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Archivgeschichte #6 - Frances McLaughlin-Gill

Manhattan, Vogue, 15. November 1944 © Frances McLaughlin-Gill

Frances McLaughlin-Gill (1919 in Brooklyn, New York - 2014) war eine amerikanische Fotografin und eine der ersten weiblichen Modefotografinnen, die bei Vogue unter Vertrag stand. Nach zwei Jahrzehnten in der Modebranche arbeitete sie ein Jahrzehnt lang als unabhängige Filmproduzentin und drehte Werbefilme. Einer ihrer Filme gewann 1969 die Goldmedaille beim Internationalen Film- und Fernsehfestival von New York. In ihrer späteren Karriere veröffentlichte sie mehrere Sammlungen, sowohl mit ihrer Schwester als auch in Zusammenarbeit mit anderen Autoren.

Untitled (woman smoking a cigarette), c. 1950 © Frances McLaughlin-Gill

Frances McLaughlin wurde am 22. September 1919 in Brooklyn, New York, als Tochter von Kathryn und Frank McLaughlin geboren. Sie war die Zwillingsschwester von Kathryn Abbe. Ihr Vater starb, als die Zwillinge drei Monate alt waren, und die Familie zog nach Wallingford, Connecticut, wo sie ihre Schulausbildung abschlossen. Frances machte 1937 ihren Abschluss an der Lyman Hall High School als Klassenbeste und Kathryn war die Zweitbeste. Die Zwillinge schrieben sich dann am Pratt Institute ein, um Fotografie zu studieren und machten 1941 ihren Abschluss. Im selben Jahr nahmen beide an dem von Vogue gesponserten Prix de Paris-Wettbewerb teil und waren unter den fünf Finalisten.

Nan Martin, Jones Beach, NY, Glamour, 1950. © Frances McLaughlin-Gill

McLaughlin-Gill arbeitete anschliessend als Stylistin für Montgomery Ward und wurde schliesslich Toni Frissell, einem Fotografen der Vogue, vorgestellt. Frissell stellte sie Frances Alexander Liberman vor, dem neuen Art Director der Vogue, der sie 1943 einstellte. Liberman war der Meinung, dass McLaughlin einen frischen Ansatz hatte. Ihre Direktheit und Spontaneität machten McLaughlin für ihn zu einer idealen Fotografin, denn ihre Bilder waren weniger gestellt und natürlicher als die vieler Modefotografen jener Zeit. Sie begann mit Fotoshootings mit Nachwuchsmodellen für Glamour Magazine, das sich an ein jüngeres Publikum richtete, und war in der Lage, Bewegungen auf eine Art und Weise einzufangen, wie es bis dahin nicht möglich gewesen war. In den 1940er und 1950er Jahren schuf McLaughlin einige der stärksten Bilder, die in der amerikanischen Ausgabe der Vogue erschienen. Neben Modefotografien schuf sie auch Fotos von Prominenten sowie Stillleben für Leitartikel und Titelseiten von House & Garden. 1948 heiratete sie den Fotografen Leslie Gill, der als einer der ersten Fotografen bekannt wurde, der Farbfilm verwendete.

Nan Martin, Street Scene, First Avenue, 1949 © Frances McLaughlin-Gill

Einer der Höhepunkte ihrer Karriere war McLaughlins Arbeit bei der Paris Fashion Week 1952. Obwohl sie weiterhin für Glamour, House & Garden und Vogue arbeitete, wurde McLaughlin 1954 freiberufliche Fotografin bei Condé Nast Publications. In den sechziger Jahren schrieb sie regelmässig für die britische Vogue. Nach dem plötzlichen Tod Gills 1958 begann McLaughlin, ihren Nachnamen mit Bindestrich zu schreiben. Im folgenden Jahr arbeiteten die Schwestern gemeinsam an einer Sammlung von Kinderfotos, die in Modern Photography veröffentlicht wurden. Zwischen 1964 und 1973 drehte McLaughlin-Gill als unabhängige Filmproduzentin und Regisseurin Werbespots und Filme. Ihr Film Cover Girl: New Face in Focus über das Model of the Year, Elaine Fulkersons Weg zum Modemodell, gewann 1969 die Goldmedaille beim International Films and TV Festival of New York. Ende der 1970er Jahre begann sie, an der School of Visual Arts in Manhattan Fotografie-Seminare zu geben.

Vogue, March 1, 1947 © Frances McLaughlin-Gill

McLaughlin-Gill begann nach 1976, einige ihrer späteren Werke in Buchform zu veröffentlichen. Einige ihrer bekanntesten Sammlungen waren Women Photograph Men (1976) und Twins on Twins (1981), das zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Kathryn Abbe veröffentlicht wurde. Sie fotografierte auch für mehrere Autorenbücher, darunter ein Buch über Körpersprache, Face Talk, Hand Talk, Body Talk (1977) von Sue Castle und Jane Fearer Safers Spirals From the Sea: An Anthropological Look at Shells (1983). 1984 bereitete sie Fotografien für eine retrospektive Ausstellung der Werke ihres Mannes für das New Orleans Museum of Art vor. 1995 fand eine Ausstellung ihrer Fotografien in der Hamilton’s Gallery in London statt und 2011 veröffentlichten sie und ihre Schwester ihr letztes gemeinsames Buch, Twin Lives in Photography. Die Schwestern waren 2009 Gegenstand eines von Nina Rosenblum, produzierten Dokumentarfilms, Twin Lenses, der ihre Pionierrolle in der Fotografie beleuchtete und Interviews mit den Zwillingen enthielt. McLaughlin-Gill starb am 23. Oktober 2014.

Marguerite Dillemuth with a car, 1946 © Frances McLaughlin-Gill

Tina Campbell at the Hall of Mirrors, Versailles © Frances McLaughlin-Gill, ICP

Glamour, 1946 © Frances McLaughlin-Gill

Beauty through the man's eyes, for Glamour, Summer issue, 1950 © Frances McLaughlin-Gill

Theatre Time, Broadway - Producer Gardner Cowles with Catherine Hannon - taken for Vogue, Oct. 15, 1953 © Frances McLaughlin-Gill

Untitled (woman's face with eye highlighted), c. 1950 © Frances McLaughlin-Gill

Central Park South Near 6th Avenue, NYC, Photo by Leslie Gill, 1953 © Frances McLaughlin-Gil

Beth Wilson, Vogue, 1945 © Frances McLaughlin-Gill

Lifetime Award der photoSchweiz geht an den Modefotografen Hans Feurer

© Hans Feurer

Die photoSchweiz ehrt den Modefotografen Hans Feurer mit dem Lifetime Award. Mit der Auszeichnung wird einer der international erfolgreichsten Schweizer Modefotografen geehrt. 

© Hans Feurer

Hans Feurer wurde am 22. September 1939 in Zürich geboren und arbeitete nach seinem Kunststudium in den 1960er Jahren als Art Direcotr für diverse Firmen in London. 1966 - während einer Reise nach Südafrika entschied, Feurer sich als Fotografen zu etablieren und mietete nach seiner Rückkehr in London ein Studio. Bereits ein Jahr später gelang ihm der Durchbruch. Seine Werke wurden unter anderen in der Vogue und der GQ Style publiziert. 1974 fotografierte er für den legendären Pirelli-Kalender. 

© Hans Feurer

Von Beginn weg demonstrierte Hans Feurer sein aussergewöhnliches Talent Mode und seine Modelle ins beste Licht zu rücken. Wichtigster Fokus war dabei die herausragende Ausstrahlung und die kraftvolle Präsenz seiner charismatischen Modelle. Er erschuf als "Meister des Gegenlichts" ikonische Bilder und über beinahe fünf Jahrzehnte ein einzigartiges Werk. 

© Hans Feurer

Michel Pernet, Produzent der photoSchweiz erklärt: "Ein Level, das bis heute unerreicht ist". 

© Hans Feurer

Hans Feurer freut sich über die Auszeichnung der photoSchweiz und der Sonderschau: " Dies ist eine ebenso warmherzige und künstlerisch spannende Würdigung meiner Vita und meines Werks. Ich fühle mich geehrt." 

© Hans Feurer

Die photoSchweiz kann noch bis 16. Januar 2024 in der Halle 550 in Oerlikon besucht werden.

© Hans Feurer

Pia Zanetti…

Chontales, Nicaragua, 1987 © Pia Zanetti

Bereits 2021 ist ein Buch über die Arbeit von Pia Zanetti, anlässlich ihrer Ausstellung in der Fotostiftung beim Verlag Scheidegger & Spiess erschienen. Wer nun denk, dass man keine neuen Aspekte des fotografischen Werks von Pia Zanetti kennen lernen kann, irrt sich. Ein Blick, auch ein zweiter, dritter Blick in das Buch lohnt sich. Peter Pfrunder (Direktor Fotostiftung) hat sich gar gefragt, ob Pia Zanetti ihnen Bilder vorenthalten habe...

In St. Moritz fotografierte ich die "Italiener erster Klasse": Das waren jene Begüterten aus Mailand und Turin, die im Engadin ihren verschwenderischen Lebensstil pflegten und mit ihren Landsleuten aus dem Süden, die als Kellner und Dienstmädchen arbeiteten, nur Französisch redeten.
© Pia Zanetti

Natürlich gibt es ein paar Bilder, die erkennt man wieder, aber es gibt viel Neues zu sehen. Pia Zanetti ist tief in ihr Archiv getaucht und hat neue Schätze gehoben. Schätze, die beim Machen eher verkannt worden sind, aber im heutigen Zeitgeist mit einem anderen Blick auf die Arbeit unbedingt gezeigt und vor allem gesehen werden sollten. Dies ist der Bildauswahl mit Luca Zanetti, ihrem Sohn und Fotografen geschuldet. Er hat sie auf Bilder aufmerksam gemacht, die für das heutige Wahrnehmen wichtig geworden sind. Es gibt mehr Farbfotografien und jüngere Arbeiten zu entdecken.

Belgien, 1967 © Pia Zanetti

Blättert man das Buch durch, entdeckt man immer wieder Menschenmengen, aus denen einzelne Personen mit skurrilen Gesichtsausdrücken, Menschen, die ihren Gedanken nachhängen und ins Nirgendwo schauen und lachende Kinderaugen scheinbar hervorgehoben werden. Pia Zanetti geht mit der Kamera – natürlich unerkannt – auf die Menschen zu und erzählt deren Geschichten genauso oder ganz anders…

Chicago, USA, 1967 © Pia Zanetti

Das spannende an Pia Zanettis neuem Buch, das bei den Edizioni Periferia erschienen ist – es hat kaum Text. Nur Anmerkungen, wo die Bilder entstanden sind und dies auch nur wenn sie sich noch genau daran erinnert. Aber das Buch funktioniert, denn auf allen der 351 Seiten gibt es Bilder, die für sich sprechen und keine Worte brauchen. Wohltuend für alle, die sich einzig auf die Fotografie fokussieren möchten und sich nicht durch Texte beeinflussen oder ablenken möchten!

Ein Blick, ein Moment: Der Box-Champion Muhammad Ali an einer Black-Power-Versammlung in der Community von Watts
© Pia Zanetti

Pia Zanetti (*1943) ist in Basel geboren und lebet heute in Zürich. Ihre Ausbildung zur Fotografin machte sie bei Olivio Fontana und an der Kunstgewerbeschule Basel (1960 – 1963). Seither ist sie als freischaffende Fotografin tätig, mit Schwerpunkten in politischen und sozialen Themen. Von 1963 bis 1965 und von 1969 bis 1971 lebte sie in Rom, dazwischen in London (1965 – 1969). Ihre Arbeiten erschienen in zahlreichen Medien (Espresso, Venerdì di Repubblica, Adesso, Stern, Paris Match, Du, Annabelle, Bolero, Film-Revue, Textil-Revue und anderen) und wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen (Instituto Svizzero di Roma, Museo cantonale d'Arte, Lugano, Musée de l'Elysée, Kunsthaus Zürich und anderen) präsentiert. Seit 2019 ist sei Stiftungsrätin und fotografische Beraterin von fairpicture.org.

Soweto, Johannesburg, Republik Südafrika, 1968 © Pia Zanetti

1986 gründeten Flurina und Gianni Paravicini-Tönz in Poschiavo die Galleria Periferia. Es entstanden installative Reaktionen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler auf die rurale Bausubstanz des Gebäudes, auf die Zeit und den Ort. 1992 gesellte sich nach dem Umzug nach Luzern die Edizioni Peiferia. Der Schwerpunkt verlagerte sich immer mehr von Ausstellungen auf den Verlagsbereich. Seither verlegten sie über hundert Kunst- und Künstlerbücher, von denen einige längst vergriffen und gesucht sind. Das Programm beinhaltet Bücher, Editionen, Videos und DVDs von international bekannten Künstlerinnen und Künstlern mit speziellen thematischen Schwerpunkten. Die Publikationen werden mit grösster Sorgfalt produziert und stellen in sich geschlossene Werke dar, die in kleinen, meist limitierten und oft nummerierten Auflagen editiert werden.

Armeno, Italien, 1995 © Pia Zanetti

Das Buch Pia Zanetti (ISBN 978-3-907205-39-6) kann direkt bei Edizioni Periferia bestellt oder im Buchhandel bezogen werden.

Fotograf – Ernst Scheidegger…

Metzgerei in Süditalien, um 1948, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Fotograf – Ernst Scheidegger ist eine Hommage an den am 30. November 1923 geborenen Magnum-Fotografen und Mitbegründer des Verlags Scheidegger & Spiess mit Texten von Tobia Bezzola, Philippe Büttner, Helen Grob, langjährige Lebenspartnerin von Ernst Scheidegger und Alessa Widmer.

Fassade des ehemaligen Wohnhauses des Malers Johna Barthold Jongkind, Paris, um 1955 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Tobia Bezzola schreibt in Vom fotografischen Frühwerk zu den Künstlerportraits über das fotografische Frühwerk Scheideggers und wie er eine Kartonschachtel voller Fotografien, Abzügen von Freunden und Kollegen der Agentur Magnum in den frühen 1950er-Jahren gegen eigene Fotografien eingetauscht hatte von Paris in die Schweiz mitgebracht hat. "Dieses Konvolut von Rohkopien, Presseabzügen, Archivkopien und Ausstellungsprints von Werner Bischof, Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, Ernst Haas, George Rodger, Ruth Orkin und David Seymour war mehr als eine Zeitkapsel oder eine Memorabiliensammlung. In gewisser Weise blieb in dieser Schachtel auch Ernst Scheideggers eigene abgebrochene Karriere als Fotoreporter und Bildjournalist versiegelt. […]"

Kinder in der Tschechoslowakei, um 1948 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Im Essay Der bildschöpferische Seher – Über das fotografische Werk von Ernst Scheidegger von Alessa Widmer erfährt man einiges über die Begegnung, Freundschaft und Gemeinsamkeiten von Ernst Scheidegger mit Werner Bischof, der Freundschaft zu Alberto Giacometti und wie er den Schaffensprozess und die Skulpturen Giacomettis bis zu dessen Tod 1966 immer wieder fotografierte. Es ist auch zu lesen, wie Scheidegger zum Portraitieren von Künstlerinnen und Künstlern kam. "Mal mit und mal ohne Kamera in der Hand traf sich Scheidegger über Jahre hinweg mit verschiedenen Kunstschaffenden, besuchte deren Ausstellungen, wurde in Ihre Ateliers eingeladen und verbrachte in den französischen Cafés Zeit mit Ihnen. "Ich bekam Freude am Beobachten von Menschen und vor allem von Künstlern," beschreib Scheidegger diese Zeit und damit auch, wie sein Interesse am Portraitieren von Künstlerinnen und Künstlern entstand."

