photo Schweiz 2023...

Chöpf | © Emil Grubenmann

Hast du dein Ticket für die photo Schweiz bereits gekauft? Oder überlegst du noch, ob es sich lohnt? Ein Blick auf die Ankündigung der Sonderausstellung könnte durchaus neugierig machen endlich mal oder wieder einmal an die photo Schweiz, die vom 6. - 10. Januar 2023 in der Halle 550 in Zürich-Oerlikon über die Bühne geht. 

Emil Grubenmann gilt als einer der wichtigsten Dokumentarfotografen in und um Appenzell von der 1960er bis zum 13. November 2022. Er wuchs als Sohn der bekannten Hebamme Ottilia Grubenmann-Streule in Appenzell auf. Fotografieren lernte er von Grund auf, wollte aber nie Auftragsfotograf werden. Längere Zeit begleitete er Roman Signer und dokumentierte viele seiner Kunstinstallationen und Kunstwerke. Als junger Mann unternahm Emil Grubenmann ausgedehnte Reisen unter anderem nach Afghanistan und Indien. Mit dem Projekt Chöpf hat er das Alltagsleben sowie Veränderungen im Orts- und Landschaftsbild poetisch festgehalten. Sein Werk zeigt eine volkstümliche Schweiz jenseits national-konservativer Mythen - authentisch, echt, empathisch. Kurz vor Eröffnung seiner Retrospektive in Appenzell im November ist Emil Grubenmann im Alter von 78 Jahren verstorben. Sein Archiv verwaltet der Fotograf Thomas Biasotto.

© Tara Lambourne

SOS MEDITERRANEE: Viele Menschen versuchen über das Mittelmeer zu fliehen, um Menschenrechtsverletzungen und Gewalt zu entkommen. SOS MEDITERRANEE ist mit ihrem Rettungsschiff, der Ocean Viking, direkt vor Ort, um Frauen, Männer und Kinder vor dem Ertrinken zu bewahren und sie an einen sicheren Ort zu bringen.  

Tara Lambourne war im August 2022 für mehr als zwei Wochen auf der Ocean Viking. Als Fotografin dokumentierte sie, wie die Crew in zehn Rettungen und in weniger als 60 Stunden insgesamt 466 Menschen in Seenot zu Hilfe kam. Fotograf Camille Martin Juan war im Oktober und November 2022 für einen Monat auf der Ocean Viking, als die Crew zwischen dem 22. und 26. Oktober in sechs Rettungen insgesamt 234 Menschen zu Hilfe kam. Die eindrücklichen Dokumentationen sind an der photoSCHWEIZ 23 zu sehen.

© Emil Meerkämper

Ein Bohème der Fotografie-Historie: Die beiden Bündner Fotografie-Liebhaber Paul Jäger und Adrian Lisner haben die Vision kulturell und historisch wertvolle Fotografien zu erhalten und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.  

An der photoSCHWEIZ präsentieren sie mit ihrem Archiv PhotosWithHistory einen substantiellen Auszug aus dem Werk des weltbekannten, 1948 in Davos verstorbenen Landschaftsfotografen Emil Meerkämper. Meerkämper - im Jahr 1900 als 23-jähriger Ingenieur aus dem Ruhrgebiet für einen Kuraufenthalt nach Davos gekommen, um zu bleiben – gilt als einer der Pioniere der Schweizer Landschaftsfotografie.

© Iris Brosch

Black Madonna: Iris Brosch ist eine der wenigen Frauen, die erfolgreich in der Modefotografie arbeiten. Die gebürtige Wolfsburgerin, die in Paris lebt und arbeitet, will in ihren Fotografien die Frauen und deren Weiblichkeit ausdrucksstark und kraftvoll zeigen. 

Exklusiv für die photoSCHWEIZ hat sich Iris Brosch mit der Schwarzen Madonna im Kloster Einsiedeln auseinandergesetzt. Und dabei eine Position entwickelt, die den Zeitgeist in der modernen Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche widerspiegelt. 

