Von den schillernden bis zu den dunkelsten Zeiten, von Avantgardekünstlern über mittellose Flüchtlinge bis hin zu einer erstaunlichen metaphorischen Arbeit über die Pariser Schlachthöfe erzählen Madame d'Oras Portrait auf unnachahmliche Weise von den Umwälzungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

d'Ora, Dans un camp de réfugiés, 1946-1948 © Hambourg, Museum für Kunst und Gewerbe

Die von Monika Faber und Magdalena Vukovic kuratierte Ausstellung im Pavillon Populaire in Montpellier zeigt Sammlungen von Vintage-Abzügen aus Museen in Wien, Linz, Hamburg, Berlin und Paris zusammen mit einer umfangreichen Dokumentation, die den historischen Kontext illustriert.

d'Ora, Tête de veau fendue, c. 1949-1957 © Collection Fritz Simak

Monika Faber war Kuratorin am Museum Moderner Kunst in Wien und danach Chefkuratorin der Fotosammlung der Albertina. Seit 2011 ist sie Direktorin des Photoinstitut Bonartes in Wien, das sich der Erforschung der historischen Fotografie in Österreich und Mitteleuropa widmet. Sie ist ausserdem Autorin zahlreicher Publikationen über die Geschichte der Fotografie.

d'Ora, Dans le camp de réfugiés "Hôtel Europe" à Salzbourg, 1948 © Vienne, Photoinstitut Bonartes

Magdalena Vukovic ist Fotohistorikerin und Ausstellungskuratorin, spezialisiert auf Fotografie in Österreich bis zu den 1950er Jahren. Seit 2011 arbeitet sie als Kuratorin am Photoinstitut Bonartes in Wien. In ihrer Arbeit bevorzugt sie einen interdisziplinären Ansatz und arbeitet eng mit Forschern aus verschiedenen Bereichen zusammen.

d'Ora, Chapeau par Krieser, 1910 © Vienne, Collection privée

Der Pavillon Populaire in Montpellier im französischen Département Hérault. Er wurde von im Stil der Neorenaissance 1891 nach einem Entwurf des Architekten Léopold Carlier gebaut. Der Pavillon Populaire war bis in die 1980er Jahre das Zentrum der wichtigsten Volksfeste der Stadt. 1991 wurde der Pavillon nach den Plänen des Pariser Architekten François Pin renoviert. Dabei wurden im zentralen Raum die Trennwände entfernt. Seither wurde er für Wechselausstellungen des Musée Fabre genutzt. 1993 übernahm die Fotogalerie Espace Photo Angle den Pavillon des Fabre-Museums anlässlich einer Ausstellung von Picasso-Lithografien. Seit 2001 ist der Pavillon für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich. Er veranstaltet durchschnittlich drei Fotoausstellungen pro Jahr.

d'Ora, Chaussures en cuir verni noir par Pinet, c. 1937 © Vienne, Photoinstitut Bonartes

Die Ausstellung La Surface et la Chair. Madame d'Ora, Vienne-Paris, 1907-1957 im Pavillon Populaire in Montpellier kann bis am 16. April 2023 besucht werden.

d'Ora, Les danseurs de Anita Berber et Sebastian Droste dans "Suicide", 1922 © Vienne, Collection privée

[1] Die Années folles (die goldenen Zwanziger) waren das Jahrzehnt der 1920er Jahre in Frankreich. Sie wurden geprägt, um die reichen sozialen, künstlerischen und kulturellen Kooperationen dieser Zeit zu beschreiben. Die gleiche Zeit wird in den USA auch als Roaring Twenties oder Jazz Age bezeichnet. (Quelle: Wikipedia)

[2] Balenciaga ist eine 1917 von Couturier Cristóbal Balenciaga in San Sebastián gegründete Marke für Damen- und Herrenmode sowie Lederwaren und Parfüm. Sie hat seit 1937 ihren Sitz in Paris und gehört seit 2001 zum Kering-Konzern. (Quelle: Wikipedia)

[3] Chanel S.A.S. heisst der von Gabrielle "Coco" Chanel gegründete Modekonzern mit Sitz in Neuilly-sur-Seine bei Paris. Chanel gehört weltweit zu den grössten und bedeutendsten Unternehmen in der Mode- und Kosmetikbranche.