Kinder in Süditalien, um 1948, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

"C'est comme un reportage" – Ein Blick in die Essenz von Ernst Scheideggers Fotografie von Philippe Büttner zeigt die von Giacometti geschätzte Qualität der Herangehensweise und Umsetzung von Ernst Scheidegger in der Fotografie, aber auch in der Buchgestaltung. "Es gibt einen jungen Fotografen aus Zürich, Scheidegger, der vor ein paar Jahren bei mir zu Hause viele Fotos von den Skulpturen, vom Atelier usw. gemacht hat. Jetzt ist er daran, davon ein kleines Buch zu machen, er hat einen jungen Herausgeber in Zürich, der es veröffentlicht. Das Buch, ich habe das Layout gesehen, ist sehr; sehr gut und ich möchte unbedingt, dass es herauskommt, weil es viel Mühe gekostet hat, es ist ein wenig wie eine Reportage, aber sehr speziell." (Alberto Giacometti, in einem Brief an Pierre Matisse, 11.05.1957)

Ballettschülerin im Studio von Madame Rousanne, Paris, um 1955 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Helen Grob – langjährige Lebenspartnerin schreibt in Von Fischen und Freunden über das Fischen mit Ernst Scheidegger, die spontanen Gäste im Bergell, von den "gefundenen Fressen" – une truite au bleu, dem Freilassen von Forellen am Heiligenabend, den mässig geniessbaren Karpfen und den gesammelten Eierschwämmen, die zu kulinarisch unübertrefflichen Mahlzeiten führten – Erinnerungen an Streifzüge durch die Natur. Sie schreibt auch über die Galerietätigkeit Scheideggers und die Art und Weise wie er potenzielle Kundschaft, die ihm unsympathisch war aus der Galerie ekelte und über langjährige Freundschaften unter anderen mit Arnold Hottinger, der die Einladungen zum Essen ablehnte und sich doch immer dazusetzte. Feinfühlig und poetisch bringt sie die Erinnerungen an den geliebten Menschen auf Papier und lässt die Leserinnen und Leser auch am besonderen Fisch teilhaben. "Halt, beinahe hätte ich einen ganz besonderen Fisch vergessen: Bevor es jeweils ins Bergell hinunterging, liessen wir uns genüsslich im Hotel Kulm in Maloja einen am frühen Morgen desselbigen Tages gefangenen Saibling kredenzen."

Arbeiter an einer Brüstung, um 1949 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Tobia Bezzola, ist seit 2018 Direktor des Museo d'Arte della Svizzera italiana (MASI). Zuvor war er Direktor des Museum Folkwang in Essen (2013-2018) und Kurator am Kunsthaus Zürich (1995-2012). Er hat seit 1993 über 100 Ausstellungen und Katalogpublikationen zu moderner und zeitgenössischer Kunst und Fotografie verantwortet. Er ist Mitglied zahlreicher Stiftungsräte (darunter der Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv), Vorstände und Fachgremien privater und öffentlicher Kulturinstitutionen sowie Dozent an der Accademia di Architettura der Università della Svizzera italiana.

Eishockeyspiel auf einem gefrorenen See, Anfang 1960er-Jahre, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Philippe Büttner, ist seit Herbst 2011 Sammlungskonservator am Kunstmuseum Zürich. Von 2003 bis 2011 war er Ausstellungskurator an der Fondation Beyeler in Riehen/Basel. Er hat u. a. Ausstellungen zu Wolfgang Laib, Fernand Léger, Alberto Giacometti und Aristide Maillol sowie zu Pop-Art und Surrealismus kuratiert. Er ist Geschäftsführer der Alberto-Giacometti-Stiftung sowie Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv.

Schlucht im Verzascatal, 1970er-Jahre © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Helen Grob, arbeitete während vieler Jahre als Assistentin für den Schweizer Komponisten und Intendanten Rolf Liebermann an der Hamburgischen Staatsoper und an der Opéra de Paris und später für den deutschen Komponisten Hans-Werner Henze. Nach dem berufsbegleitenden Studium der Psychologie war sie ab 1986 noch für zwei Jahrzehnte als Psychotherapeutin in Zürich tätig. Während 33 Jahren bis zu seinem Tod 2016 war sie die Lebenspartnerin Ernst Scheideggers.

Clown vor seinem Auftritt im Zirkus Knie, um 1949, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Alessa Widmer, absolvierte ihren Master in Theorie und Geschichte der Fotografie und Kunstgeschichte an der Universität Zürich, wo sie aktuell ihre Dissertation zur Schweizer Fotografiegeschichte und zu Rosellina Burri-Bischof schreibt. Sie arbeitete u. a. im historischen Archiv der Magnum Foundation in Paris und ist derzeit Künstlerische Leiterin der Kunstmesse photo basel.

Frau mit Tuba vor dem Zirkuszelt, um 1949 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Scheidegger & Spiess gehört zu den führenden Schweizer Verlagen in den Bereichen Kunst, Fotografie und Architektur. In Zusammenarbeit mit renommierten Museen, Fotografinnen, Kunstschaffenden und Architekten werden sorgfältig konzipierte, lektorierte und gestaltete Bücher verlegt. Ein besonderes Augenmerk gilt der anspruchsvollen Ausstattung und Materialisierung. Rund die Hälfte der Titel erscheint auch in englischer Sprache. Das Verlagsprogramm ist dank der Zusammenarbeit mit kompetenten Marketing- und Vertriebspartnern weltweit präsent. Der Verlag gehört einer unabhängigen Eigentümerschaft und besteht aus engagierten Mitarbeitenden, die ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Stärken in die Arbeit einbringen.

Schiffschaukel, um 1950, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Das Kunsthaus Zürich ist mit 11'500 Quadratmeter Ausstellungsfläche das grösste Kunstmuseum der Schweiz. Es besteht aus einem vierteiligen Gebäudekomplex, dem alten, dreiteiligen Gebäudetrakt Moserbau, Bührlesaal und Müllerbau sowie dem 2021 eröffneten Erweiterungsbau von Chipperfield Architects Berlin. Die Bauten säumen, wie das in unmittelbarer Nähe liegende Schauspielhaus Zürich, den Heimplatz der Stadt Zürich. Das Kunstmuseum beherbergt eine der grössten Kunstsammlungen des Landes, besitzt die umfangreichste Sammlung von Werken des Schweizer Bildhauers, Malers und Grafikers Alberto Giacometti sowie eine der bedeutsamsten des Dadaismus. Zudem gehört dem Museum der repräsentativste Bestand an Gemälden von Edvard Munch ausserhalb Norwegens. (Quelle: Wikipedia)

Errichtung der Skulptur «Kontinuität» von Max Bill in ihrer ersten Gipsfassung, Zürich, 1947, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Das MASI-Lugano - Museo d’arte della Svizzera italiana wurde 2015 gegründet und gehörte bereits nach wenigen Jahren zu den meistbesuchten Kunstmuseen der Schweiz. Es bildet einen kulturellen Knotenpunkt zwischen dem Süden und dem Norden der Alpen, der italienischen und der deutschen Schweiz, dem lateinischen und dem germanischen Europa. An seinen zwei Standorten – im Kulturzentrum LAC sowie im historischen Palazzo Reali – bietet es ein reichhaltiges Ausstellungsprogramm, wechselnde Sammlungspräsentationen sowie ein umfangreiches, mehrsprachiges Vermittlungsprogramm für Besucherinnen und Besucher jeden Alters. Ergänzt wird das Angebot durch die in Zusammenarbeit mit dem MASI betriebene, ganz der zeitgenössischen Kunst gewidmeten Collezione Giancarlo e Danna Olgiati.

Max Bill mit einer Studentin in der Keramikwerkstatt der HfG Ulm, um 1954, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Das Buch
Ernst Scheidegger – Fotograf (Deutsch ISBN 978-3-03942-173-2, englisch ISBN 978-3-03942-178-7) kann bei Scheidegger & Spiess oder im Buchhandel bezogen werden.

Germaine Richier in ihrem Pariser Atelier, um 1953, Schwarzweiss-Fotografie © Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich Werk Germaine Richier: © 2023, ProLitteris, Zurich*

Die Ausstellungen
Kunsthaus Zürich: Ernst Scheidegger – Fotograf, 27. Oktober 2023 – 21. Januar 2024
MASI-Lugano: Faccia a faccia - Omaggio a Ernst Scheidegger, 18. Februar – 21. Juli 2024

Justizpalast. Kapitol. Seitenansicht des Hypostyls (Architekt: Le Corbusier), um 1955 © 2023 Stiftung Ernst Scheidegger-Archiv, Zürich

Archivgeschichte #5: Yva - Else Ernestine Neuländer-Simon…

Yva, Ohne Titel (Creme Mouson), um 1937 © Das Verborgene Museum

Yva - wurde 1900 als Else Ernestine Neuländer-Simon in Berlin als Jüngste von neun Geschwistern an der Grossbeerenstrasse 36 in der Tempelhofer Vorstadt geboren und starb 1942 im Vernichtungslager Sobibor[1]. Im Alter von 25 Jahren gründete sie 1925 ihr eigenes Fotostudio in der Friedrich-Wilhelm-Strasse 17 in Berlin - ein ebenso berühmtes wie innovatives Atelier. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere beschäftige sie bis zu zwölf Angestellt in ihrem Studio.

Ohne Titel (Dame beim Lesen der Rennsport-Zeitung), 1932 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

1926 arbeitete sie eine Zeit lang mit dem Fotografen, Illustrator und Layouter Heinz Hajek-Halke[2] zusammen. 1929 erhielt sie einen Vertrag mit dem "Ullstein-Verlag". Ende 1930 zog sie mit ihrem Studio in die Bleibtreustrasse 17 um. Sie war auf der Ausstellung "Film und Foto" vertreten.

Beim Sekt, 1936. | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

1933, nach der Machtergreifung der Nazis, wurde ihr aufgrund ihrer jüdischen Herkunft untersagt, arische Mitarbeiter zu beschäftigen. Dennoch setzte sie ihre Arbeit in ihrem Studio und in der Agentur "Schostal"[3] fort.

Hands Study, Berlin 1925 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

1934 heiratete sie Alfred Simon, der zunächst die Leitung ihres Studios übernahm. 1936 übertrug sie die Leitung ihres Unternehmens ihrer "arischen" Freundin, der Kunsthistorikerin Charlotte Weidler[4]. Von 1936 bis 1938 beginnt Helmut Neustädter, der unter dem Pseudonym Helmut Newton berühmt wurde, seine Ausbildung, indem er Yva als Assistent zur Seite stand.

zwei Frauen, um 1933 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

Im Jahr 1938 wurde sie vom Regime gezwungen, ihren Beruf aufzugeben. Sie musste ihr Fotostudio aufgeben. Sie arbeitete als Röntgenassistentin im Jüdischen Krankenhaus in Berlin, wo sie Zwangsarbeit leistete.

Junges Paar beim Tanzen, 1932 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

Als Yva und ihr Mann sich 1942 darauf vorbereiteten, das Deutsche Reich zu verlassen, wurden sie am 13. Juni 1942 festgenommen und mit dem Todestransport Nr. 15 von Lublin in das Vernichtungslager Sobibor deportiert. Nach ihrer Ankunft wurde sie sofort hingerichtet.

Charleston, 1927 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

Obwohl Yva nur eine kurze Zeit lebte, war sie eine bedeutende Modefotografin der 1920er und 1930er Jahre. Sie war sehr beliebt und gefragt und wurde für ihre Werbespots, Prominentenporträts und Aktaufnahmen bekannt. Ihre Werke waren in renommierten Galerien und gehobenen Modezeitschriften jener Zeit zu finden.

Beach outfit, Berlin ca. 1932. | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon, Stiftung F.C. Gundlach

Unter den Fotografen, die in den 1920er Jahren in Berlin ihr eigenes Atelier gründeten und sich der Nachfrage nach Portraits stellten, war Yva eine der erfolgreichsten Fotografinnen. Von Beginn ihres Unternehmens richtete sie das Profil ihres Ateliers auf Gebrauchsfotografie und Presseveröffentlichungen aus und belieferte gleichzeitig illustrierte Zeitschriften und Magazine.

Selbstporträt, 1925 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

Noch bis am 4. Juni 2023 kann die Ausstellung Frieda Riess und Yva. Fotografien 1919–1937 in der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen in Rüsselheim besucht werden.

Amor Skin, Berlin um 1925-1930 | © Yva, Else Ernestine Neuländer-Simon

[1] Das Vernichtungslager Sobibor war ein deutsches Vernichtungslager im besetzten Polen während des Zweiten Weltkrieges. Es lag in der Nähe des etwa 500 Einwohner zählenden Dorfs Sobibór, eines Orts der Landgemeinde Włodawa, im südöstlichen Polen. Es lag an der Ostgrenze des damaligen Distrikts Lublin des Generalgouvernements, im heutigen Dreiländereck Polen–Belarus–Ukraine. Das Lager wurde Anfang 1942 errichtet und diente neben den Lagern Belzec und Treblinka als Vernichtungslager im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ der planmäßigen Ermordung der Juden des Generalgouvernements. Im Vernichtungslager Sobibor wurden nach Schätzungen bis zu 250.000 Juden in Gaskammern ermordet, darunter alleine vermutlich 33.000 aus den Niederlanden. (Quelle: Wikipedia)

[2] Heinz Hajek-Halke, eigentlich Heinz Richard Paul Halke (* 1. Dezember 1898 in Berlin; † 11. Mai 1983 ebenda) war ein deutscher Fotograf. (Quelle: Wikipedia)

[3] Die Agentur Schostal war eine Pressebildagentur mit Sitz in Wien. Sie hatte Niederlassungen u. a. in Paris, Mailand, Berlin und Stockholm. Der Besitzer war Robert F. Schostal. In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg befanden sich im Bestand der Agentur über eine Million Fotos aus den verschiedensten Bereichen aus den 1920er und 1930er Jahren. Damit zählte sie zu den Großen in der Branche. (Quelle: Wikipedia)

[4] Charlotte Weidler (1895-1983) war eine deutsche Kunsthändlerin, Kuratorin und Kunsthistorikerin. Ihre Geschäfte mit Kunstwerken aus den Sammlungen von Paul Westheim und Alfred Flechtheim während der NS-Zeit waren Gegenstand mehrerer viel beachteter Gerichtsverfahren. (Quelle: Wikipedia)

Werner Bischof. Unseen Colour…

Studie, Zürich, Schweiz, 1949 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Unseen Colour ist ein farbiger Schatz, der uns das Gesamtwerk von Werner Bischof näherbringt. Als Marco Bischof, der älteste Sohn von Werner Bischof 2016 das Archiv durchforstete, fand er Hunderte von Glasplatten, die er für Schwarz-Weiss-Fotos hielt. Er stellte jedoch fest, dass es für jedes Bild scheinbar drei identische Negative gab. Dann die Überraschung beim genauen Hinsehen; sie wiesen unterschiedliche Intensitäten auf, wie Schichten eines einzigen Bildes, aus deren Überlagerung sich ein Farbfoto ergibt.

Orchidee (Studie), Zürich, Schweiz, 1943 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Devin Tri-Color Camera[1], Rolleiflex[2] und Leica[3].

 In "Versuche der Farbfotografie mit den heutigen Mitteln" - Werner Bischof und die Farbfotografie beschreibt Tobia Bezzola die Eigenheiten der verschiedenen Kameratypen. Wir finden ein Panorama der technischen und ästhetischen Möglichkeiten erprobt, von sprühend-grell bis weich und aquarellistisch, von rokokohaft verspielt bis Pop-Art-mässig aggressiv, je nach Massgabe der Möglichkeiten des Motivs und des Materials. Bleibt zu bedauern, dass Bischof, der in Schwarz-Weiss so virtuos die technischen Möglichkeiten zu maximalem ästhetischem und narrativem Ausdruck zu steigern wusste, diese Pfade nicht weiterverfolgen konnte.