Die photoSCHWEIZ zeigt diese Position im Rahmen einer spektakulären Sonderausstellung.

No Justice - No Peace © Kevin Wurm, London Photo Festival

In Zusammenarbeit mit den renommiertesten Fotofestivals der Welt ist unter dem Titel "Directors Choice" eine Sonderausstellung von photoSCHWEIZ entstanden, in der die jeweiligen Leiter*innen der Festivals ihre besten Bilder kuratiert haben.

Abyei, Südsudan, 2022 © Christina Simons

Médcins sans frontières: Im September 2022 reiste Christina Simons nach Abyei (Südsudan), um die dramatische Situation fotografisch zu dokumentieren. Daraus entstanden eindrucksvolle Portraits, begleitet von eindrücklichen Zeugenberichten. Die Dokumentation verdeutlicht den humanitären Bedarf in der Region.

© Patrick Lambertz 2022

There is something about Soulmary - vier Fotografierende, vier freie Arbeiten, ein Modell: Die photoSCHWEIZ hat eine Fotografin und drei Fotografen eingeladen, alle mit demselben Top-Model ein freies Shooting zu machen: Jens Krauer, Ferit Kuyas, Patrick Lambertz und Jaqueline Lipp. Gesicht der Shootings war das bekannte Zürcher Model SOULMARY - Kampagnengesicht vieler Schweizer Top-Brands wie Nestle, Migros, TX Group, Maurice de Mauriac uvm.

Die photoSchweiz findet vom 6. - 10. Januar 2023 in der Halle 550 in Zürich-Oerlikon statt.

FEMALE FORM…

Aus Sophie's Periode | © Sophie Stieger

Female Form - oder Frausein ab Mitte Dreissig… Franziska Willimann, Sophie Stieger und Nora Dal Cero brechen mit ihrer Ausstellung - rechtzeitig zum internationalen Menopausetag - ein Tabuthema, zumindest für rund 50% der Gesellschaft. Die anderen 50% wissen ganz genau, worum es geht! Die Eine rechnet die Kosten der Hygieneausgaben vor und veranschlagt durchschnittliche Kosten von CHF 15'000 - vermutlich sind die Kosten höher. Die Andere stellt Fragen zu gestellten Weichen und verschiedenen Lebensentwürfen und die Dritte beschreibt tanzende Hormone, das Schwitzen und den ausbleibenden Schlaf.

Worum es wirklich geht, kann wohl jede Frau ab Mitte Dreissig bis zum letzten Tag auf ihre Art und Weise beschreiben - für die Eine ist der Übergang kaum spürbar, für die Andere ist es wie ein Gang durch die Hölle. Der Begriff Menopause ist eigentlich etwas irreführend, da es nicht um eine Pause geht, sondern um einen Abschluss - es ist der Abschluss der Wechseljahre, die letzte Regelblutung und irgendwie ein Neuanfang einer Frau.

Aus Sophie's Periode | © Sophie Stieger

Martina Caluori beschreibt die Arbeiten und die Fotografinnen mit den Worten: Last-Minute-Mütter, die zweite Pubertät und Sanitary Pads: Die Ausstellung von Franziska Willimann, Sophie Stieger und Nora Dal Cero bricht mit Tabuthemen und widmet sich ganz dem Frausein ab Mitte Dreissig.

Aus (N)irgendwo ankommen | © Nora Dal Cero

SOPHIE'S PERIODE – Sophie Stieger
Springende Tampons, pralle Ballonbrüste und aufsteigende Gewitter. Follikel, Ovulation, Luteal. Die Berge von Abfall, der verschwiegene Ausfluss, ein Wohlgefühl stellt sich ein. Rote Welle, Rote Zora, Tante Rosa, Erdbeerwoche – sie hat viele Namen und doch kennt Mensch sie kaum. Adios, Menstruphobia. 60–80 Milliliter, 3000 Tage oder 8 Jahre haben Frauen* die Periode und benötigen im Schnitt 10’000 bis 17’000 Tampons – oder ein paar Tassen; durchschnittlich Kosten: 15’000 Franken. You better give her* credit!

