Madame d'Ora…

d'Ora, Rosella Hightower, Danseuse de ballet, c.1955 © Vienne, Collection privée

Madame d'Ora - Dora Kallmus (1881-1963) eine bekannte Fotografin, die als Portraitfotografin in Wien arbeitete, das damals ein wichtiges kulturelles Zentrum und Labor der Moderne in Europa war und später im Paris der Années folles[1].

d'Ora, La danseuse Lizica Codreanu, c. 1927 © Vienne, Photoinstitut Bonartes

Als Vordenkerin war sie 1908 eine der ersten Frauen, die in Wien ein Fotostudio eröffneten. Vor allem Aristokraten, Schauspielerinnen und Modedesigner schätzten ihre künstlerische Intuition, ihr Talent, die Persönlichkeit ihrer Modelle zu erfassen und Kleidung und Accessoires zu arrangieren. Bald wurden ihre Bilder regelässig in Zeitschriften veröffentlicht.

d'Ora, Joséphine Baker. © Vienne, Photoinstitut Bonartes

1925 zog sie nach Paris, wo sie rasch von Haute-Couture-Häusern wie Balenciaga[2] und Chanel[3] gerufen wurde, um die eleganten Kleider zu fotografieren, die unter vielen anderen Tamara de Lempicka[4] und Josephine Baker[5]. Sie war eine wichtige Figur in der Kunstszene und schuf zahlreiche Atelierportraits der damals angesagten Persönlichkeiten, mit denen sie in der High Society ihrer Zeit verkehrte.

d'Ora, La sculptrice Bessie Strong-Cuevas dans une robe Pierre Balmain, 1953 © Hambourg, Museum für Kunst und Gewerbe

Der Krieg erschütterte auch ihr Leben und ihre Arbeit. Als Jüdin verlor sie währen der Besatzung ihr Pariser Studio und musste sich mehrere Jahre lang in der Ardèche verstecken, wo ihre Familie und Freunde verfolgt wurden. Als sie nach 1945, nachdem sie alles verloren hatte, nach Paris zurückkehrte, hatte sie einen scharfen, aber empathischen blick auf die Opfer des Krieges und einen weitaus distanzierteren auf Glamour und Geld. Von den schillernden bis zu den dunkelsten Zeiten, von Avantgardekünstlern über mittellose Flüchtlinge bis hin zu einer erstaunlichen metaphorischen Arbeit über die Pariser Schlachthöfe erzählen Madame d'Oras Portrait auf unnachahmliche Weise von den Umwälzungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

d'Ora, Dans un camp de réfugiés, 1946-1948 © Hambourg, Museum für Kunst und Gewerbe

Die von Monika Faber und Magdalena Vukovic kuratierte Ausstellung im Pavillon Populaire in Montpellier zeigt Sammlungen von Vintage-Abzügen aus Museen in Wien, Linz, Hamburg, Berlin und Paris zusammen mit einer umfangreichen Dokumentation, die den historischen Kontext illustriert.

d'Ora, Tête de veau fendue, c. 1949-1957 © Collection Fritz Simak

Monika Faber war Kuratorin am Museum Moderner Kunst in Wien und danach Chefkuratorin der Fotosammlung der Albertina. Seit 2011 ist sie Direktorin des Photoinstitut Bonartes in Wien, das sich der Erforschung der historischen Fotografie in Österreich und Mitteleuropa widmet. Sie ist ausserdem Autorin zahlreicher Publikationen über die Geschichte der Fotografie.

d'Ora, Dans le camp de réfugiés "Hôtel Europe" à Salzbourg, 1948 © Vienne, Photoinstitut Bonartes

Magdalena Vukovic ist Fotohistorikerin und Ausstellungskuratorin, spezialisiert auf Fotografie in Österreich bis zu den 1950er Jahren. Seit 2011 arbeitet sie als Kuratorin am Photoinstitut Bonartes in Wien. In ihrer Arbeit bevorzugt sie einen interdisziplinären Ansatz und arbeitet eng mit Forschern aus verschiedenen Bereichen zusammen.

d'Ora, Chapeau par Krieser, 1910 © Vienne, Collection privée

Der Pavillon Populaire in Montpellier im französischen Département Hérault. Er wurde von im Stil der Neorenaissance 1891 nach einem Entwurf des Architekten Léopold Carlier gebaut. Der Pavillon Populaire war bis in die 1980er Jahre das Zentrum der wichtigsten Volksfeste der Stadt. 1991 wurde der Pavillon nach den Plänen des Pariser Architekten François Pin renoviert. Dabei wurden im zentralen Raum die Trennwände entfernt. Seither wurde er für Wechselausstellungen des Musée Fabre genutzt. 1993 übernahm die Fotogalerie Espace Photo Angle den Pavillon des Fabre-Museums anlässlich einer Ausstellung von Picasso-Lithografien. Seit 2001 ist der Pavillon für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich. Er veranstaltet durchschnittlich drei Fotoausstellungen pro Jahr.

d'Ora, Chaussures en cuir verni noir par Pinet, c. 1937 © Vienne, Photoinstitut Bonartes

Die Ausstellung La Surface et la Chair. Madame d'Ora, Vienne-Paris, 1907-1957 im Pavillon Populaire in Montpellier kann bis am 16. April 2023 besucht werden.

d'Ora, Les danseurs de Anita Berber et Sebastian Droste dans "Suicide", 1922 © Vienne, Collection privée

[1] Die Années folles (die goldenen Zwanziger) waren das Jahrzehnt der 1920er Jahre in Frankreich. Sie wurden geprägt, um die reichen sozialen, künstlerischen und kulturellen Kooperationen dieser Zeit zu beschreiben. Die gleiche Zeit wird in den USA auch als Roaring Twenties oder Jazz Age bezeichnet. (Quelle: Wikipedia)

[2] Balenciaga ist eine 1917 von Couturier Cristóbal Balenciaga in San Sebastián gegründete Marke für Damen- und Herrenmode sowie Lederwaren und Parfüm. Sie hat seit 1937 ihren Sitz in Paris und gehört seit 2001 zum Kering-Konzern. (Quelle: Wikipedia)

[3] Chanel S.A.S. heisst der von Gabrielle "Coco" Chanel gegründete Modekonzern mit Sitz in Neuilly-sur-Seine bei Paris. Chanel gehört weltweit zu den grössten und bedeutendsten Unternehmen in der Mode- und Kosmetikbranche.

[4] Tamara de Lempicka wurde am 16. Mai 1898 in Warschau in Polen als Maria Rozalia Gurwik-Górska geboren und verstarb am 18. März 1980 in Cuernavaca in Mexiko. Sie ist eine der wenigen Künstlerinnen der Ära, die einem breiten Publikum bekannt sind, und gilt als das Gesicht der Art-Déco-Malerei. (Quelle: Wikipedia)

[5] Josephine Baker wurde am 3. Juni 1906 in St. Louis, Missouri als Freda Josephine McDonald geboren und verstarb am 12. April 1975 in Paris. Sie war Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin. 1937 nahm die gebürtige US-Amerikanerin die französische Staatsbürgerschaft an. Im zweiten Weltkrieg gehörte sie der Résistance und den Streitkräften des Freien Frankreich an. (Quelle: Wikipedia)