[4] Tamara de Lempicka wurde am 16. Mai 1898 in Warschau in Polen als Maria Rozalia Gurwik-Górska geboren und verstarb am 18. März 1980 in Cuernavaca in Mexiko. Sie ist eine der wenigen Künstlerinnen der Ära, die einem breiten Publikum bekannt sind, und gilt als das Gesicht der Art-Déco-Malerei. (Quelle: Wikipedia)

[5] Josephine Baker wurde am 3. Juni 1906 in St. Louis, Missouri als Freda Josephine McDonald geboren und verstarb am 12. April 1975 in Paris. Sie war Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin. 1937 nahm die gebürtige US-Amerikanerin die französische Staatsbürgerschaft an. Im zweiten Weltkrieg gehörte sie der Résistance und den Streitkräften des Freien Frankreich an. (Quelle: Wikipedia)

TIN CAN…

Ghost Dance | © Stephan Wittmer

Tin Can - die Blechdose ist Namensgeberin des neuen Buches von Stephan Wittmer. Wenn man sich das Buch durchblättert, fallen nicht wirklich viele Blechdosen auf. Was aber auffällt sind die vielen Alltagsgegenstände, die auf eine spezielle Art und Weise in den Vordergrund gerückt werden oder all die skurrilen Szenerien von scheinbar Alltäglichem am Wegrand.

Prairie TV | © Stephan Wittmer

Sei es das Kinoambiente mitten in der Pampa - wobei es sich mehr um einen platzierten oder doch viel mehr entsorgten TV geht, der vor einem möglicherweise Lieblingsküchenstuhl vom Grossvater steht und man sich in Gedanken in die belebte Küche versetzt fühlt, während über die Röhre ein Footballspiel übertragen wird und die Kids ungeduldig sind, weil er seine Aufmerksam ganz dem Spiel widmet und sein Bier trinkt…

Wide range | © Stephan Wittmer

Tin Can ist eine Art Aufarbeitung des umfangreichen Fotoarchivs von Stephan Wittmer. Es sind Aufnahmen, die während zahlriechen Reisen durch Arizona, Kalifornien, Colorado, New Mexico, South Dakota und weiteren Staaten in den USA in den Jahren  2012 bis 2019 entstanden sind. Bilder, die eine wahnsinnige Masse an Dingen, an Konsum, nicht mehr Gebrauchtem, aber auch einer scheinbar schier unendlichen Weite entstanden sind. Aus all den Bildern ist ein Buch entstanden, das einem Roadmovie gleicht, in dem die Tin Can oder einfach das Blech eine wichtige Rolle spielt und einem die Vergänglichkeit vor Augen bringt…

© Stephan Wittmer

Das Vorwort hat Sabine Gebhardt Fink geschrieben, weiter gibt es Texte von Daniel Blochwitz (KICKING A TIN CAN DOWN THE ROAD), Michael Rebosura (AMERIKA IM HEITEREN SPIEGEL DER FOTOGRAFIE), Diamon Hamer (ORTE), ein Gespräch (BRÜCHIGE ZEITKAPSELN) zwischen Jana Bruggmann und Stephan Wittmer und einen weiteren Text von Valeska Marina Stach (DER HIMMEL FÄLLT AUF DEN ASPHALT UND ZERFLIESST) zu lesen.

First Coffee | © Stephan Wittmer

Stephan Wittmer (*1957) ist in Erlinsbach (SO) aufgewachsen und studierte an der Schule für Gestaltung Luzern. Er ist Künstler, Kurator und Herausgeber des _957 Independent Art Magazines. Heute lebt und arbeitet er in Luzern.

Room Service | © Stephan Wittmer

Der Vexer Verlag wurde 1985 vom Künstler Josef Felix Müller in der Schweiz gegründet. Der Verlag ist das Ergebnis eines Dialogs mit Kunstschaffenden aus diversen Sparten, der beständig fortgeschrieben wird. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit Positionen aus den bildenden Künsten, der Literatur, der Musik, dem Film, der Fotografie und der Architektur und münden in unterschiedliche publizistische Formen und Formate. Die Spannbreite liegt zwischen nummerierten und signierten Kleinauflagen bis hin zu Publikationen in höherer Auflage. Vera Ida Müller, die Tochter des Gründers und ebenfalls bildende Künstlerin, hat in den letzten Jahren das Vexer Verlag Büro Berlin als Dependance etabliert und die Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden um den räumlichen Kontext Berlins und seine reichhaltige Kunstszene erweitert. Neben ihrer verlegerischen Arbeit organisiert sie im hauseigenen Showroom Veranstaltungen, wie Werkpräsentationen, Ausstellungen, Vorträge und Gespräche, die das Verlagsprogramm zum Inhalt nehmen und die Buchprojekte in neuem Licht erfahrbar machen.