Aus (N)irgendwo ankommen | © Nora Dal Cero

(N)IRGENDWO ANKOMMEN – Nora Dal Cero
Ausrichten, arrangieren und ankommen. Die Weichen sind gestellt – oder ist der Zug bereits abgefahren? Das trockene Transportwesen-Vokabular lässt so wenig Platz für Feuchtfröhliches wie das aufgezwungene Lebensziel. Die ernüchternde Zwischenbilanz. Es folgt die Torschlusspanik, der Kopfsprung ins Leben, eine Auswahl zahlloser Lebensentwürfe, neue Lebensformen – eine Zeit des Infragestellens. Werden die Fragen ihre Antworten finden?

Aus Klimax | © Franziska Willimann

KLIMAX– Franziska Willimann
Wenn der Körper sich verändert, die Hormone tanzen, wir schwitzen, der Schlaf sich verabschiedet und die Kinder auch. Die Haare grau werden und sich dabei ein wunderbar rotziges Grundgefühl einstellt. Wenn die Alltagsschlaufe auf Repeat dreht, Vertrautes sich verabschiedet, vieles erreicht, doch manches anders gekommen ist. Wenn die Welt im einen Moment nebulös erscheint, dann wieder glasklar. Wenn die grosse Freiheit leise ruft und das Nichtmehrmüssen das Königinnensein entlockt. Die Einen nennen es die zweite Pubertät – ich, nenne es Klimax.

Aus Klimax | © Franziska Willimann

Kennengelernt haben sich die drei Fotografinnen in einem Zürcher Atelier. Sophie Stieger arbeitet mit Schwerpunkt Portrait, Reportage und Dokumentationen, die sich um Raum und Mensch drehen. Die Fotografin Nora Dal Cero setzt sich fur̈ Nachhaltigkeit ein und fotografiert vegane Kochbücher, faire Mode und Kunstprojekte. Franziska Willimans Fokus liegt in der Porträtfotografie und in Langzeitprojekten, die von Menschen und der Poesie des Alltäglichen geprägt sind.

Das vierte Drittel und die Poesie der Angst

© Reto Camenisch

Die Wunde ist der Ort, an dem das Licht in dich eindringt. Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī

© Reto Camenisch

Nach der Lektüre des eindrücklichen und berührenden Vorworts von Reto Camenisch selbst, wird klar, warum das Buch Das vierte Drittel und die Poesie der Angst mit düster und trist anmutenden schwarz-weiss Bildern beginnt und übergeht in eine tiefe Farbigkeit, die man von Camenisch so nicht erwartet. Folgt man den Bildern spürt man den langen mühseligen Weg zu einer inneren Heilung, nach langer schmerzvoller Krankheit. Nach einer Krebsdiagnose, einigen operativen Eingriffen, Chemo- und Bestrahlungstherapien war sein Körper am Ende seiner Kräfte. Deshalb hat er sich im Dezember 2019 in eine 6-wöchige Therapie in ein Ayurveda-Hospital[1] in Südindien begeben. Wie oft bei alternativmedizinischen Behandlungen verschlimmert sich die Situation und wird erst nach einer gewissen Zeit besser, so auch bei Reto Camenisch.  

"Und nie ist eine Sache nur ein Ding!" Gemächlichen Schrittes veränderte sich meine Wahrnehmung, und es offenbarten sich auf einmal nicht nur andere Bilder, sondern auch die Distanz zu ebendiesen. Bisher hatten Farben in meiner Arbeit kaum Bedeutung, doch auf einmal wirkten sie mit grosser Kraft auf mich ein, trugen mich förmlich durch den Tag und - so klebrig und simpel es klingen mag - verursachten pure Freude. Um nichts möchte ich diese Erfahrung missen… Reto Camenisch

© Reto Camenisch

Daniel Blochwitz schreibt in seinem Text Kaputt über das Kaputte, Beschädigte und Verletzte und nimmt Bezug zur Bedeutung der Fotografie im Zusammenhang mit Erinnerung und Tod.  