Model mit Rose, Zürich, Schweiz, 1939 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

In Von kommerziellen Zwängen zu künstlerischen Vorhaben: Der zwiespältige Ruf der Farbe zeigt Clara Bouveresse die zwiespältige Beziehung zur Farbfotografie, insbesondere in der Agentur Magnum auf.  …Den Gründungsidealen der Agentur und dem Geist der engagierten Fotografie getreu, realisierte er Bilder in Schwarz-Weiss, die, geprägt von Empathie und Humanismus, zu den Klassikern des Genres werden sollten […] […] Die Arbeit in Farbe bot neue Möglichkeiten und bedeutete eine andere Art und Weise, jede Aufnahme zu komponieren. Auch sensibilisierte sie den Blick für die Farbnuancen jeder einzelnen Bildzone […]

Glasflasche mit Blatt, Zürich, Schweiz, 1942 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Peter Pfrunder schreibt in Schmerzhafte Farben wie Farbfotografien auch empören können: Dass die Farbe dabei eine wesentliche Rolle spielte, bezeugen die darauf Bezug nehmenden Formulierungen der Zeitgenossen: Dem Fotografen selbst prägen sich die "blauvioletten Brandmale", "eine rote Maske" und "das farbig-rosa Fleisch" ein; Du-Chefredakteur Kübler erwähnte in seinem Editorial explizit das "bläulich gefärbte" Gesicht, und ein Leser empörte sich übe de Zumutung, ein solches Bild "überlebensgross und farbig" zu zeigen. Nicht wenige von Bischofs Devin-Aufnahmen hätten als Schwarz-Weiss-Fotos ebenso gut funktioniert […]

Der Reichstag, Berlin, Deutschland, 1946 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Im Text von Farben und Techniken von Luc Debraine erfährt man einiges über die eingesetzten Kameras, über Drucktechniken und Filmmaterialien. Nun war der Zeitpunkt gekommen: Die Farbfotografie begann sich in den illustrierten Magazinen durchzusetzen. Tatsächlich erschien sie in Frankreich bereits im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Zeitschriften wie Illustration. Der Druck mithilfe des Autochrom-Verfahrens aber lieferte wenig überzeugende Ergebnisse. Zumindest in den Augen der Werbetreibenden, die eine realistische Wiedergabe verlangten […] Die Heliogravüre[4] wie auch die Trichromie[5] waren eine Antwort auf diese eindringliche Nachfrage. Die beiden Techniken sind kostspielig, zeitaufwendig und verlangen grosses Geschick. Die Ergebnisse aber sind beispielhaft ich ihrer Authentizität, Modernität und visuellen Wirkung…

Trümmerfrauen, Berlin, Deutschland, 1946 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Werner Bischof wurde am 26. April 1916 als Sohn eines Direktors einer pharmazeutischen Fabrik und passionierten Amateurfotografen in Zürich geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Zürich, Kilchberg und in Waldshut. Die Kindheit und Jugendzeit wurde vom frühen Tod der Mutter 1931 überchattet. 1932 trat er in die Kunstgewerbeschule Zürich ein, wo er die neu eingerichtete Fotoklasse von Hans Fisler besuchte und 1936 abschloss. Bereits 1936 eröffnete er sein erstes Atelier in Zürich. 1939 übersiedelte er, mit der Absicht Maler zu werden, nach Paris. Bei Ausbruch des zweiten Weltkriegs kehrte er zurück in die Schweiz und leistete zwei Jahre Militärdienst. 1945 begann er mit einer fotografischen Dokumentation des zerstörten Nachkriegseuropas im Auftrag der "Schweizer Spende an die Kriegsgeschädigten" in Süddeutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden. 1946 lernte er Rosellina Mandel kennen, die er 1949 heiratete. 1949 wurde er Mitglied von Magnum Photos. Seine weiteren Reisen führten ihn durch Italien, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Tschechoslowakei, Polen, Skandinavien, Indien, Japan, Indochina. 1953 begann er die Planung für eine ausgedehnte Reise durch Südamerika. Am 16. Mai 1954 verunfallte er tödlich als sein Wagen in den peruanischen Anden in eine Schlucht stürzt.

Neues Palais, Darmstadt, Deutschland, 1946 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Scheidegger & Spiess gehört zu den führenden Schweizer Verlagen in den Bereichen Kunst, Fotografie und Architektur. In Zusammenarbeit mit renommierten Museen, Fotografinnen, Kunstschaffenden und Architekten werden sorgfältig konzipierte, lektorierte und gestaltete Bücher verlegt. Ein besonderes Augenmerk gilt der anspruchsvollen Ausstattung und Materialisierung. Rund die Hälfte der Titel erscheint auch in englischer Sprache. Das Verlagsprogramm ist dank der Zusammenarbeit mit kompetenten Marketing- und Vertriebspartnern weltweit präsent. Der Verlag gehört einer unabhängigen Eigentümerschaft und besteht aus engagierten Mitarbeitenden, die ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Stärken in die Arbeit einbringen.

Trocknendes Getreide, Castel di Sangro, Italien, 1946 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Das MASI Lugano - Museo d’arte della Svizzera italiana wurde 2015 gegründet und gehörte bereits nach wenigen Jahren zu den meistbesuchten Kunstmuseen der Schweiz. Es bildet einen kulturellen Knotenpunkt zwischen dem Süden und dem Norden der Alpen, der italienischen und der deutschen Schweiz, dem lateinischen und dem germanischen Europa. An seinen zwei Standorten – im Kulturzentrum LAC sowie im historischen Palazzo Reali – bietet es ein reichhaltiges Ausstellungsprogramm, wechselnde Sammlungspräsentationen sowie ein umfangreiches, mehrsprachiges Vermittlungsprogramm für Besucherinnen und Besucher jeden Alters. Ergänzt wird das Angebot durch die in Zusammenarbeit mit dem MASI betriebene, ganz der zeitgenössischen Kunst gewidmeten Collezione Giancarlo e Danna Olgiati.

Strand, Sardinien, Italien, 1950 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Die Fotostiftung Schweiz, 1971 als private «Stiftung für die Photographie» gegründet, setzt sich für die Erhaltung, Erforschung und Vermittlung von fotografischen Werken ein. Ihre Sammlung umfasst ca. 50’000 Ausstellungsprints, 250’000 Archivabzüge sowie über 1 Million Negative bzw. Dias. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf der Schweizer Fotografie des 20. Jahrhunderts. Im Auftrag des Bundesamtes für Kultur betreut sie rund 100 Archive oder Teilarchive von herausragenden Fotografinnen und Fotografen sowie eine umfassende Sammlung zur Schweizer Fotografie. Mit eigenen Ausstellungen und Publikationen stellt die Fotostiftung regelmässig historische oder aktuelle Positionen der Schweizer Fotografie vor.

Regenschirm aus Pergamentpapier, Kyoto, Japan, 1951 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Die Ausstellung Werner Bischof. Unseen Colour kann vom 12. Februar - 2. Juli 2023 im MASI -  Museo d’arte della Svizzera italiana in Lugano und vom 26. August 2023 - 21. Januar 2024 in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur besucht werden.

Sumida-Fluss, Tokio, Japan, 1951 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Werner Bischof. Unseen Colour (Deutsche Ausgabe: ISBN 978-3-03942-129-9, Englische Ausgabe: 978-3-03942-130-5, die italienische Ausgabe erscheint bei Edizioni Casagrande: ISBN 978-88-7713-997-9) ist bei Scheidegger & Spiess oder im Buchhandel erhältlich.

Fotostudio im Freien, Colima, Mexiko, 1954 | © Werner Bischof Estate / Magnum Photos

[1] Die Devin Tricolor Camera ist eine One-Shot-Farbseparationskamera. D. h. sie belichtet in einer einzigen Aufnahme drei monochrome Platten, die jeweils hinter einem Farbfilter angebracht sind, so dass anschliessend durch Addition der drei monochromen Negative ein Echtfarbabzug erstellt werden kann.

[2] Rolleiflex ist die Markenbezeichnung für eine Reihe von analogen und digitalen Mittelformatkameras der Firma DW Photo GmbH, Braunschweig, vormals DHW Fototechnik GmbH, ehemals Rollei. Die Modellreihe umfasst hauptsächlich ein- und zweiäugige Spiegelreflexkameras, die Rollfilm im Format 60 × 60 mm, später auch 40 × 40 mm belichten, aber auch mit digitalen Rückteilen versehen werden können. (Quelle: Wikipedia)

[3] Die Leica Camera AG (Leica: Abkürzung für Leitz(sche) Camera) ist ein deutsches Unternehmen der optischen Industrie mit Sitz in Wetzlar. Das Unternehmen hat sich auf die Fertigung von Fotoapparaten und Ferngläsern spezialisiert. Das Unternehmen entstand 1986 aus der Ernst Leitz Wetzlar GmbH, dem Nachfolgeunternehmen des von Carl Kellner 1849 in Wetzlar gegründeten Optischen Instituts. (Quelle: Wikipedia)

[4] Als Heliogravüre (von griech. helios „Sonne“), auch Heliogravur, Fotogravüre, Fotogravure, Photogravur, Photogravüre, Klicotypie oder Sonnendruck genannt, bezeichnet man ein fotografisches Edeldruckverfahren. Die Heliogravüre ist die Vorläufertechnik des modernen Tiefdrucks, mit der Fotos und Illustrationen durch ein fotomechanisches Druckverfahren reproduziert werden können und mit dem sich echte Halbtöne darstellen lassen. Sie ist eine Weiterentwicklung des Aquatintaverfahrens. So wird die dafür erforderliche Druckplatte ähnlich wie jene für die Aquatintaradierung hergestellt. (Quelle: Wikipedia)

[5] Trichromie (aus altgriechisch τρι tri = drei und χρῶμα chroma = Farbe entlehnt) ist ein Verfahren der Farbfotografie, bei der drei getrennte Schwarzweißaufnahmen durch die Farbfilter Rot, Grün und Blau hergestellt werden, die zum Betrachten wieder zur farbigen Darstellung überlagert werden. (Quelle: Wikipedia)

Lichter der Stadt, New York; USA, 1953 | Werner Bischof Estate / Magnum Photos

Archivgeschichte #4: Roxanne Lowit…

Three Models in a Tub, Naomi Campbell and Christy Turlington, Linda Evangelista, Paris I, 1990 | © Roxanne Lowit

Roxanne Elizabeth Lowit (22. Februar 1942 - 13. September 2022) war eine amerikanische Mode- und Promifotografin. Über drei Jahrzehnte lang hat Roxanne Lowit mit ihrer einzigartigen Linse die Gesichter, Persönlichkeiten und Räume der modernen Kultur eingefangen. Ihre unvergleichliche Art zu betrachten, bedeutet, hinter das sprichwörtliche Samt-Seil zu treten. Wer ihre Bilder betrachtet, wird Zeuge der Kreation und der Feier von Mode und Kunst, Theater und Film, Vergnügen und Freude und ästhetischem Genuss.

Pink Ruffles, Yves Saint-Laurent | © Roxanne Lowit

Roxanne Lowit ist ein Shootingstar und hat Tausende von Berühmtheiten fotografiert, darunter Andy Warhol, Salvador Dali, Kate Moss, Yves Saint-Laurent, Johnny Depp, Madonna, George Clooney und viele andere. Wer ihre Arbeit betrachtet, sieht nicht nur diese berühmten Gesichter aus nächster Nähe, sondern auch ihre Schönheit, ihre Verletzlichkeit und ihre Menschlichkeit, eingefangen von einer leidenschaftlichen Geschichtenerzählerin, deren grösstes Werkzeug ihre bescheidene, einfühlsame Präsenz ist. Sie ist mehr als eine Fotografin, sie ist eine wahre Künstlerin, eine moderne Nachfolgerin von Manet und Toulouse-Lautrec. So wie diese das turbulente Pariser Leben im 19. Jahrhundert auf Leinwand festgehalten haben, hat sie die kreative Klasse der letzten drei Jahrzehnte in ihren Fotografien festgehalten und bietet damit einen beispiellosen visuellen Zugang zur beau monde von New York, Paris und Mailand.

Palm Coat, Yves Saint-Laurent | © Roxanne Lowit

Als Pionierin hat Roxanne Lowit die Dinge immer anders gemacht. Als gebürtige New Yorkerin war sie ursprünglich Textildesignerin. Ihre wahre Berufung fand sie aber in der Herstellung von Bildern anderer Art und schuf dadurch ein völlig neues Genre der Fotografie, indem sie ihre Kamera dorthin mitnahm, wo niemand sonst hinwollte: hinter die Kulissen der Modeschauen. Während alle anderen auf den Laufsteg fixiert waren, fing sie das wahre Geschehen dort ein, wo die anderen Fotografen nicht hinschauten. Ihre Erleuchtung ist bezeichnend für ihren scharfen Blick für neue Möglichkeiten - und sie hat die Modefotografie für immer verändert. Aber sie ist noch weiter gegangen und hat ihr Medium zur Kunst erhoben.

Warren Tricomi, aus der Serie White on Black | © Roxanne Lowit

Roxanne Lowits Arbeiten wurden in vielen der wichtigsten Museen der Welt ausgestellt, darunter das Metropolitan Museum of Art, das Whitney Museum of American Art, das Victoria & Albert Museum, das Warhol Museum und das Museum of Modern Art in Moskau. Ihre Fotografien sind Teil der ständigen Sammlung des renommierten Kobe Fashion Museum in Japan. Ausserdem war sie in Einzelausstellungen in New York, Paris, Berlin, Amsterdam und London sowie in Gruppenausstellungen in der Gagosian Gallery, bei Colette und der Art Basel Miami zu sehen.

Anne Slater and Foxy Brown | © Roxanne Lowit

Roxanne hat vier Bücher veröffentlicht, die ihre einmaligen Bilder zeigen. Moments (1990) und People (2001) sind visuelle Zeitkapseln des internationalen Nachtlebens. Backstage Dior (2009), mit einem Vorwort von John Galliano, und Roxanne Lowit Photographes Yves Saint Laurent (2014), mit einem Vorwort von Pierre Berge, konzentrieren sich auf die unnachahmliche Kreativität und unvergleichliche Energie dieser traditionsreichen Häuser.

Poppy Delevigne, Mary Charteris, and Clara Delevigne at the Club Monaco dinner at Derrière, October 2011 | © Roxanne Lowit

Lowits Fotografien sind seit langem eine feste Grösse in der amerikanischen, italienischen, französischen und deutschen Ausgabe der Vogue sowie in Vanity Fair, Tatler, GQ, W und zahlreichen anderen Publikationen. Zu ihren bahnbrechenden Arbeiten für die Werbung gehören denkwürdige Kampagnen für grosse Marken aus einer Vielzahl von Branchen, darunter Acura, Armani, Coca-Cola, DeBeers, Dior, Land Rover, Moët & Chandon und Vivienne Westwood. (Quelle: Roxanne Lowit)

Aus der Serie Backstage II | © Roxanne Lowit

Madame d'Ora…

d'Ora, Rosella Hightower, Danseuse de ballet, c.1955 © Vienne, Collection privée

Madame d'Ora - Dora Kallmus (1881-1963) eine bekannte Fotografin, die als Portraitfotografin in Wien arbeitete, das damals ein wichtiges kulturelles Zentrum und Labor der Moderne in Europa war und später im Paris der Années folles[1].

d'Ora, La danseuse Lizica Codreanu, c. 1927 © Vienne, Photoinstitut Bonartes

Als Vordenkerin war sie 1908 eine der ersten Frauen, die in Wien ein Fotostudio eröffneten. Vor allem Aristokraten, Schauspielerinnen und Modedesigner schätzten ihre künstlerische Intuition, ihr Talent, die Persönlichkeit ihrer Modelle zu erfassen und Kleidung und Accessoires zu arrangieren. Bald wurden ihre Bilder regelässig in Zeitschriften veröffentlicht.

d'Ora, Joséphine Baker. © Vienne, Photoinstitut Bonartes

1925 zog sie nach Paris, wo sie rasch von Haute-Couture-Häusern wie Balenciaga[2] und Chanel[3] gerufen wurde, um die eleganten Kleider zu fotografieren, die unter vielen anderen Tamara de Lempicka[4] und Josephine Baker[5]. Sie war eine wichtige Figur in der Kunstszene und schuf zahlreiche Atelierportraits der damals angesagten Persönlichkeiten, mit denen sie in der High Society ihrer Zeit verkehrte.

d'Ora, La sculptrice Bessie Strong-Cuevas dans une robe Pierre Balmain, 1953 © Hambourg, Museum für Kunst und Gewerbe

Der Krieg erschütterte auch ihr Leben und ihre Arbeit. Als Jüdin verlor sie währen der Besatzung ihr Pariser Studio und musste sich mehrere Jahre lang in der Ardèche verstecken, wo ihre Familie und Freunde verfolgt wurden. Als sie nach 1945, nachdem sie alles verloren hatte, nach Paris zurückkehrte, hatte sie einen scharfen, aber empathischen blick auf die Opfer des Krieges und einen weitaus distanzierteren auf Glamour und Geld. Von den schillernden bis zu den dunkelsten Zeiten, von Avantgardekünstlern über mittellose Flüchtlinge bis hin zu einer erstaunlichen metaphorischen Arbeit über die Pariser Schlachthöfe erzählen Madame d'Oras Portrait auf unnachahmliche Weise von den Umwälzungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

d'Ora, Dans un camp de réfugiés, 1946-1948 © Hambourg, Museum für Kunst und Gewerbe

Die von Monika Faber und Magdalena Vukovic kuratierte Ausstellung im Pavillon Populaire in Montpellier zeigt Sammlungen von Vintage-Abzügen aus Museen in Wien, Linz, Hamburg, Berlin und Paris zusammen mit einer umfangreichen Dokumentation, die den historischen Kontext illustriert.

d'Ora, Tête de veau fendue, c. 1949-1957 © Collection Fritz Simak

Monika Faber war Kuratorin am Museum Moderner Kunst in Wien und danach Chefkuratorin der Fotosammlung der Albertina. Seit 2011 ist sie Direktorin des Photoinstitut Bonartes in Wien, das sich der Erforschung der historischen Fotografie in Österreich und Mitteleuropa widmet. Sie ist ausserdem Autorin zahlreicher Publikationen über die Geschichte der Fotografie.