Softice on stairs | © Stephan Wittmer

Framing Fantasy | © Stephan Wittmer

photoSchweiz 2023 oder die Nadel im Heuhaufen…

Südliches Madagaskar © Reto Albertalli mit UNICEF Schweiz 

"Wenn die Trinkwasserbrunnen ausgetrocknet sind, haben wir keine andere Wahl, als das Salzwasser zu trinken." 

Steigende Temperaturen und mehrere Jahre in Folge unzureichende Niederschläge im Süden Madagaskars haben zu einer der schlimmsten Dürren in der Geschichte des Landes und zu einer wachsenden Ernährungsunsicherheit in den Gemeinden geführt. 1,5 Millionen Menschen hungern in Madagaskar. Es wird erwartet, dass sich die Unterernährung bei Kindern in den kommenden Monaten vervierfachen wird, da sich die Dürre verschlimmert.

Seit gestern Freitag kann die photoSchweiz in der Halle 550 in Zürich-Oerlikon besucht werden. Wie jedes Jahr gibt es jede Menge Bilder auf Tischen ausgelegt und einige an der Wand hängend zu sehen. Nebst den Sonderausstellungen:

  • Black Madonna von Iris Brosch

  • Emil Meerkämpfer - ein Bohème der Fotografie-Historie

  • Directors Choice - eine Zusammenarbeit mit renommierten Fotofestivals der Welt

  • There is somthing about Soulmary - 4 Fotografierende, 4 freie Arbeiten, ein Modell

  • Vade Retros Santanas - eine fotografische Annäherung an Gion Mathias Cavelty

  • Mars photography with AI von Vera Mulyani

  • Die Sicht der Anderen - Im Angesicht des Lebensendes - 11 Hospiz-Patienten dokumentieren eine Woche lang ihren Alltag (in enger Zusammenarbeit mit dem Dachverband Hospize Schweiz)

  • Chöpf - Thomas Biasotto gibt einen Einblick in das Archiv von Emil Grubenmann

  • SOS MEDITERRANEE

  • Fotografie-Text-Synthesen von Jürg Halter

  • Médecins sans Frontières von Christina Simons

  • photoDuell - zwei Fotografinnen, ein Promi, eine Location - und je eine Stunde Zeit

  • Watching the world von Kurt Caviezel

  • This person does not exist von Philipp Wang

sind 179 Arbeiten von 5 Künstlerduos, 56 Fotografinnen und 118 Fotografen aus der ganzen Schweiz (mehrheitlich aus der Deutschschweiz) und dem Ausland (Deutschland, Italien, Spanien) zu sehen.

Frauen auf der Flucht / Libanon © Andrea Camen 

Im Jahr 2022 waren insgesamt über 100 Millionen (Quelle: UNO Flüchtlingshilfswerk, Okt. 2022) Menschen auf der Flucht. Weitaus mehr als ein Viertel davon sind Frauen. Die Flucht ist für Frauen oft gefährlicher und herausfordernder als für Männer. Andrea Camen reiste unter anderem in den Libanon, um einzelne und persönliche Geschichten von Flüchtlingsfrauen bildlich festzuhalten und zu dokumentieren.

Wenige Highlights, einige Altbekannte und viel Landschaftsfotografie und Streetphotography sind zu sehen. Auch an der photoSchweiz zeigt sich der momentane Trend zu Peoplephotography.

© Céline Müller

Susanne Müller 1937 aka Tante Zus, geboren und aufgewachsen in Laupen (Kanton Bern) in einer Hausarztfamilie. Gelernte Laborantin mit Spezialgebiet Blutgruppen, arbeitete in Florida und in Indien/Ceylon (heute Sri Lanka). Leistete Militärdienst bei den Sanitätstruppen. Nach der Pensionierung bekannt für ihre wunderbaren, selbstgestrickten Socken, welche viele Familienmitglieder mit trockenen und warmen Füssen durch ihre Armeezeit brachte. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist Bridge spielen.