Die Legende der Schutzheiligen der Fotografie, der heiligen Veronika, geht dann auch auf die Überlieferung zurück, dass auf dem Tuch, das Veronika dem todgeweihten Jesus reichte, damit dieser sich sein Gesicht abwischen konnte, auf mysteriöse Weise sein Abbild erschien. Durch die Ikone bleibt der Nachwelt das Gesicht einer verehrten Person in Erinnerung… Daniel Blochwitz.

Auch Reto Camenisch hat seine Maske[2], die er währenden den Bestrahlungen tragen musste fotografiert - nicht um sich besser erinnern zu können, sondern viel mehr gegen die Erinnerung.

© Reto Camenisch

Balts Nill sucht in seinem Text Versuch über das Subjektiv nach einer Erklärung des Subjektiv: Kein Schreibfehler: Nicht das Subjektive, sondern das Subjektiv ist Gegenstand dieses Aufsatzes. Was das sein soll, das Subjektiv? Ich weiss es auch nicht. Aber eigentlich müsste es existieren, alleine schon aus sprachlichen Gründen…

© Reto Camenisch

Klappentext: Wer aus dem Schatten einer schweren Krankheit wieder ins Leben tritt, langsam, sich an das Licht gewöhnend und die Welt neu erkundend, der findet es anders vor, als es die Erinnerung bereit hält. Das hat an sich schon etwas Fotografisches. Am Ende genesen, aber körperlich und mental gezeichnet, begab sich Reto Camenisch in die therapierenden Hände eines Ayurveda-Hospitals. Ähnlich wie das sorgfältige Wässern den fotografischen Entwicklungsprozess abschliesst, um in der Sprache des Mediums zu bleiben, so half auch diese Zeit in Indien, Leib und Seele von Giften und Ängsten zu reinigen sowie Inspiration und schöpferische Kraft wiederzufinden.  Folgerichtig setzt das Buch an dieser Stelle ein und erzählt unaufgeregt vom nun beginnenden vierten Drittel seines Lebens.

© Reto Camenisch

Reto Camenisch ist 1958 geboren und arbeitet heute als freier Fotograf und Filmemacher. Bis 2005 war er als Bildjournalist für diverse Tageszeitungen und Magazine (Du, NZZ, Das Magazin, Facts, Annabelle, Bolero, Stern, Spiegel, Wiener Standart und andere) tätig. 1999 - 2022 war er Studiengangsleiter Fotografie an der MAZ - Die Schweizer Journalistenschule Luzern. Seine Arbeiten wurden in mehreren Einzel- und Gruppenausstellungen (Galerie Bernhard Bischoff, Galerie Stephan Witschi, Kornhausforum Bern, Kunstmuseum Thun, Paris Photo und anderen) präsentiert und mehrfach ausgezeichnet (Kulturpreis der Bürgi Willert Stiftung Bern, Kulturpreis der Stadt Thun, Fotopreis Kanton Bern).

© Reto Camenisch

Daniel Blochwitz ist 1973 in Deutschland geboren und hat in den USA studiert und 2003 einen Master of Fine Art in Fotografie an der University of Florida abgeschlossen. Bereits während des Studiums hat er mehrere Semester Fotografie gelehrt und mit Prof. Barbara Jo Revelle seine erste Ausstellung kuratiert. Nach dem Studium ging er nach New York und absolvierte das postgraduierte Independent Study Program des Whitney Museums. Ab 2005 arbeitete er für verschiedene Galerien in New York und in der Schweiz. Seit 2015 ist er freier Kurator, Dozent und Berater in Zürich.