d'Ora, Dans le camp de réfugiés "Hôtel Europe" à Salzbourg, 1948 © Vienne, Photoinstitut Bonartes

Magdalena Vukovic ist Fotohistorikerin und Ausstellungskuratorin, spezialisiert auf Fotografie in Österreich bis zu den 1950er Jahren. Seit 2011 arbeitet sie als Kuratorin am Photoinstitut Bonartes in Wien. In ihrer Arbeit bevorzugt sie einen interdisziplinären Ansatz und arbeitet eng mit Forschern aus verschiedenen Bereichen zusammen.

d'Ora, Chapeau par Krieser, 1910 © Vienne, Collection privée

Der Pavillon Populaire in Montpellier im französischen Département Hérault. Er wurde von im Stil der Neorenaissance 1891 nach einem Entwurf des Architekten Léopold Carlier gebaut. Der Pavillon Populaire war bis in die 1980er Jahre das Zentrum der wichtigsten Volksfeste der Stadt. 1991 wurde der Pavillon nach den Plänen des Pariser Architekten François Pin renoviert. Dabei wurden im zentralen Raum die Trennwände entfernt. Seither wurde er für Wechselausstellungen des Musée Fabre genutzt. 1993 übernahm die Fotogalerie Espace Photo Angle den Pavillon des Fabre-Museums anlässlich einer Ausstellung von Picasso-Lithografien. Seit 2001 ist der Pavillon für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich. Er veranstaltet durchschnittlich drei Fotoausstellungen pro Jahr.

d'Ora, Chaussures en cuir verni noir par Pinet, c. 1937 © Vienne, Photoinstitut Bonartes

Die Ausstellung La Surface et la Chair. Madame d'Ora, Vienne-Paris, 1907-1957 im Pavillon Populaire in Montpellier kann bis am 16. April 2023 besucht werden.

d'Ora, Les danseurs de Anita Berber et Sebastian Droste dans "Suicide", 1922 © Vienne, Collection privée

[1] Die Années folles (die goldenen Zwanziger) waren das Jahrzehnt der 1920er Jahre in Frankreich. Sie wurden geprägt, um die reichen sozialen, künstlerischen und kulturellen Kooperationen dieser Zeit zu beschreiben. Die gleiche Zeit wird in den USA auch als Roaring Twenties oder Jazz Age bezeichnet. (Quelle: Wikipedia)

[2] Balenciaga ist eine 1917 von Couturier Cristóbal Balenciaga in San Sebastián gegründete Marke für Damen- und Herrenmode sowie Lederwaren und Parfüm. Sie hat seit 1937 ihren Sitz in Paris und gehört seit 2001 zum Kering-Konzern. (Quelle: Wikipedia)

[3] Chanel S.A.S. heisst der von Gabrielle "Coco" Chanel gegründete Modekonzern mit Sitz in Neuilly-sur-Seine bei Paris. Chanel gehört weltweit zu den grössten und bedeutendsten Unternehmen in der Mode- und Kosmetikbranche.

[4] Tamara de Lempicka wurde am 16. Mai 1898 in Warschau in Polen als Maria Rozalia Gurwik-Górska geboren und verstarb am 18. März 1980 in Cuernavaca in Mexiko. Sie ist eine der wenigen Künstlerinnen der Ära, die einem breiten Publikum bekannt sind, und gilt als das Gesicht der Art-Déco-Malerei. (Quelle: Wikipedia)

[5] Josephine Baker wurde am 3. Juni 1906 in St. Louis, Missouri als Freda Josephine McDonald geboren und verstarb am 12. April 1975 in Paris. Sie war Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin. 1937 nahm die gebürtige US-Amerikanerin die französische Staatsbürgerschaft an. Im zweiten Weltkrieg gehörte sie der Résistance und den Streitkräften des Freien Frankreich an. (Quelle: Wikipedia)

TIN CAN…

Ghost Dance | © Stephan Wittmer

Tin Can - die Blechdose ist Namensgeberin des neuen Buches von Stephan Wittmer. Wenn man sich das Buch durchblättert, fallen nicht wirklich viele Blechdosen auf. Was aber auffällt sind die vielen Alltagsgegenstände, die auf eine spezielle Art und Weise in den Vordergrund gerückt werden oder all die skurrilen Szenerien von scheinbar Alltäglichem am Wegrand.

Prairie TV | © Stephan Wittmer

Sei es das Kinoambiente mitten in der Pampa - wobei es sich mehr um einen platzierten oder doch viel mehr entsorgten TV geht, der vor einem möglicherweise Lieblingsküchenstuhl vom Grossvater steht und man sich in Gedanken in die belebte Küche versetzt fühlt, während über die Röhre ein Footballspiel übertragen wird und die Kids ungeduldig sind, weil er seine Aufmerksam ganz dem Spiel widmet und sein Bier trinkt…

Wide range | © Stephan Wittmer

Tin Can ist eine Art Aufarbeitung des umfangreichen Fotoarchivs von Stephan Wittmer. Es sind Aufnahmen, die während zahlriechen Reisen durch Arizona, Kalifornien, Colorado, New Mexico, South Dakota und weiteren Staaten in den USA in den Jahren  2012 bis 2019 entstanden sind. Bilder, die eine wahnsinnige Masse an Dingen, an Konsum, nicht mehr Gebrauchtem, aber auch einer scheinbar schier unendlichen Weite entstanden sind. Aus all den Bildern ist ein Buch entstanden, das einem Roadmovie gleicht, in dem die Tin Can oder einfach das Blech eine wichtige Rolle spielt und einem die Vergänglichkeit vor Augen bringt…

© Stephan Wittmer

Das Vorwort hat Sabine Gebhardt Fink geschrieben, weiter gibt es Texte von Daniel Blochwitz (KICKING A TIN CAN DOWN THE ROAD), Michael Rebosura (AMERIKA IM HEITEREN SPIEGEL DER FOTOGRAFIE), Diamon Hamer (ORTE), ein Gespräch (BRÜCHIGE ZEITKAPSELN) zwischen Jana Bruggmann und Stephan Wittmer und einen weiteren Text von Valeska Marina Stach (DER HIMMEL FÄLLT AUF DEN ASPHALT UND ZERFLIESST) zu lesen.

First Coffee | © Stephan Wittmer

Stephan Wittmer (*1957) ist in Erlinsbach (SO) aufgewachsen und studierte an der Schule für Gestaltung Luzern. Er ist Künstler, Kurator und Herausgeber des _957 Independent Art Magazines. Heute lebt und arbeitet er in Luzern.

Room Service | © Stephan Wittmer

Der Vexer Verlag wurde 1985 vom Künstler Josef Felix Müller in der Schweiz gegründet. Der Verlag ist das Ergebnis eines Dialogs mit Kunstschaffenden aus diversen Sparten, der beständig fortgeschrieben wird. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit Positionen aus den bildenden Künsten, der Literatur, der Musik, dem Film, der Fotografie und der Architektur und münden in unterschiedliche publizistische Formen und Formate. Die Spannbreite liegt zwischen nummerierten und signierten Kleinauflagen bis hin zu Publikationen in höherer Auflage. Vera Ida Müller, die Tochter des Gründers und ebenfalls bildende Künstlerin, hat in den letzten Jahren das Vexer Verlag Büro Berlin als Dependance etabliert und die Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden um den räumlichen Kontext Berlins und seine reichhaltige Kunstszene erweitert. Neben ihrer verlegerischen Arbeit organisiert sie im hauseigenen Showroom Veranstaltungen, wie Werkpräsentationen, Ausstellungen, Vorträge und Gespräche, die das Verlagsprogramm zum Inhalt nehmen und die Buchprojekte in neuem Licht erfahrbar machen.

Softice on stairs | © Stephan Wittmer

Framing Fantasy | © Stephan Wittmer

photoSchweiz 2023 oder die Nadel im Heuhaufen…

Südliches Madagaskar © Reto Albertalli mit UNICEF Schweiz 

"Wenn die Trinkwasserbrunnen ausgetrocknet sind, haben wir keine andere Wahl, als das Salzwasser zu trinken." 

Steigende Temperaturen und mehrere Jahre in Folge unzureichende Niederschläge im Süden Madagaskars haben zu einer der schlimmsten Dürren in der Geschichte des Landes und zu einer wachsenden Ernährungsunsicherheit in den Gemeinden geführt. 1,5 Millionen Menschen hungern in Madagaskar. Es wird erwartet, dass sich die Unterernährung bei Kindern in den kommenden Monaten vervierfachen wird, da sich die Dürre verschlimmert.

Seit gestern Freitag kann die photoSchweiz in der Halle 550 in Zürich-Oerlikon besucht werden. Wie jedes Jahr gibt es jede Menge Bilder auf Tischen ausgelegt und einige an der Wand hängend zu sehen. Nebst den Sonderausstellungen:

  • Black Madonna von Iris Brosch

  • Emil Meerkämpfer - ein Bohème der Fotografie-Historie

  • Directors Choice - eine Zusammenarbeit mit renommierten Fotofestivals der Welt

  • There is somthing about Soulmary - 4 Fotografierende, 4 freie Arbeiten, ein Modell

  • Vade Retros Santanas - eine fotografische Annäherung an Gion Mathias Cavelty

  • Mars photography with AI von Vera Mulyani

  • Die Sicht der Anderen - Im Angesicht des Lebensendes - 11 Hospiz-Patienten dokumentieren eine Woche lang ihren Alltag (in enger Zusammenarbeit mit dem Dachverband Hospize Schweiz)

  • Chöpf - Thomas Biasotto gibt einen Einblick in das Archiv von Emil Grubenmann

  • SOS MEDITERRANEE

  • Fotografie-Text-Synthesen von Jürg Halter

  • Médecins sans Frontières von Christina Simons

  • photoDuell - zwei Fotografinnen, ein Promi, eine Location - und je eine Stunde Zeit

  • Watching the world von Kurt Caviezel

  • This person does not exist von Philipp Wang

sind 179 Arbeiten von 5 Künstlerduos, 56 Fotografinnen und 118 Fotografen aus der ganzen Schweiz (mehrheitlich aus der Deutschschweiz) und dem Ausland (Deutschland, Italien, Spanien) zu sehen.

Frauen auf der Flucht / Libanon © Andrea Camen 

Im Jahr 2022 waren insgesamt über 100 Millionen (Quelle: UNO Flüchtlingshilfswerk, Okt. 2022) Menschen auf der Flucht. Weitaus mehr als ein Viertel davon sind Frauen. Die Flucht ist für Frauen oft gefährlicher und herausfordernder als für Männer. Andrea Camen reiste unter anderem in den Libanon, um einzelne und persönliche Geschichten von Flüchtlingsfrauen bildlich festzuhalten und zu dokumentieren.

Wenige Highlights, einige Altbekannte und viel Landschaftsfotografie und Streetphotography sind zu sehen. Auch an der photoSchweiz zeigt sich der momentane Trend zu Peoplephotography.

© Céline Müller

Susanne Müller 1937 aka Tante Zus, geboren und aufgewachsen in Laupen (Kanton Bern) in einer Hausarztfamilie. Gelernte Laborantin mit Spezialgebiet Blutgruppen, arbeitete in Florida und in Indien/Ceylon (heute Sri Lanka). Leistete Militärdienst bei den Sanitätstruppen. Nach der Pensionierung bekannt für ihre wunderbaren, selbstgestrickten Socken, welche viele Familienmitglieder mit trockenen und warmen Füssen durch ihre Armeezeit brachte. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist Bridge spielen.

Wie bei den letzten Besuchen fällt die Art und Weise der Präsentation auf. Die meisten Arbeiten liegen auf den Tischen ohne Rahmen, oft schlecht aufgezogen - man wird den Eindruck nicht los, dass es nur ums Dabeisein geht und nicht um eine tolle Präsentation. Als Besucherin unzähliger Ausstellungen fällt es schwer darüber hinweg zu sehen. Wer weiss, vielleicht wäre das Thema Präsentation und Kuration etwas für eine Masterclass und nicht nur für einen Hinweis wie man seine Arbeiten am besten präsentiert…

Aus Garbage City © Christian Bobst

Garbage City, ein Slumgebiet am Stadtrand von Kairo, Ägypten, ist das Zentrum der Müllsammler, der so genannten Zabbaleen. Der Slum hat eine ganze Wirtschaft entwickelt, die auf Recycling basiert. Er befindet sich in Manshiet Nasser, einem Viertel mit mehr als 260 000 Einwohnern auf einer Fläche von etwa 5 km2, von denen die meisten koptisch-orthodoxe Christen sind. Die Lebensbedingungen hier sind schlecht, oft fehlt es an grundlegender Infrastruktur wie Kanalisation, Strom und Wasser und überall liegt Müll, selbst auf den Dächern. Doch Manshiet Nasser ist auch ein spiritueller Ort. Im Herzen des Slums haben die Kopten eine riesige Höhlenkirche im Inneren des sagenumwobenen Mokattam-Bergs errichtet, der vor 1 000 Jahren durch die Kraft des Glaubens bewegt worden sein soll. Noch heute beweisen die Kopten hier, dass der Glaube Berge versetzen kann - zumindest Berge von Müll.

Hingehen kann sich dennoch lohnen - man trifft viele Bekannt und sieht vielleicht auch den einen oder anderen Promi in der Menge der Besuchenden. Die photoSchweiz dauert noch bis zum 10. Januar 2023.

Aus Guiding Light © Geraldine Haas

Die Bilder offenbaren den Betrachtenden eine plastisch und künstlich wirkende Natur. Sie zeigen eine geschönte Ästhetik, die vorbei an Kitsch und Ironie schrammen soll. In ihrer Arbeit interessiert sie die Spannung zwischen Vertrautem und Fremden, Wunschdenken und Realität, und der Sehnsucht nach Schönheit und deren Vergänglichkeit.

Wer Flohmärkte mag sollte heute Samstag oder morgen Sonntag an den photoFlohmarkt - ein neues, spontanes Format der photoSchweiz.

Ungewisse Reise, Sommer 2022 © Jean-Luc Grossmann 

Grönland ist der Ort, an dem man Eis in all seinen spektakulären Formen sehen kann. Gross, grösser und absolut riesig. Die Eisberge, die aus dem majestätischen Inlandeis herausgearbeitet wurden, bestehen aus dicht gepresstem Schnee, der vor Tausenden von Jahren gefallen ist. Wie schwerfällige Schauspieler in einem ewigen Drama bilden sie die Kulisse für ein nicht alltägliches Erlebnis. Im Winter, eingeschlossen im Packeis, sind sie wie gefrorene Teile im grossen Naturschauspiel, spektakulär und beeindruckend. Im Sommer werden sie zu riesigen schwimmenden Skulpturen, die sich auf eine lange und ungewisse Reise begeben und nur von Wind und Strömung gelenkt werden.

Amazing Moments © Markus Eichenberger

Amazing Moments ist eine Kollektion der schönsten Bilder aus 12 Jahren Schweizer Alpen Fotografie. Die ausgestellten Bilder entstanden in den letzten 2 Jahren an 3 verschiedenen Standorten: Schilthorn, Eggishorn und Stanserhorn. Sie entstanden während des Sonnenunter- und Sonnenaufgangs. Die magische Atmosphäre, welche durch das indirekte Licht entsteht, ist einzigartig und überrascht einem jedes Mal von Neuem.

Invisible Hands © Seerat Singh

Die Arbeit "Invisible Hands" konzentriert sich auf arbeitende Hände, die einen Teil unseres Lebens berühren, für uns aber oft unsichtbar sind. Es sind die Hände, die schaffen, bauen und flicken. Sie sind oft unsichtbar, aber mutig. Sie würfeln jeden Tag um ihre Existenz, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hände, die geschickt jeden Zentimeter abmessen, um Leben und Farbe in den Stoff zu bringen. Hände, die sich Schweiss und Schlamm aus dem Gesicht wischen, während sie Ziegel und Mörtel schleppen, die unsere Häuser bilden. Hände, die flicken, damit wir wieder in unseren alten Schuhen laufen können. Hände, die mit Geschick Edelmetall zu unbezahlbaren Traditionen und Festen formen. Hände, die den Mut haben, ihre Würde in ihre Handflächen zu legen, wenn sie um Almosen betteln, um sich zu ernähren. Hände, die ihre Kinder in den Schlaf wiegen, weil sie wissen, dass sie am nächsten Tag aufwachen und die Würfel noch einmal rollen müssen, unsichtbar für uns…

Archivgeschichte #3: Louise Dahl-Wolfe

Natalie Paine, 1950 | © Louise Dahl-Wolfe

Louise Dahl-Wolfe ist am 19. November 1895 als Louise Emma Augusta Dahl als Tochter norwegischer Eltern in San Francisco geboren. 1914 begann sie ein Studium an der California School of Fine Arts (heute San Francisco Art Institute)  unter anderem bei Rudolph Schaeffer[1].