Wie bei den letzten Besuchen fällt die Art und Weise der Präsentation auf. Die meisten Arbeiten liegen auf den Tischen ohne Rahmen, oft schlecht aufgezogen - man wird den Eindruck nicht los, dass es nur ums Dabeisein geht und nicht um eine tolle Präsentation. Als Besucherin unzähliger Ausstellungen fällt es schwer darüber hinweg zu sehen. Wer weiss, vielleicht wäre das Thema Präsentation und Kuration etwas für eine Masterclass und nicht nur für einen Hinweis wie man seine Arbeiten am besten präsentiert…

Aus Garbage City © Christian Bobst

Garbage City, ein Slumgebiet am Stadtrand von Kairo, Ägypten, ist das Zentrum der Müllsammler, der so genannten Zabbaleen. Der Slum hat eine ganze Wirtschaft entwickelt, die auf Recycling basiert. Er befindet sich in Manshiet Nasser, einem Viertel mit mehr als 260 000 Einwohnern auf einer Fläche von etwa 5 km2, von denen die meisten koptisch-orthodoxe Christen sind. Die Lebensbedingungen hier sind schlecht, oft fehlt es an grundlegender Infrastruktur wie Kanalisation, Strom und Wasser und überall liegt Müll, selbst auf den Dächern. Doch Manshiet Nasser ist auch ein spiritueller Ort. Im Herzen des Slums haben die Kopten eine riesige Höhlenkirche im Inneren des sagenumwobenen Mokattam-Bergs errichtet, der vor 1 000 Jahren durch die Kraft des Glaubens bewegt worden sein soll. Noch heute beweisen die Kopten hier, dass der Glaube Berge versetzen kann - zumindest Berge von Müll.

Hingehen kann sich dennoch lohnen - man trifft viele Bekannt und sieht vielleicht auch den einen oder anderen Promi in der Menge der Besuchenden. Die photoSchweiz dauert noch bis zum 10. Januar 2023.

Aus Guiding Light © Geraldine Haas

Die Bilder offenbaren den Betrachtenden eine plastisch und künstlich wirkende Natur. Sie zeigen eine geschönte Ästhetik, die vorbei an Kitsch und Ironie schrammen soll. In ihrer Arbeit interessiert sie die Spannung zwischen Vertrautem und Fremden, Wunschdenken und Realität, und der Sehnsucht nach Schönheit und deren Vergänglichkeit.

Wer Flohmärkte mag sollte heute Samstag oder morgen Sonntag an den photoFlohmarkt - ein neues, spontanes Format der photoSchweiz.

Ungewisse Reise, Sommer 2022 © Jean-Luc Grossmann 

Grönland ist der Ort, an dem man Eis in all seinen spektakulären Formen sehen kann. Gross, grösser und absolut riesig. Die Eisberge, die aus dem majestätischen Inlandeis herausgearbeitet wurden, bestehen aus dicht gepresstem Schnee, der vor Tausenden von Jahren gefallen ist. Wie schwerfällige Schauspieler in einem ewigen Drama bilden sie die Kulisse für ein nicht alltägliches Erlebnis. Im Winter, eingeschlossen im Packeis, sind sie wie gefrorene Teile im grossen Naturschauspiel, spektakulär und beeindruckend. Im Sommer werden sie zu riesigen schwimmenden Skulpturen, die sich auf eine lange und ungewisse Reise begeben und nur von Wind und Strömung gelenkt werden.

Amazing Moments © Markus Eichenberger

Amazing Moments ist eine Kollektion der schönsten Bilder aus 12 Jahren Schweizer Alpen Fotografie. Die ausgestellten Bilder entstanden in den letzten 2 Jahren an 3 verschiedenen Standorten: Schilthorn, Eggishorn und Stanserhorn. Sie entstanden während des Sonnenunter- und Sonnenaufgangs. Die magische Atmosphäre, welche durch das indirekte Licht entsteht, ist einzigartig und überrascht einem jedes Mal von Neuem.

Invisible Hands © Seerat Singh

Die Arbeit "Invisible Hands" konzentriert sich auf arbeitende Hände, die einen Teil unseres Lebens berühren, für uns aber oft unsichtbar sind. Es sind die Hände, die schaffen, bauen und flicken. Sie sind oft unsichtbar, aber mutig. Sie würfeln jeden Tag um ihre Existenz, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hände, die geschickt jeden Zentimeter abmessen, um Leben und Farbe in den Stoff zu bringen. Hände, die sich Schweiss und Schlamm aus dem Gesicht wischen, während sie Ziegel und Mörtel schleppen, die unsere Häuser bilden. Hände, die flicken, damit wir wieder in unseren alten Schuhen laufen können. Hände, die mit Geschick Edelmetall zu unbezahlbaren Traditionen und Festen formen. Hände, die den Mut haben, ihre Würde in ihre Handflächen zu legen, wenn sie um Almosen betteln, um sich zu ernähren. Hände, die ihre Kinder in den Schlaf wiegen, weil sie wissen, dass sie am nächsten Tag aufwachen und die Würfel noch einmal rollen müssen, unsichtbar für uns…