© Reto Camenisch

Balts Nill ist 1953 geboren und in Wengi bei Büren und Köniz aufgewachsen und nimmt in den 70iger Jahren Schlagzeugunterreicht bei Peter Giger und Pierre Favre. Er studierte Germanistik und Philosophie und ist als Journalist tätig. 1989 gründete er mit Endo Anaconda die Band "Stiller Has" und tourte das Land. Als Musiker und Autor ist er an zahlreichen musikalisch-literarischen Projekten beteiligt. 2002 wird er mit Pierre Kocher zusammen mit dem Berner Radiopreis für die Sendung "benerwasser" - eine Produktion von "chrüz & quer" geehrt. Seit 2020 wirkt er beim Figurentheater "Dakar Produktion" als Live-Musiker mit.

© Reto Camenisch

Die Till Schaap Edition entstand als Folgeprojekt des Benteli Verlages. Der Schwerpunkt des Programmes umfasst Kunst, Fotografie und Kulturgeschichte. Die enge Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern und Autorinnen und Autoren stehen dabei im Vordergrund. Das Anliegen des Verlages sind individuell gestaltete und mit grösster Sorgfalt hergestellte Publikationen, die international vertrieben werden.

Das Anliegen des Verlages liegt am Festhalten von künstlerischen Leistungen und Dokumentieren von Sammlungen, am Entdecken von verborgenen Schätzen und an spannenden kulturhistorischen Themen. Oder einfach nur am Erzählen von aussergewöhnlichen visuellen Geschichten.

Der Verlag engagiert sich sowohl in der deutschen wie auch in der französischen Schweiz und nimmt dabei eine wichtige Brückenfunktion ein. (Till Schaap Edition)

© Reto Camenisch

Bilder aus Das vierte Drittel und die Poesie der Angst sind bis zum 22. Oktober 2022 in der Galerie Bernhard Bischoff in Bern zu sehen. 

Das Buch kann direkt bei Reto Camenisch, bei Till Schaap Edition oder im Buchhandel bezogen werden.

© Reto Camenisch

[1] Ayurveda oder Ayurweda (Sanskrit, m., आयुर्वेद āyurveda, „Wissen vom Leben“, von veda, ‚Wissen‘) ist eine traditionelle indische Heilkunst, die bis heute viele Anwender in Indien, Nepal und Sri Lanka hat. In Asien, insbesondere in Indien, wird Ayurveda als Heilmethode auch wissenschaftlich gelehrt und von der Bevölkerung akzeptiert. Im westlichen Kulturkreis dagegen setzt man Ayurveda zumeist für Wellness-Zwecke ein, was in Asien erst durch den wachsenden Tourismus zum Thema wurde. Ayurveda ist keine therapeutische Einzelmaßnahme, sondern ein ganzheitliches System und gehört heute in den Bereich der traditionellen Alternativmedizin. Mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ist Ayurveda vielfach nicht vereinbar. Wirkungsnachweise nach den Grundprinzipien der evidenzbasierten Medizin sind kaum oder nicht vorhanden. (Quelle: Wikipedia)

[2] Bei Bestrahlungen im Kopf- und Halsbereich werden individuelle Masken aus einem thermoplastischen Kunststoffnetz angefertigt. Sie unterstützt die Ruhigstellung und hilft, beim nächsten Mal die gleiche Lagerung der zu fixierenden Körperregion zu erreichen.

Miryam Abebe
Österreichische Fotografinnen von Weltrang…

Marilyn Monroe am Set von Misfits – Nicht gesellschaftsfähig. USA. Reno, Nevada 1960 | © Inge Morath / Magnum Photos

Während des Fotofestivals La Gacilly in Baden sind nicht nur die Bilder des letztjährigen Festivals in La Gacilly in der Bretagne zum Thema Nordwärts zu sehen, sondern auch Bilder dreier österreichischer Fotografinnen von Weltrang. 