Virginia Stewart im Sonnenkleid von Joset Walker, Harper's Bazaar, Mai 1948 | © Louise Dahl-Wolfe

In den 1920er Jahren begann sie sich nach einer Ausstellung der Pictorialistin[2] Anne Brigman[3] für Fotografie zu interessieren. Obwohl Louise Dahl-Wolfe von Brigmans Arbeiten sehr beeindruckt war, begann sie erst in den frühen 1930er Jahren selbst zu fotografieren. Eine Reise mit der Fotografin Consuelo Kanaga[4] durch Europa in den Jahren 1927-28 weckte ihr Interesse an der Fotografie erneut. 1932, als sie mit ihrem Mann, dem Bildhauer Meyer Wolfe[5] in der Nähe der Great Smoky Mountains lebte, machte sie ihre erste veröffentlichte Fotografie - Tennessee Mountain Woman, die in der Vanity Fair erschien. Die Tennessee-Bilderserie, aus der dieses Portrait stammte, wurde 1937 auch von Edward Steichen in eine Ausstellung im Museum of Modern Art in New York aufgenommen.

Unter Sonnenschirmen, Januar 1959 , Vogue | © Louise Dahl-Wolfe

1933 zog sie nach New York City und eröffnete ein Fotostudio, das sie bis 1960 betrieb. In dieser Zeit arbeitete sie als Werbe- und Modefotografin für verschiedene Magazine wie Woman's Home Companion, Saks Fifth Avenue und Bonwit Teller. 1936 wurde sie von Carmel Snow[6] als Modefotografin für Harper's Bazaar eingestellt, für die sei bis 1958 arbeitete. Danach nahm sie bis zu ihrer Pensionierung 1960 freiberufliche Aufträge von Vogue und Sports Illustrated an. Louise Dahl-Wolfe fotografierte vor allem im Freien und mit natürlichem Licht, beides zu dieser Zeit ein Novum. Für ihre Modeaufnahmen bereiste sie viele Regionen der Erde, darunter Südamerika und Afrika.

Nude in Mojave Desert, California, 1948 | © Louise Dahl-Wolfe

Neben Modeaufnahmen machte Louise Dahl-Wolfe auch Portraits u. a. von W. H. Auden, Josephine Baker, Cecil Beaton, Coco Chanel, Colette, Christian Dior, Edward Hopper, Christopher Isherwood, Carson McCullers, Orson Welles, Eudora Welty und Mae West. Zudem gilt sie als "Entdeckerin" der jungen Lauren Bacall[7].

Dappled Nude, 1940 | © Louise Dahl-Wolfe

Louise Dahl-Wolfe war in den Anfängen der Farbmodefotografie besonders für ihre hohen Ansprüche an die Reproduktion ihrer Bilder bekannt. Ihr Beharren auf Präzision bei den von ihren Negativen hergestellten Farbdias führte zu atemberaubenden Abzügen, deren subtile Farbtöne und ungewöhnliche Farbabstufungen in den 1940er und 1950er Jahren den Standard für Eleganz setzten. Mit ihrem Stil feiere sie grosse Erfolge und hatte einen dauerhaften Einfluss auf spätere Grössen der Modefotografie wie Horst P. Horst[8], Irving Penn[9] und Richard Avedon[10].

Ohne Titel, 1940 | © Louise Dahl-Wolfe

Darüber hinaus leistete sie Pionierarbeit für das aktive und zugleich anspruchsvolle Bild der "Neuen Frau", indem sie kunsthistorische Themen und Konzepte in ihre Fotografien einfliessen liess.

Lauren Bacall, 1957 | © Louise Dahl-Wolfe

Louise Dahl-Wolfe starb am 11. Dezember 1989 Nashville. Ihr Nachlass ist im Center for Creative Photography (CCP) in Tucson, Arizona untergebracht.

Glamouröse und anspruchsvolle Fotoshootings in Farbe | © Louise Dahl-Wolfe

[1] Rudolph "Rudy" Frederick Schaeffer (26. Juni 1886 - 5. März 1988) war ein amerikanischer Kunstpädagoge und Künstler, der der Arts-and-Crafts-Bewegung nahestand. Er war Gründer der Rudolph Schaeffer School of Design, einer Schule mit Sitz in San Francisco, die mehr als 50 Jahre lang Designer, Architekten, Innenarchitekten, Lehrer und Koloristen ausbildete. Er war einer von vielen Pionieren in der Farbfeldforschung und wird für die Etablierung der Stadt San Francisco als internationales Designzentrum verantwortlich gemacht. (Quelle: Wikipedia)

Senator John F. and Jacqueline Kennedy, Virginia, 1953 | © Louise Dahl-Wolfe

[2] Der Piktorialismus ist eine kunstfotografische Stilrichtung. Ziel des Stiles war es, nicht lediglich ein bloßes, einen Augenblick in der Realität festhaltendes Abbild des Motivs herzustellen, sondern eine symbolische Darstellung von Gemütszuständen oder grundlegenden Werten zu erzielen. Seine Blütezeit fand der Piktorialismus zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg, in Japan noch bis etwa 1925; piktorialistische Fotografien wurden allerdings teilweise noch bis zum Ende der 1950er Jahre angefertigt. (Quelle: Wikipedia)

Christian Dior in seinem Millhouse, Paris, 1946 | © Louise Dahl-Wolfe

[3] Anne „Annie“ Wardrope Nott Brigman (* 3. Dezember 1869 im Nuuanu Valley bei Honolulu, Hawaii; † 8. Februar 1950 in Eagle Rock bei Los Angeles, Kalifornien) war eine amerikanische Kunstfotografin, Lyrikerin und eines der ersten Mitglieder der Photo-Secession. Ihre bekanntesten Aufnahmen entstanden zwischen 1900 und 1920 und zeigen zumeist weibliche Akte in einem ursprünglichen, naturalistischen Kontext. (Quelle: Wikipedia)

Inga trägt einen gelben Wollmantel von Original Modes, Januar 1947 | © Louise Dahl-Wolfe

[4] Consuelo Delesseps Kanaga (25. Mai 1894-1978) war eine amerikanische Fotografin und Schriftstellerin, die durch ihre Fotografien von Afroamerikanern bekannt wurde. (Quelle: Wikipedia)

Iris posierend mit Abstraktionen, 1958 | © Louise Dahl-Wolfe

[5] Meyer (Mike) Wolfe (1897-1985), auch bekannt als Meyer R. Wolfe, war ein amerikanischer Bildhauer. Sein bestes Werk ist repräsentativ für eine Schule des regionalen Realismus, die in den 1930er Jahren als Reaktion auf den europäischen Modernismus entstand. Wolfe wurde in Louisville, Kentucky, geboren und wuchs in Nashville, Tennessee, auf. Nach seinem Studium in Chicago an der Academy of Fine Arts und an der Art Students League of New York bei John French Sloan ging er nach Paris, um bei Pierre Lauren an der Académie Julian zu studieren. Seine Lithografie Red Eye's Hall von 1934 befindet sich in der Library of Congress. Seine Werke Mooneys Place, Women Bathing und Brother Matthew Preaching befinden sich im Smithsonian American Art Museum. Er unterstützte Louise Dahl-Wolfe in ihrer fotografischen Karriere, indem er Hintergründe für ihre Aufnahmen malte und bei geschäftlichen Problemen half. (Quelle: Wikipedia)

Carole Lombard mit Beau Brummel am Set von Fools For Scandal, für Harper's Bazaar, März 1938 | © Louise Dahl-Wolfe

[6] Carmel Snow, geborene White (* 21. August 1887 in Dalkey; † 7. Mai 1961 in New York City), war eine US-amerikanische Modejournalistin irischer Herkunft und von 1934 bis 1958 Chefredakteurin des US-amerikanischen Modemagazins Harper’s Bazaar. Von den 1930er bis in die 1950er Jahre galt sie in der amerikanischen Modebranche als tonangebend. (Quelle: Wikipedia)

Zwillinge mit Elefanten, Sarasota, 1947 | © Louise Dahl-Wolfe

[7] Lauren Bacall (* 16. September 1924 in der Bronx, New York, als Betty Joan Perske; † 12. August 2014 in Manhattan, New York) war eine US-amerikanische Schauspielerin. Sie zählte zu den Leinwandlegenden der "goldenen Ära" Hollywoods und spielte während ihrer 68 Jahre langen Karriere an der Seite von Stars wie John Wayne, Rock Hudson, Gary Cooper, Marilyn Monroe, Tony Curtis, Kirk Douglas und ihrem Ehemann Humphrey Bogart. Zu ihren berühmtesten Filmen gehören ihr Leinwanddebüt Haben und Nichthaben (1944), die Thriller Tote schlafen fest (1946) und Gangster in Key Largo (1948), die Liebeskomödie Wie angelt man sich einen Millionär? (1953) sowie der Film Liebe hat zwei Gesichter (1996), für den sie den Golden Globe Award und eine Oscar-Nominierung erhielt. In den 1970er Jahren feierte Bacall ausserdem grosse Erfolge als Theaterschauspielerin am Broadway. Für ihre Darstellungen in den Musicals Applause und Woman of the Year wurde sie mit dem Tony Award ausgezeichnet. Das American Film Institute wählte sie 1999 auf Platz 20 der 25 grössten weiblichen Filmstars. 2009 erhielt sie den Ehrenoscar für ihr Lebenswerk. (Quelle: Wikipedia)

Lauren Bacall, Saint Augustine, Florida, USA, 1943 | © Louise Dahl-Wolfe

[8] Horst P. Horst (* 14. August 1906 in Weißenfels als Horst Paul Albert Bohrmann; † 19. November 1999 in Palm Beach Gardens, Florida, USA) war ein amerikanischer Fotograf deutscher Herkunft. Er wurde durch seine Fotos für die Modezeitschrift Vogue und für seine Porträts berühmter Zeitgenossen bekannt. Er wird zu den bedeutenden Modefotografen des 20. Jahrhunderts gezählt. (Quelle: Wikipedia)

Rio de Janeiro, Brasilien, 1947 | © Louise Dahl-Wolfe

[9] Irving Penn war einer der grossen Fotografen des zwanzigsten Jahrhunderts, bekannt für seine fesselnden Bilder und seine meisterhafte Drucktechnik. Obwohl er mehr als sechzig Jahre lang als einer der Top-Fotografen der Zeitschrift Vogue gefeiert wurde, war Penn ein äusserst privater Mensch, der das Rampenlicht mied und seine Arbeit mit ruhiger und unermüdlicher Hingabe verfolgte. In einer Zeit, in der die Fotografie in erster Linie als Kommunikationsmittel verstanden wurde, näherte er sich ihr mit dem Blick eines Künstlers und erweiterte das kreative Potenzial des Mediums sowohl in seinem beruflichen als auch in seinem privaten Schaffen. (Quelle: The Irving Penn Foundation)

Rita Touhy auf dem Balkon des MoMA, 1940 | © Louise Dahl-Wolfe

[10] Richard Avedon (1923-2004) wurde in New York City geboren und lebte dort. Sein Interesse an der Fotografie wurde schon früh geweckt, und mit zwölf Jahren trat er dem Kameraclub der Young Men's Hebrew Association (YMHA) bei. Er besuchte die DeWitt Clinton High School in der Bronx, wo er zusammen mit James Baldwin die Literaturzeitschrift der Schule, The Magpie, herausgab. Im Jahr 1941 wurde er zum Poet Laureate of New York City High-Schools ernannt. (Quelle: The Richard Avedon Foundation)

Natalie in Grès coat, Kairouan | © Gift of Louise Dahl Wolfe, 1982, Center for Creative Photography, Arizona Board of Regents

ANITA'S POINT OF VIEW // Hommage an Anita Neugebauer

Bas de Schiapparelli, 1939 | © Gisèle Freund

Anita Neugebauer (1916-2012) gründete 1976 die erste Fotogalerie der Schweiz und setzte sich die Vermittlung von internationaler und nationaler Fotografie zum Ziel. Mit ihrer Galerie-, Ausstellungs- und Sammeltätigkeit wurde sie zu einer wichtigen Wegbereiterin für die weitere Entwicklung der Fotografie in der Schweiz. In der diesjährigen Ausgabe widmet die photo basel mit der Ausstellung ANITA’S Point of View eine Hommage der Person, die so viel für die Schweizer Fotografie getan hat.

Untitled, 1978 | © Derek P. Bennett

Die Leidenschaft für Fotografie zeigte sich bei Anita Neugebauer, die 1916 in Berlin geboren wurde, bereits nach dem Schulabschluss. Sie besuchte eine Fotoschule und erlernte die Fotografie von der Pike auf. Unter der Bedrohung von Hitlers Antisemitismus wanderte sie mit ihrer Mutter 1938 nach Buenos Aires aus und zog 1947 mit ihrem Ehemann, dem Mediziner Josef Neugebauer, nach Basel. Es folgten einige Jahre in denen sich Anita Neugebauer dem Familienleben widmete, bevor sie sich wieder intensiv der Fotografie zuwandte. Ein Wiedereinstieg in den fotografischen Beruf kam für sie nicht mehr in Frage, da sie ihrer eigenen Ansicht nach mit den neuen Technologien nicht mehr vertraut war. Da sie trotzdem stets grosses Interesse an der Fotografie und dem Kontakt mit Fotografierenden hegte, entschied sie sich einen anderen Weg einzuschlagen.

The Table, 1984 | Christian Vogt

Der Gedanke eine Fotogalerie in der Schweiz zu eröffnen war in den 1970er Jahren kein naheliegendes Unterfangen. Während in den USA die Fotografie bereits seit den 1950er Jahren einen Platz in Museen und Galerien hatte, hinkte die Schweiz hinterher. Erst mit der Gründung der Stiftung für die Photographie und deren Ausstellungstätigkeit im Kunsthaus Zürich 1974 wurde die Fotografie erstmals in der Schweiz in einem Kunstmuseum gezeigt. Dass Fotografie auch im Galerienkontext ausgestellt und verkauft werden kann, zeigte Neugebauer wenige Jahre später mit der Gründung ihrer Fotogalerie photo art basel 1976. Walter Binder, der gemeinsam mit Rosellina Burri-Bischof die Stiftung für die Photographie initiierte, beschrieb die Eröffnung von Neugebauers Fotogalerie als „eine Pioniertat weit über Basel hinaus“ und Charles-Henri Favrod, der spätere Gründer und Direktor des Musée de l'Elysée in Lausanne, bezeichnete Neugebauers neuen Ausstellungsraum als “la galerie des merveilles”. Anita Neugebauer war sich ihrer Pionierrolle, aber auch den damit zusammenhängenden Vorurteilen bewusst und schien insbesondere deshalb einen Reiz an der Vermittlung zu finden. Sie wollte der breiten Öffentlichkeit zeigen „was das ist – Fotografie“ und dass diese auch in der Schweiz ein fester Bestandteil der Kunstwelt und des Kunstmarktes sein sollte.

NYC, 1963 | © Lee Friedlander

Ihre Weggefährt:innen bezeichneten Anita Neugebauer als wahre Gastgeberin, die im Herzen Basels an der Adresse St. Alban-Vorstadt 10 einen 35 Quadratmeter kleinen White Cube mit Ausstellungen bespielte. „Meine Mutter suchte ganz Basel nach dem idealen Raum für ihr Vorhaben ab“, berichtet Claudia Neugebauer. „Der kleine Ausstellungsraum wurde zu einem Ort des Austausches: Fotograf:innen brachten ihre Mappen vorbei und präsentierten ihre Arbeiten, Besucher:innen verweilten lange in den Ausstellungen, Freund:innen kamen stets vorbei – es war ein Kommen und Gehen und jeder wurde willkommen geheissen. Die Galerie photo art basel war ein lebendiger Treffpunkt für alle Fotoliebhaber:innen.“ Anita Neugebauer war sich allerdings auch der Macht des Bildes und ihrer heiklen Position, den schmalen Grat zwischen Ästhetik, Dokumentation und Kunst zu finden, bewusst. Obwohl sie selbst dem Holocaust entkommen war, stellte sie nie Werke aus, die nach Aufmerksamkeit schrien – sie lehnte es ab, die Betrachtenden durch Voyeurismus zu schockieren. Neben ihrer humanistischen Herangehensweise an die Themen der Fotografie verstand Neugebauer es gut, internationale Fotograf:innen mit nationalen sowie lokalen zu vermischen. Sie brachte angesehene Fotograf:innen aus aller Welt nach Basel – meist zum ersten Mal – und bot gleichzeitig bekannten und unbekannten Schweizer Fotograf:innen die Möglichkeit auszustellen. Die Eröffnungsausstellung ihrer Galerie widmete sie gleich dem französischen Fotografen Robert Doisneau und im weiteren Verlauf ihrer 30-jährigen Tätigkeit kuratierte Anita Neugebauer mehr als 100 Ausstellungen mit Fotografien von Jan Saudek, Édouard Boubat, Ruth Mayerson Gilbert, Hugo Jaeggi, Floris Neusüss, René Mächler, Monique Jacot, Roman Vishniac, Lee Friedlander und vielen weiteren. Bei dieser Auflistung darf auch die Fotografin Gisèle Freund nicht fehlen, die Anita Neugebauer bereits während ihrem Aufenthalt in Buenos Aires kennenlernte und mit der sie eine jahrelange, enge Freundschaft führte. Neben der regen Ausstellungs- und Vermittlungstätigkeit nahm die Galerie photo art basel als eine der ersten Fotogalerien an der Art Basel teil.

Ile de Kavoi, 1991 | © Monique Jacot

in Zusammenarbeit mit Claudia Neugebauer und der Fabian & Claude Walter Galerie bemühten wir uns, einen intimen Einblick in die Welt von Anita Neugebauer zu geben. Ziel dieser Hommage ist es nicht, Fotografien zu einem bestimmten Thema oder einer ausgewählten Zeitspanne zu zeigen, sondern vielmehr Anita Neugebauers Sicht auf die Fotografie sowie ihre Freude und Leidenschaft gegenüber dem Medium zu vermitteln und dadurch Anita's Point of View zu präsentieren.

Tangierende Kreise 2, 1991 | © René Mächler

Archivgeschichte #2: Claire Anita Aho Brofeldt…

Untitled, Late 50's | © Claire Anita Aho Brofeldt

Claire Anita Aho Brofeldt (1925 – 2015), war eine finnische Fotografin. Sie wurde in Helsinki als Tochter des finnischen Filmregisseurs Heikki Aho[1] (Sohn des finnischen Schriftstellers Juhani Aho[2] und der Künstlerin Venny Soldan-Brofeldt[3]) und der aus Litauen stammende Tänzerin Dinah Selkina geboren.

Time, Mid 1960's | © Claire Anita Aho Brofeldt

Im Alter von 10 Jahren erhielt sie ihre erste Kamera. Sie war in vielerlei Hinsicht eine Pionierin – als Frau, die seit den späten 1940er Jahren als Werbefotografin arbeitete, zu einer Zeit, als kaum eine Frau in diesem Bereich tätig war, in ihrer Verwendung von Farbfotografie und in ihrer einzigartigen fotografischen Mischung aus Stil, Witz und Vitalität.

 

© Claire Anita Aho Brofeldt

Ihre Karriere begann sie in den 1940er Jahren bei der Firma Aho & Soldan, die sich im Besitz ihrer Familie befand. In den 1950er und 1960er Jahren war sie eine frühe Befürworterin der Farbfotografie in Finnland.

 

The woman in the Window, Early 1950's | © Claire Anita Aho Brofeldt

1974 zog Claire Anita Aho Brofeldt nach Schweden, wo sie als Fotografin für mehrere Zeitungen (Hufvudstadsbladet) und für das Nordische Museum arbeitete.

 

Stainless Finland, Mid 1960's | © Claire Anita Aho Brofeldt

Sie war nicht nur Fotografin, sondern auch Filmemacherin. Sie wurde bekannt für Pekka und seine Schule (1961), Laulu meren kaupungista (1950) und Jean Sibelius zu Hause (1961).

 

Penguins, Mid 1950´s | © Claire Anita Aho Brofeldt

Ihre Arbeiten wurden unter anderem in Kiel und London ausgestellt. 2011 fand in Helsinki eine grosse Retrospektive statt.

 

Marimekko II, Mid 1960's | © Claire Anita Aho Brofeldt

Sie starb am 29. November 2015 in Stockholm bei einem Brand in ihrem Haus.

[1] Heikki Taavetti Aho (1895 - 1961) gilt als ein Pionier des finnischen Dokumentarfilms. Aho arbeitete mit seinem Halbbruder Björn Soldan (1902-1953) zusammen und begründete mit seiner Filmproduktionsfirma Aho & Soldan (1925-1961) die finnische Dokumentarfilmtradition. Aho & Soldan wurde 1925 in Helsinki gegründet, um ein visuelles Bild von Finnland als junge Nation zu vermitteln. (Quelle: Wikipedia).

[2] Juhani Aho, eigentlich Juhani Brofeldt (1861 - 1921), war ein finnischer Schriftsteller und Journalist. Juhani Aho stammte aus einem pietistischen Elternhaus, in dem die Lektüre weltlicher Literatur nicht geduldet wurde. Sein Vater Henrik Gustaf Theodor Brofeldt war Propst in Lapinlahti; seine Mutter war Karolina Fredrika Emelie Snellman. Aho studierte von 1880 bis 1884 Geschichte und Literatur in Helsinki. Schon während des Studiums war er freiberuflich für verschiedene finnische Zeitungen tätig. Er war auch der Mitbegründer der Zeitung Päivälehti. Dadurch wurde er u. a. zu einer der wichtigen Persönlichkeiten im Jungen Finnland, eine Gruppe, die in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts neue Gedanken zu Gesellschaft, Kunst und Moral in Finnland formulierte. (Quelle: Wikipedia)

[3] Venny Soldan-Brofeldt (1863 - 1945) war eine finnlandschwedische Malerin, Illustratorin, Bildhauerin, Fotografin und Designerin. (Quelle: Wikipedia)

The Lives of Women…
Mädchen springt über eine Mauer, 1967 | © Mary Ellen Mark

Mädchen springt über eine Mauer, 1967 | © Mary Ellen Mark

Schnappschuss? Oder Inszenierung?

Zahlreiche Fotografien von Mary Ellen Mark, die ab 3.September 2021 im Rahmen des Fotofestivals Lenzburg im Stapferhaus zu sehen sind, oszillieren gekonnt zwischen diesen beiden Polen und schöpfen daraus ihre eigentümliche Kraft.

Amanda und ihre Cousine Amy, 1990 | © Mary Ellen Mark

Amanda und ihre Cousine Amy, 1990 | © Mary Ellen Mark

So zum Beispiel «Amanda and Her Cousin Amy»,1990.

Rechts der Bildmitte die kokett mit Zigarette posierende, beinahe erwachsen wirkende neunjährige Amanda, den Rauch den Betrachter*innen selbstbewusst entgegenblasend: «Here I am». Der Bildhintergrund wird von runden Formen bezeichnet – in erster Linie des aufblasbaren Kinderpools, in welchem Amandas Cousine Amy mit kindlich-perplexer Miene liegt: Der Bildrahmen «komprimiert» diesen formalen Kontrast und erzeugt eine eigentümliche Spannung, die sich zwischen aufgerichteter, selbstbewusster Amanda und passiv-unbewegt daliegender Amy aufbaut.

Laurie in der Badewanne, Pavillon 81, 1976 | © Mary Ellen Mark

Laurie in der Badewanne, Pavillon 81, 1976 | © Mary Ellen Mark

Die 1940 in Philadelphia geborene und 2015 in New York verstorbene Fotografin realisierte zahlreiche Reportagen über marginalisierte gesellschaftliche Schichten und porträtierte mit der ihr eigenen Empathie und viel Respekt vornehmlich die zahlreichen «Leben der Frauen» («The Lives of Women»). Die Ausstellung im Stapferhaus, die bis 31. Juli in der Foto Colectania (Barcelona) gezeigt wurde, offenbart auch andere Facetten vom Schaffen Mary Ellen Marks – und ist eine kleine Schatztruhe mit vielen fotografischen Preziosen, die es zu entdecken gibt.

Tiny für Halloween gekleidet, 1983 | © Mary Ellen Mark

Tiny für Halloween gekleidet, 1983 | © Mary Ellen Mark

Mary Ellen Marks Welt war die Fotografie – wohlgemerkt, die analoge. Ihre Kamera, so schreibt sie in «On the Portrait and the Moment» (Reihe aperture, NY 2015), ermögliche ihr den Zutritt zu Welten, die sonst verschlossen gewesen wären: «[…] Ich erkannte, dass ich mit der Kamera eine besondere Beziehung zu Menschen aufbauen konnte; ich realisierte, dass die Welt offenstand; ich erkannte, wie viele Leute ich durch sie (die Kamera, d.V.) kennenlernen und wie viel ich von ihnen erfahren kann. […]»

Nilpferd und Darstellerin, 1989 | © Mary Ellen Mark

Nilpferd und Darstellerin, 1989 | © Mary Ellen Mark

Auch die Kuratorin von «The Lives of Women», Dr. Anne Morin, unterstreicht diesen Aspekt: «Mary Ellen Mark ist es gelungen, in die intimsten Sphären der marginalsten Schichten zu gelangen. Jede ihrer Reportagen ist deswegen auch ein Ausflug in die menschlichen Abgründe […].» Wobei der Ausdruck «Ausflüge» überdeckt, dass die Fotografin ihre Reportagen über längere Zeit vorbereitete und oft nur mit viel Geduld zu «ihren» Bildern kam – von vornherein offenstehende Türen fand sie selten. Nicht lockerlassen, mit Nachdruck sein Ziel verfolgen, Beharrlichkeit zeigen – und immer, wirklich immer die Kamera dabeihaben: Das wären einige von Mary Ellen Marks Ratschläge für angehende Fotograf*innen.

Die Familie Damm in ihrem Auto, 1987 | © Mary Ellen Mark

Die Familie Damm in ihrem Auto, 1987 | © Mary Ellen Mark

Während des Rundgangs durch die Ausstellung – zum Beispiel beim Anblick der Fotografien aus dem indischen Zirkus oder den zahlreichen bereits genannten Reportagen aus den marginalen Schichten – fällt auf, dass die Fokussierung oft direkt auf gleicher Höhe erfolgte. Diese Sicht auf die porträtierten Personen, eine, die mehrheitlich ohne perspektivische Verzerrung und damit rein optischen Zwecken dienende Manipulationen des Bildes auskommt, ermöglicht es, dass auch wir, die Betrachter*innen, diesen Menschen direkt und geradeheraus, nämlich «auf Augenhöhe», begegnen können – genau wie es die Fotografin intendiert hat.

Mutter Teresa gibt einem Sterbenden zu essen, Calcuta, India, 1980 | © Mary Ellen Mark

Mutter Teresa gibt einem Sterbenden zu essen, Calcuta, India, 1980 | © Mary Ellen Mark

Mary Ellen Mark erlangte durch ihre zahlreichen Bücher, Ausstellungen und redaktionellen Arbeiten für Zeitschriften weltweite Bekanntheit. Sie veröffentlichte Foto-Essays und Porträts in Publikationen wie LIFE, New York Times Magazine, The New Yorker, Rolling Stone und Vanity Fair. Über fünf Jahrzehnte lang reiste sie viel, um Bilder zu machen, die ein hohes Mass an Humanismus widerspiegeln. Sie gilt als eine der angesehensten und einflussreichsten Fotografinnen unserer Zeit. Ihre Bilder von den verschiedenen Kulturen der Welt sind zu Meilensteinen der Dokumentarfotografie geworden.

(Quelle: Homepage Mary Ellen Mark)

Junge Akrobatin in ihrem Wohnwagen, 2008 | © Mary Ellen Mark

Junge Akrobatin in ihrem Wohnwagen, 2008 | © Mary Ellen Mark

Gastautorin
Susanne Martínez García (Zürich, 1969) bewegt sich seit Abschluss des Gymnasiums 1989 beruflich im Schnittfeld zwischen Text und Bild. Zu den langjährigen Erfahrungen als Journalistin (Volksrecht, DAZ in Zürich), Werbetexterin und Redaktorin (bis Mai 2020 DER UTO, Zürich) kam 2012 ein M.A. als Kunsthistorikerin und Hispanistin (Universität Basel 2012) hinzu. Seit 2017 lebt und arbeitet sie in Barcelona und realisiert zahlreiche Projekte im Text- und Textilbereich.

Die Ausstellung "The Lives of Women" ist bis 28. November 2021 im Stapferhaus im Rahmen des Fotofestivals Lenzburg zu sehen.

Martin Linsi: Bilder 1972 - 2019…
Dôle, Frankreich, 2007 © Martin Linsi

Dôle, Frankreich, 2007 © Martin Linsi

"Bilder 1972 – 2019" oder "Photographs" ist eine Retrospektive über das fotografische Schaffen von Martin Linsi. Martin Linsi hat sich in den 1970er Jahre, in denen die klassischen Fotoreportagen immer mehr an Bedeutung verloren, dazu entschieden eine professionelle Fotografen Ausbildung zu machen und sich auf die Dokumentarfotografie zu fokussieren. In "Photographs" werden die verschiedenen Kapitel seiner Arbeit aufgezeigt, sei es eine Dokumentation über die Kohle- und Stahlindustrie Englands, Fundstücke am Strassenrand (Tierkadaver), andere Welten – ein Leben mit und im Zirkus oder ein Leben in einer alternativen Kommune -, Alltägliches und natürlich Landschaften. Egal welchem Kapitel ein Bild zugeordnet worden ist, strahlt es einen speziellen Charme aus und bleibt hängen…

Rottweil, Deutschland, 1972 © Martin Linsi

Rottweil, Deutschland, 1972 © Martin Linsi

Bernhard Echte schreibt in seinem Essay über die Unterschiede von Fotos und Bildern und der Herangehensweise solche zu machen. Er beginnt mit einer Anekdote von René Burri, die einen zum Schmunzeln bringt und gleichzeitig nachdenklich stimmt: "René Burri erzählte gerne die Geschichte, wie er in Zürich einmal Besuch von Henri Cartier-Bresson erhielt und er den berühmten Magnum-Kollegen abends um elf Uhr vom Bahnhof abholte. Man war gerade dabei, sich herzlich zu begrüssen, als Cartier-Bresson plötzlich stutzte, Burris Jacke zu betasten begann und ihn dann entsetzt fragte: "René, wo hast du deine Kamera?" Ein Fotograf, der ohne Kamera ausser Haus ging, und wollte er auch nur einen Kollegen nachts vom Bahnhof abholen, war für Cartier-Bresson kein wirklicher Fotograf. Man musste jederzeit bereit sein für den besonderen Moment, wie man ihn womöglich nur jetzt und dieses eine Mal erleben und festhalten konnte. Für einen wirklichen Fotografen war die Kamera nicht sein drittes, sondern sein eigentliches Auge. Denn erst die Kamera machte einen Menschen wahrhaft sehend; sie war schneller und präziser als dessen Wahrnehmung, sie konnte im gestaltlosen Fluss der Geschehnisse die besondere Situation erfassen und das sprechende Ereignis festhalten, sie machte aus dem Gesehenen erst ein gültiges Dokument – eindringlicher und beweiskräftiger las jedes noch so präzis formuliert Worte. […]

 Es ist also kein neues Phänomen die Augenblicke unbedingt festhalten zu wollen, um ein entsprechendes Beweisstück zu haben. Der Unterschied ist einzig, dass jeder und jede ein Mobile auf sich trägt und die Beweisstücke selbst aufnehmen kann…

Trevor, 1978 © Martin Linsi

Trevor, 1978 © Martin Linsi

Norbert Hummelt stellt in "Gegenzauber" Fotografien und Gedichte gegenüber, versucht Ähnliches aufzuzeigen seien es Bilder, die wir vor unserem inneren Auge bewahren oder Gedichte, die wir auswendig gelernt haben – egal ob freiwillig oder nicht. "Die Art und Dauer der Entstehung des fotografischen oder sprachlichen Bildes sagt allerdings nichts über die Dauer der Betrachtung; gerade von Gedichten weiss man, dass man sehr lange, unvernünftig lange, mit ihnen umgehen kann, sie können zu Begleitern werden, man trägt sie, wenn die Gedichte danach sind, auswendig mit sich herum, kann sie auf diese Weise mitnehmen, wohin auch immer, ohne jedes Speichermedium. Das lässt sich von Fotografien nicht behaupten; und doch komme ich auf dem Umweg des Nachdenkens über Gedichte der Eigenart von Marin Linsis Fotografien näher. […]

Leoni, 1996 © Martin Linsi

Leoni, 1996 © Martin Linsi

Martin Linsi, geboren 1956 in Thalwil, ist freischaffender Fotograf. Seine Ausbildung absolvierte er am Gloucestershire College of Art and Design (England), wo er 1978 mit dem Diplom des IIP (Institute of Incorporated Photographers) abschloss. Seitdem war er auf zahlreichen größeren und kleineren Einzel- und Gruppenausstellungen in der Schweiz präsent, beginnend 1978 im Strauhof Zürich und zuletzt 2011 im Schweizerischen Architekturmuseum Basel SAM und 2012 im Kraftwerk Kubel St. Gallen. Erste Buchpublikationen im Jahr 1981 («Variationen in Scharf», «Abbruch – wohin mit uns?»). Große Anerkennung fanden in den letzten Jahren sein fotografisches Porträt des Kantons Schwyz (2005) und die Dokumentation «Landschaften und Kunstbauten» (2010). Martin Linsi lebt in Einsiedeln.

Wädenswil, Schweiz, 1981 © Martin Linsi

Wädenswil, Schweiz, 1981 © Martin Linsi

Norbert Hummelt (*1962) ist in Neuss geboren und lebet heute in Berlin. Er studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Köln. In erster Linie verfasst er Lyrik und Essays, die in zahlreichen Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht wurden. Zudem übersetzt er Lyrik aus dem Englischen und Dänischen. Mit seinem zweiten Gedichtband "singtrieb2 wandte er sich stärker traditionellen Formen zu und näherte sich Konzepten der Romantik. Von 1988 bis 1992 war er Leiter der Kölner Autorenwerkstatt. Er lehrte unter anderem am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig.

Wädenswil, Schweiz, 1989 © Martin Linsi

Wädenswil, Schweiz, 1989 © Martin Linsi

Bernhard Echte (*1958) ist in Ludwigshafen am Rhein geboren. Er ist Verleger, Literaturwissenschaftler, Publizist und freier Ausstellungsmacher. Er war lange Jahre Leiter des Robert Walser-Archivs in Zürich und entzifferte zusammen mit Werner Morlang Walsers rätselhafte "Mikrogramme". Daneben gab er mehrere Bände der Werke und Briefe Friedrich Glausers heraus, edierte Hugo Ball, Marieluise Fleisser, Emmy Hennings, Franz Hessel und andere. Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Ausstellungsmacher produzierte er verschiedene Katalog-Publikationen.

Fünen, Dänemark, 1994 © Martin Linsi

Fünen, Dänemark, 1994 © Martin Linsi

Nimbus. Kunst und Bücher wurde 1996 von Bernhard Echte gegründet und 2007 in eine AG umgewandelt. Seitdem publiziert NIMBUS ein Programm hochwertiger Kunst- und Fotobände sowie ausgewählter Ausstellungskataloge und belletristischer Titel für den Publikumsmarkt. Im Bereich der Kunstbücher erregte die bislang sechsbändige Dokumentation zum Kunstsalon Cassirer Aufsehen, aber auch eine Biografie zu Alfred Flechtheim oder ein Band zur Freundschaft von Paul Klee und Franz Marc. Im fotografischen Bereich arbeitet der Verlag mit einer Reihe renommierter Künstler wie Barbara Klemm, Stefan Moses, Erich Lessing und Pietro Donzelli zusammen. Vielversprechende Nachwuchsfotografen runden das Programm ab. Briefeditionen, Memoirenbände, Feuilletons, Faksimiles, Bildbiografien sowie ausgewählte zeitgenössische Romane sind in der literarischen Sparte von NIMBUS zu finden. 

Bilder 1972 - 2019 (ISBN 978-3-907142-86-8) kann direkt bei Nimbus. Kunst und Bücher oder im Buchhandel bezogen werden. 

Arbeiten aus "Bilder 1972 – 2019" können vom 15. – 17. Oktober 2021 im Museum Fram in Einsiedeln, vom 29. – 31. Oktober 2021 in der Kulturgarage Wädenswil und vom 11. – 21. November 2021 in der Photobastei in Zürich gesehen werden.

Archivgeschichten: Lynn Geesaman...
Damme, Belgium 1995. | © Lynn Geesaman

Damme, Belgium 1995. | © Lynn Geesaman

Lynn Geesaman schuf grossformatige, farbige Fotografien von öffentlichen Parks und formalen Gärten in den Vereinigten Staaten und Europa. In ihren äusserst ästhetischen Bildern, die die künstliche Natur dieser kultivierten Landschaften erforschen, werden Lynn Geesamans Geometrie und Form gegenüber dem Motiv verstärkt. Obwohl es keine Menschen gibt, ist das menschliche Eingreifen dennoch präsent durch den gepflegten Zustand der Hecken und die symmetrische Anordnung der Bäume.

Damme, Belgium,1995. | © Lynn Geesaman

Damme, Belgium,1995. | © Lynn Geesaman

In ihren Schwarz-Weiss-Fotografien, die 1992 und 1995 in Damme, Belgien, aufgenommen wurden, werden gleichmässige Reihen schlanker Bäume zu einer Reihe paralleler Linien, die entlang eines Kanals verlaufen oder an einem weit entfernten Fluchtpunkt zusammenlaufen. Eine neuere Farbfotografie, die 2004 in Damme aufgenommen wurde, setzt diese Linie fort und erinnert an die "Reissverschlüsse" von Barnett Newmans Leinwänden mit dem Baumstamm im Vordergrund, der die abgebildete Landschaft halbiert.

 
Parc de Sceaux, France, 2004 | © Lynn Geesaman

Parc de Sceaux, France, 2004 | © Lynn Geesaman

 
 
 

Diese Spannung zwischen Abstraktion und Repräsentation ist in vielen ihrer Arbeiten vorhanden und wird teilweise durch ihre spezielle Drucktechnik erreicht. Dieses Verfahren intensiviert die Farbe und verleiht ihren Fotografien eine weiche, fast unscharfe Qualität, die auch an die frühen Fotografen des Pictorialismus erinnert. Durch diese traumhaften Darstellungen knüpft die Künstlerin an die emotionale Grundstimmung an, die sie mit jedem der Orte, die sie fotografiert, verbindet, und kompensiert so den ursprünglichen, sehr formalen Look der Arbeiten. Durch ihren besonderen Einsatz von Farbe und Licht erzeugt Lynn Geesaman eine Spannung zwischen den stark strukturierten Landschaften und ihrer illusorischen, oder jenseitigen Natur.

Isabella Plantation, England 2009. | © Lynn Geesaman

Isabella Plantation, England 2009. | © Lynn Geesaman

Lynn Geesaman wurde 1938 in Cleveland, Ohio, geboren und schloss ihr Studium am Wellesley College mit einem Diplom in Physik ab. Sie hat zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen erhalten, darunter 1991 das Bush Foundation Artist Fellowship und 1993-1994 den National Endowment for the Arts Regional Visual Arts Fellowship Award for the Midwest. Zum Werk von Lynn Geesaman sind drei Monografien erschienen: "Poetics of Place", 1998, "Gardenscapes", 2004, und "Hazy Lights and Shadows: Lynn Geesaman", 2007.

 
Chateau d'Esclimont, France, 1999. | © Lynn Geesaman

Chateau d'Esclimont, France, 1999. | © Lynn Geesaman

 

Lynn Geesaman, eine autodidaktische, international bekannte Künstlerin, starb am 29. Februar 2020, nachdem sie 15 Jahre lang an Demenz erkrankt war.

 
Beloeil, Belgium, 2004. | © Lynn Geesaman

Beloeil, Belgium, 2004. | © Lynn Geesaman

 

Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Institutionen ausgestellt, darunter das International Center of Photography, New York; das Houston Center for Photography; das Center for Photography at Woodstock, New York; das Tucson Museum of Art; das High Museum of Art, Atlanta; das Walker Art Center, Minneapolis; und das Museum of Fine Arts, Santa Fe. Ihre Arbeiten sind in den Sammlungen des Whitney Museum of American Art, New York; Philadelphia Museum of Art; The Art Institute of Chicago; The Museum of Fine Arts, Houston; und der Bibliotheque Nationale de Paris vertreten.

 
Damme, Belgium | © Lynn Geesaman

Damme, Belgium | © Lynn Geesaman

 

Informationsquellen zu Lynn Geesaman: Yancey Richardson Gallery und Luli Primavera

 
Bernheim Arboretum, Kentucky, 2008. | © Lynn Geesaman

Bernheim Arboretum, Kentucky, 2008. | © Lynn Geesaman

 
Hodges Garden, Louisiana, 2000 | © Lynn Geesaman

Hodges Garden, Louisiana, 2000 | © Lynn Geesaman

Ironie des Alltags…
Ohne Titel (Stühle) © Mäddel Fuchs

Ohne Titel (Stühle) © Mäddel Fuchs

"Es sind beherzte Momentaufnahmen, liebevoll beobachtete Äusserungen eines Milieus oder einer Marotte, die einer hier aufspürt, die er einfängt in einer persönlichen Erzählweise, in eigenen starken Bildwelten und Bildsprachen, als fotografische Objets trouvés, Alltags- oder Naturgegenständen. Unter seinem Blick werden sie zu Kunstwerken"

Daniele Muscionico 

Ein Ungläubiger © Mäddel Fuchs

Ein Ungläubiger © Mäddel Fuchs

Die schwarz-weissen Bilder, die wohl zufällig aufgenommen worden sind, machen neugierig auf das Buch. Die Bilder schenken dem Betrachtenden ein Schmunzeln, manchmal ein breites Grinsen oder gar ein Kopfschütteln...  

Etwas irritierend ist die gewählte Schriftgrösse und die ab und an seltsame Bildplatzierung – das Buch muss oft gedreht werden, wenn man die Bilder nicht nur überfliegen möchte. Vermutlich gehört beides zum Konzept, um die Ironie der Situationen zu unterstreichen…

Ohne Titel (Schuppen in der Nacht) © Mäddel Fuchs

Ohne Titel (Schuppen in der Nacht) © Mäddel Fuchs

Informationen des Verlags: Ohne Chronologie lose zusammengeführt, bilden diese rund 170 Momentaufnahmen von Mäddel Fuchs einen besonderen Beitrag zur Geschichtsbetrachtung, wie er nur fotografisch zustande kommen kann. Das Buch schöpft aus dem umfangreichen Bestand des Schweizer Fotografen, aus vierzig Jahren kontinuierlichen Fotografierens. Erweisen sich einige Bilder als leicht zugänglich, verlangen andere eine vertiefte Auseinandersetzung, eine Beschäftigung mit Thema und Darstellung. Wieder andere sind an historische Ereignisse gebunden oder fordern die Betrachterinnen und Betrachter mit ihren Zeichen- und Sprachspielereien. 

Der begleitende Text der Kulturjournalistin Daniele Muscionico ergründet Mäddel Fuchs’ Bildwelten, vor allem aber seine Lust, umzudenken und dort Zusammenhänge zu entdecken, wo sich neue Wahrheiten und abgründige Gedankenräume auftun. Seine humorvollen und bisweilen satirischen Begegnungen mit dem Alltag zeigen die unendliche Vielfalt unserer Lebenswelt, von vergnüglich bis aufwühlend. All diesen lebenserhellenden Momenten ist das Buch gewidmet.

 

Schilderchaos © Mäddel Fuchs

Schilderchaos © Mäddel Fuchs

Mäddel Fuchs, geboren 1951, wuchs in Zürich und Trogen auf und wurde auf autodidaktischem Weg Fotograf. Bekannt ist er für seine fotografischen Langzeitprojekte zur landwirtschaftlichen und kulturellen Tradition des Appenzellerlands.

 

Voilà! © Mäddel Fuchs

Voilà! © Mäddel Fuchs

Daniele Muscionico, 1962 in Buchs im St. Galler Rheintal geboren, studierte an der Universität Zürich Germanistik und Kunstgeschichte. Sie arbeitet als Kulturredaktorin und Theaterkritikerin für die Neue Zürcher Zeitung und als Rezensentin für verschiedene deutsche Tageszeitungen. Seit Februar 2021 ist sie in einem Teilzeitpensum für CH Media tätig und betreut die nationale und internationale Kunst.

Freie Fahrt © Mäddel Fuchs

Freie Fahrt © Mäddel Fuchs

Scheidegger & Spiess gehört zu den führenden Schweizer Verlagen in den Bereichen Kunst, Fotografie und Architektur. In Zusammenarbeit mit renommierten Museen, Fotografinnen, Kunstschaffenden und Architekten werden sorgfältig konzipierte, lektorierte und gestaltete Bücher verlegt. Ein besonderes Augenmerk gilt der anspruchsvollen Ausstattung und Materialisierung. Rund die Hälfte der Titel erscheint auch in englischer Sprache. Das Verlagsprogramm ist dank der Zusammenarbeit mit kompetenten Marketing- und Vertriebspartnern weltweit präsent. Der Verlag gehört einer unabhängigen Eigentümerschaft und besteht aus engagierten Mitarbeitenden, die ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Stärken in die Arbeit einbringen. 

"Irgendwo und überall" (ISBN 978-3-03942-012-4) kann direkt bei Scheidegger & Spiess bestellt werden oder im Buchhandel bezogen werden.

 

Architekturfotografie des Kantonsspitals Graubünden…
Ansicht mit Chur im Hintergrund (S. 6/7) | © Albert Steiner

Ansicht mit Chur im Hintergrund (S. 6/7) | © Albert Steiner

Landab, landauf werden Spitäler neu gebaut, umgebaut und saniert, so auch das Kantonsspital Graubünden. Auf der Homepage des Kantonsspitals ist zu lesen:  

Mit SUN macht sich das Kantonsspital Graubünden bereit für die medizinische Entwicklung und die gesellschaftlichen Veränderungen der kommenden Jahrzehnte. Die neuen Gebäude H1 und H2, mit ihren 1'500 flexibel nutzbaren Räumen, ermöglichen eine ambulante und stationäre Behandlung auf höchstem Niveau und bieten dank Einschnitten und Lichthöfen eine offene Architektur. 

Es werden zusätzliche Behandlungsräume, aber keine Patientenzimmer geschaffen – ganz im Zeichen der Maxime "ambulant vor stationär".

Kantonsspital, Südseite (S. 10) | © Albert Steiner

Kantonsspital, Südseite (S. 10) | © Albert Steiner

Die Fotodokumentationen von Albert Steiner und Ralph Feiner zeigen nicht nur die Veränderungen von Spitalbauten, sondern auch die Entwicklung der Medizin, inkl. der entsprechenden Infrastruktur. Auffällig sind die Veränderungen in der Radiologie, der Operationssäle und in der Intensivmedizin. Wer zudem genau hinsieht, stellt auch fest, dass auf Albert Steiners Bilder oft Diakonissinnen[1] abgebildet sind, bei Ralph Feiner hingegen ist keine mehr zu sehen….

Haupteingang mit dem seitlichen Kontroll-Fenster für die Nachtwache (S. 12) | © Albert Steiner

Haupteingang mit dem seitlichen Kontroll-Fenster für die Nachtwache (S. 12) | © Albert Steiner

Walter Reinhart schreibt in seinem Essay "Am Puls der Zeit – Bilder eines Spitals" wie es zur Idee dieses Buchs kam und über die Entwicklung in der Medizin und der veränderten Ansprüche der Gesellschaft: Die Fotoserien dieses Buches aus zwei verschiedenen Zeitepochen sind Zeugen der Entwicklung der Spitalarchitektur, wie auch der Architektur im Allgemeinen. Auch wenn das Buch nicht primär die technischen Fortschritte in der Medizin über die Zeit darstellen will, führt es doch in aller Deutlichkeit vor Augen, wie vieles sich im Gesundheitswesen geändert hat. Aus dem Krankenasyl ist ein bedeutendes und florierendes Zentrumsspital geworden. Die Fotografien sagen auch etwas aus über die Entwicklung der Gesellschaft, die das Spital baute. Sie stehen für die Befindlichkeit, den Wohlstand und die Ansprüche der Gesellschaft. Unmerkliche Änderungen im Zeitwandel werden wahrnehmbar…

Patientenaufenthalt (S. 18) | © Albert Steiner

Patientenaufenthalt (S. 18) | © Albert Steiner

Karin Fuchs schreibt in ihrem Essay über die Geschichte der Finanzierung und der politischen Umstände damals und heute: Grosser Kostendruck im Spitalwesen und Personalmangel waren ausschlaggebend, dass ab 1999 der einschneidende Prozess der Neuorganisation des Spitalplatzes Chur mit dem Rätischen Kantons- und Regionalspital, dem Kreuzspital und der Frauenklinik Fontana in Gang gesetzt wurde. Nach langem Ringen wurden 2006 die drei Spitäler fusioniert und in eine neue Stiftung überführt. Die Leistungen den Kantonsspitals Graubünden wurden seither an drei Standorten, nämlich Hauptstandort, Kreuzspital und Fontana, erbracht. Stationäre Patienten verbrachten noch durchschnittlich fünf Tage im Kantonsspital Graubünden – ein völlig anderer Spitalbereich, der immer neue Anforderungen an zukünftige Spitalbauten stellt…

Röntgeninstitut mit neusten Geräten | © Albert Steiner

Röntgeninstitut mit neusten Geräten | © Albert Steiner

Bereits beim ersten Satz kann Stephan Kunz kaum widersprochen werden: Die Gegenüberstellung der beiden fotografischen Dokumentationen von Albert Steiner (1877 – 1965) und Ralph Feiner (*1961) ist aufschlussreich: Sie offenbart Unterschiede im Bild des Kantonsspitals und lässt uns mit vielen Beobachtungen und noch mehr Fragen zurück… 

Die Veränderungen lassen sich nicht aufhalten – auch wenn wir dies in manchen Situationen gerne möchten oder uns fragen; warum etwas so teuer und noch komplexer ist…

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Informationen des Verlages: 1941 wurde der berühmte Engadiner Landschaftsfotograf Albert Steiner damit beauftragt, das im selben Jahr fertiggestellte Rätische Kantons- und Regionalspital der Zürcher Architekten Fred G. Brun und Rudolf Gaberel in Chur zu fotografieren. Aus dem Auftrag an Steiner ist ein einmaliges Zeitdokument in Form gut erhaltener fotografischer Abzüge entstanden. 

Achtzig Jahre später wird das Grossprojekt «Sanierung, Umbau und Neubau» (SUN) des nun Kantonsspital Graubünden genannten Krankenhauses nach den Plänen des in Frauenfeld beheimateten Büros Staufer & Hasler realisiert. Den ersten Teil des Neubaus hat der bekannte Bündner Architekturfotograf Ralph Feiner im Jahr 2020 dokumentiert. 

In diesem Buch erzählen Albert Steiners analoge Fotografien und Ralph Feiners digitale Farbbilder von den Entwicklungen in der Fotografie und der Spitalarchitektur. Aus ihrem Blick auf die Bauten in Chur sind auch die gewandelte Bedeutung des Gesundheitswesens und die deutlich gesteigerten Ansprüche unserer Gesellschaft an Krankenhäuser ablesbar.  

Walter Reinhart ist ehemaliger Chefarzt des Kantonsspitals Graubünden und Präsident der Stiftung Bündner Kunstsammlung.

Untersuchungslabor (S. 36/37) | © Albert Steiner

Untersuchungslabor (S. 36/37) | © Albert Steiner

Albert Steiner (1877 – 1965) absolvierte 1892 eine Fotografenlehre bei Jean Moeglé in Thun. 1897 Anstellung beim Fotografen Fred Boissonas in Genf, 1906 bei Walther Küpfer in St. Moritz. 1909 Eröffnung eines eigenen Fotostudios in St. Moritz. Er entwickelte sich zu einem der herausragenden Schweizer Fotografen des 20. Jahrhunderts, bekannt für seine einzigartigen Landschaftsfotografien aus dem Engadin. Publikationen: 1927 Engadiner Landschaften; 1930 Schnee, Winter, Sonne; 1938 Die vier Jahreszeiten; 1992 Du grosses stilles Leuchten. 2005 Ausstellung Über Täler und Menschen – Albert Steiner. Das fotografische Werk im Bündner Kunstmuseum, Chur, und in der Fotostiftung Schweiz, Winterthur.

Hauptküche (S. 38) | © Albert Steiner

Hauptküche (S. 38) | © Albert Steiner

Ralph Feiner (*1961) eignete sich die Kunst der Fotografie autodidaktisch an. Seit 1995 als Architekturfotograf tätig, gilt er als Chronist der zeitgenössischen Architektur in Graubünden und darüber hinaus. Seine Fotografien wurden in zahlreichen Büchern und Architekturzeitschriften publiziert. Teilnahme an Gruppenausstellungen in Flims, Sydney, Basel, Chur und Zürich. Er erhielt 2013 den Anerkennungspreis der Stadt Chur und 2021 denjenigen des Kantons Graubünden.

Ansicht von der Südseite (S. 70/71) | © Ralph Feiner

Ansicht von der Südseite (S. 70/71) | © Ralph Feiner

Karin Fuchs (*1971), Studium der Allgemeinen Geschichte, des Völkerrechts und der Politologie an der Universität Zürich und der Sorbonne, Paris. Stipendium des Deutschen Historischen Instituts Paris, Lehraufträge Universität Zürich. 2003 Promotion (Dr. phil.). Seit 2005 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturforschung Graubünden. Autorin von Historischer Städteatlas der Schweiz: Chur (2011) und Baden und Trinken in den Bergen, Heilquellen in Graubünden, 16. – 19. Jahrhundert (2019).

Ansicht von der Südseite (S. 70/71) | © Ralph Feiner

Ansicht von der Südseite (S. 70/71) | © Ralph Feiner

Stephan Kunz (*1962), Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie in Zürich und Berlin. 1988 – 2011 Kurator am Aargauer Kunsthaus in Aarau. Seit 2011 Direktor des Bündner Kunstmuseums in Chur. Kuratierung von viel beachteten thematischen Ausstellungen. Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen, darunter 2013 der Katalog zur Ausstellung Ansichtssache. 150 Jahre Architekturfotografie in Graubünden.

Innenhof mit Lichtinstallation von Christoph Herdeg | © Ralph Feiner

Innenhof mit Lichtinstallation von Christoph Herdeg | © Ralph Feiner

Köbi Gantenbein (*1956), Studium der Soziologie an der Universität Zürich. Verleger und Chefredaktor von Hochparterre. Zeitschrift für Architektur und Design. Präsident der Kulturkommission des Kantons Graubünden. Mitherausgeber des Ausstellungskatalogs Ansichtssache. 150 Jahr Architekturfotografie in Graubünden (2013) und – zusammen mit dem Fotografen Ralph Feiner – Autor zahlreicher Reportagen und Bücher zur Baukultur Graubündens.

Hybrid-Operationssaal mit Angiografie-Anlage zur Darstellung von Blutgefässen (S. 118/119) | © Ralph Feiner

Hybrid-Operationssaal mit Angiografie-Anlage zur Darstellung von Blutgefässen (S. 118/119) | © Ralph Feiner

Walter Reinhart (*1948), Schulen in Winterthur, Studium der Humanmedizin in Zürich, Genf und Bern. Weiterbildung in Bern, St. Gallen und New York. 1987 Habilitation und 1992 Titularprofessor der Universität Bern, 1991 – 2013 Chefarzt und ärztlicher Direktor der Medizin am Kantonsspital Graubünden. Vizepräsident und seit 2019 Ehrenmitglied der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Seit 2012 Präsident der Stiftung Bündner Kunstsammlung.

Eckzimmer der Intensivstation (S. 124/125) | © Ralph Feiner

Eckzimmer der Intensivstation (S. 124/125) | © Ralph Feiner

Scheidegger & Spiess gehört zu den führenden Schweizer Verlagen in den Bereichen Kunst, Fotografie und Architektur. In Zusammenarbeit mit renommierten Museen, Fotografinnen, Kunstschaffenden und Architekten werden sorgfältig konzipierte, lektorierte und gestaltete Bücher verlegt. Ein besonderes Augenmerk gilt der anspruchsvollen Ausstattung und Materialisierung. Rund die Hälfte der Titel erscheint auch in englischer Sprache. Das Verlagsprogramm ist dank der Zusammenarbeit mit kompetenten Marketing- und Vertriebspartnern weltweit präsent. Der Verlag gehört einer unabhängigen Eigentümerschaft und besteht aus engagierten Mitarbeitenden, die ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Stärken in die Arbeit einbringen.

Schlaflabor (S. 126/127) | © Ralph Feiner

Schlaflabor (S. 126/127) | © Ralph Feiner

"Architekturfotografie des Kantonsspitals Graubünden" (ISBN 978-3-85881-689-4) kann direkt bei Scheidegger & Spiess bestellt werden oder im Buchhandel bezogen werden.

Küche (S134/135) | © Ralph Feiner

Küche (S134/135) | © Ralph Feiner

Anmerkung: Als Schreibende habe ich versucht meine Gedanken als Medizincontrollerin, die sich tagtäglich mit Kostenfragen herumschlägt und diese verständlich den Klinikern überbringen möchte, nicht zu sehr in den Beitrag einfliessen zu lassen. Er wäre nur aufgrund der Abbildungen von Diakonissen und der heutigen Situation in der Pflege zu politisch geworden. Geschweige denn von der komplexen Frage wie ein Neu-/Umbau oder eine (etappenweise) Sanierung finanziert werden könnte ausgeufert…


[1] Eine Diakonisse (weibliche Form von Diakon; griechisch Diener, Knecht), gelegentlich auch Diakonissin bezeichnet, lebt und dient in einer verbindlichen evangelischen Lebens-, Glaubens- und Dienstgemeinschaft (Schwesterngemeinschaft). / Quelle: Wikipedia

Die Verwandte...
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Als ich drei Wochen später zum letzten Mal die Wohnung betrat, war sie leergeräumt. Alle Wände freigelegt; die Bilder, die Spiegel, die Bücherregale und die Pendule hatten ihre Licht- und Staubabdrücke darauf hinterlassen. Auf dem Parkett die von Teppichen unterbrochenen Spuren des täglichen Gehens zum Tisch, an Sofa, Sesseln und Schrank vorbei. Da, wo mein Grossvater aufgebahrt gewesen war, lagen nun zwei Bananenschachteln auf dem Boden, gefüllt mit achtlos hineingeworfenen Fotografien und Alben. Meine Mutter hatte mich angerufen. Ich solle mir die Fotos anschauen kommen, das könne vielleicht interessant sein, hatte sie gesagt. Und: "Nimm Deine Kamera mit!" […]

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Mimi von Moos reflektiert in literarischen Texten den Beginn des Aufarbeitens des fotografischen Nachlasses ihrer Urgrosstante Anne-Marie von Wolff, über das Betrachten von Fotografien, die bei Familienangehörigen Erinnerungen an die unscheinbare Fotografin und Aussenseiterin evozieren. Gekonnt integriert sie Textfragmente aus den geführten Interviews mit Angehörigen… 

Die beste Ausgangslage wäre wohl, wenn man abgeklärt und gelassen, vollkommen ungerührt bleibt, wenn sich eine Kamera auf einen richtet. 

Damals musste man eine starke Persönlichkeit haben. Heute geht man zum Psychologen.

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Tine Melzer schreibt in ihrem Essay "Ein Album der Möglichkeiten" über mögliche Blickwinkel die Bilder aus dem Nachlass von Anne-Marie von Wolff zu betrachten, zu verstehen und sich trotz der fremden Menschen berühren zu lassen. Aspekte, auf die wir unsere Aufmerksamkeit lenken, können historisch-dokumentarisch sein – so sah es in der Zeit des Zweiten Weltkriegs in einigen Teilen der Schweiz aus – oder soziologisch – so hat sich eine wohlhabende bildungsbürgerliche-progressive Familie in Szene gesetzt. Genau da liegt eine Besonderheit dieses Nachlasses der Anne-Marie von Wolff: hier schafft nicht das Auge einer professionellen Fotografin, die zu Familienfesten und anderen repräsentativen Anlässen Portraits und Ansichten im Auftrag der Familie festhält; vielmehr sind die Bilder dem Zweck enthoben, repräsentativ und affirmativ zu sein. […]

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Der Verlag: Anne-Marie von Wolff (1893–1974) aus Luzern führte schon früh das Leben einer Aussenseiterin. Epileptische Anfälle als Kind, Tuberkulose und der Vorwurf, durch diese Erkrankung den Tod einer Nichte verursacht zu haben, drängten sie immer weiter aus dem sozialen Leben, machten sie aber möglicherweise auch zu jener aufmerksamen Beobachterin, die sie war. Ihre Kamera gab ihr einen Platz in der Welt und im Familiengefüge. Still und etwas streng soll sie gewesen sein, doch ihre Aufnahmen des Alltags in Luzern, der Sommerfrische in Les Mayens de Sion oder auf Schloss Mauensee beim Cousin, dem Journalisten und Schriftsteller Karl von Schumacher, zeugen von zärtlicher Zuwendung und überzeugen durch starke Kompositionen. Ihr künstlerisches Talent blieb zeitlebens unbeachtet. Das änderte sich, als die Urgrossnichte, Mimi von Moos zufällig bei ihrem Grossvater in einer Bananenschachtel einige ihrer Fotos entdeckte. Bis heute trug sie um die 1500 Schwarzweissaufnahmen aus den 30er- bis 50er-Jahren zusammen. 

Mimi von Moos’ literarische Texte reflektieren und erzählen aus heutiger Sicht über die Betrachtung dieser Fotografien und ihrer Zeit und sie versuchen ein Bild der beinah unsichtbaren Fotografin zu zeichnen. Die Verwandte ist eine Auseinandersetzung mit den vielen Aspekten des Fotografischen anhand eines aussergewöhnlichen Fundes. Transkribierte Statements aus Gesprächen mit Familienangehörigen und ein Essay der Künstlerin und Sprachphilosophin Tine Melzer begleiten diese kritische Beschäftigung. Sie führen tiefer in die leuchtende Bilderwelt jener Verwandten, die sich immer ein wenig abseits im Schatten aufgehalten hat.

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Mimi von Moos (*1969) ist in Luzern geboren und lebt und arbeitet heut in Basel und Rotterdam. 1993 erlangte sie an der Hochschule für angewandte Kunst ein Diplom in Schmuckdesgin. 2012 schloss sie mit dem Master of Fine Arts an der Hochschule für Gestaltung und Kunst, Basel ab. Seither war/ist sie an zahlreichen Ausstellungen und Projekten beteiligt.

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Tine Melzer (PhD) lebt in Zürich. Sie ist Autorin, Künstlerin und Forscherin mit Fokus auf Sprache. Wie in ihrem preisgekrönten Buch "Taxidermy for Language-Animals" (Rollo-Press) veröffentlicht, untersucht sie Sprachfragmente aus verschiedenen Praktiken - Philosophie, Literatur, visuelle Kunst - indem sie einige unserer sprachlichen Gewohnheiten und Werkzeuge nutzt. Sie ist ausserordentliche Professorin an der Hochschule der Künste Bern (HKB), wo sie derzeit zu Phänomenen des Aspektwechsels forscht. Ihre Arbeiten werden international ausgestellt und publiziert.

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Die Edition Patrick Frey hat seit ihrer Gründung 1986 mehr als 300 Bücher veröffentlicht. Der Verlag arbeitet in engen Kollaborationen mit hauptsächlich Schweizer, aber auch internationalen Künstlern zusammen. So entstehen einmalige Projekte in kleinen Auflagen. Die Edition Patrick Frey bietet jungen Künstlern eine Plattform und die Möglichkeit für eine erste Publikation. Ausserdem ist der Verlag in Langzeitkollaborationen mit renommierten Künstlern wie Walter Pfeiffer, Karen Kilimnik, Anne-Lise Coste, Peter Fischli & David Weiss und Andreas Züst involviert. Mit einem Output von etwa 20 Büchern pro Jahr, liegt der Fokus auf Fotografie, Kunst und auf Projekten, die Popkultur und das Alltägliche thematisieren.

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Die Verwandte. Aus dem fotografischen Nachlass von Anne-Marie von Wolff (ISBN 978-3-906803-91-3) kann direkt bei der Edition Patrick Frey oder im Buchhandel bezogen werden.

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BelleVue ist ein Ort in Basel, wo zeitgenössische Fotografie ausgestellt und diskutiert wird. Im kulturellen Wandel sind Orte wie BelleVue als «Kochtopf» kreativer und kritischer Ideen und innovativer Beiträge wichtig. Sie bieten die «Reibfläche» zum gängigen Mainstream. Wir bieten eine etablierte Plattform für zeitgenössische Fotografie, die regelmässig Werke bekannter Fotograf*innen und junger Talente in ihrem Ausstellungsraum einem breiten Publikum zugänglich macht.

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Am 3. Juni 2021 findet im BelleVue – Ort für Fotografie in Basel eine Buchpräsentation von "Die Verwandte. Aus dem fotografischen Nachlass von Anne-Marie von Wolff" mit Mimi von Moos statt.

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Ein singuläres Foto ist zwischen den anderen Fotos aufgetaucht, die sich einordnen und einfügen lassen in Bildgruppen, Serien und Reihen. Meine Recherchen ergeben zweifelsfrei, dass es auf dem Petersplatz in Rom aufgenommen wurde. Da es in dem zusammengetragenen Nachlass nur dieses eine Bild aus Italien gibt, vermute ich, dass ein grosser Bestand ihrer Fotografien im Laufe der Zeit verloren gegangen ist – oder noch gefunden werden muss.

Mimi von Moos