Eine Hommage an Inge Morath, die als Ingeborg zweier Naturwissenschaftler am 27. Mai 1923 in Graz geboren wurde. Sie konnte knapp ihr Staatsexamen in Romanistik und Sprachwissenschaften ablegen, bevor sie für einen "kriegswichtigen" Betrieb in Berlin-Tempelhof arbeitsverpflichtet wurde. Infolge eines Bombenangriffs auf den Betrieb schloss sich Morath einem Flüchtlingszug nach Österreich an, wo sie unter Mühen ihr Elternhaus wiederfand. Sie arbeitete zunächst als Übersetzerin, dann Journalistin in Salzburg und Wien. Unterstützt vom Fotografen Ernst Haas[1] konnte sie 1949 nach Paris übersiedeln, wo sie für die Fotoagentur Magnum Texte erstellte. Dort lernte Inge Morath die Faszination der Fotografie kennen. 1951 beschloss sie ihre Fotografie-Ausbildung in London mit einem Praktikum bei Simon Guttmann[2].

Verlegerin Eveleigh Nash, Buckingham Palace Mall. England. London. 1953 | © Inge Morath / Magnum Photos

Ab 1953 arbeitete sie für Magnum, ausserdem für Zeitschriften wie Vogue und Paris Match. Schon bald wurde sie selbstständig tätig. Ausstellungen in vielen bedeutenden Museen und Galerien belegen ihre weltweite Bedeutung. Inge Morath war die erste Frau, die in den legendären und bis dahin rein männlichen Kreis der Fotoagentur Magnum aufgenommen wurde.

Kosmetikunterricht im Helena Rubinstein Salon. USA. New York City. 1958 | © Inge Morath / Magnum Photos

Inge Morath reiste viel und lebte zeitweilig in New York City. Um die Rolle ihres favorisierten Mentors wetteiferten Henri Cartier-Bresson[3] und Gjon Mili[4]. Von 1962 bis zu ihrem Tod am 30. Januar 2022 in New York City war sie mit dem Schriftsteller Arthur Miller[5] verheiratet, den sie bei den Dreharbeiten zum Film Misfits mit dessen damaliger Ehefrau Marilyn Monroe[6] kennengelernt hatte. Auch mit Miller unternahm sie etliche Reisen, die zu immer neuen Büchern mit ihren Fotos führten. Daneben entstanden zahlreiche Auftragsarbeiten für Agenturen, Zeitschriften und Verlage. Ihre gemeinsame Tochter Rebecca Miller (* 1962) ist Malerin, Drehbuch-Autorin und Film-Regisseurin. Der Sohn Daniel (* 1966) wurde mit Down-Syndrom geboren, was das Ehepaar geheim hielt.

Kounadi Breika, eine saharaouische Volksschullehrerin aus dem Flüchtlingslager El Aioun nahe Tindouf. Algerien 1986. | © Christine de Grancy

Über der Welt und den Zeiten - Hommage zum 80. Geburtstag. Christine de Grancy wurde 1942 als Tochter einer protestantischen Berliner Mutter geboren. Ihren Vater, der im Zweiten Weltkrieg als Techniker mehrere Wochen lang Transportflüge ins eingeschlossene Stalingrad durchführte und 3 Wochen vor Kriegsende in der Lüneburger Heide fiel, lernte sie nie kennen. Ihr Grossvater mütterlicherseits, Siegfried Wagner, unterstützte als Offizier das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944.

Spiegelung des Riesenrads in einer Pfütze im Vergnügungsbereich des Praters. Wien 1979 | © Christine de Grancy

Nach Aufenthalten in Berlin, in der Lüneburger Heide und in Bayern verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend in Graz. Dort absolvierte sie eine Ausbildung in Keramik, Töpferei und Gebrauchsgraphik an der Kunstgewerbeschule bei Hans Adametz[7]. Ab 1963 arbeitete sie vorwiegend als Graphikerin und Art Director in Wiener Werbeagenturen. Im Anschluss an einen mehrmonatigen Aufenthalt in Patmos begann sie 1965 zu fotografieren. Eine Begegnung mit André Heller[8] 1970 führte zu Freundschaft und Zusammenarbeit. 1979 wurde sie von Achim Benning[9] als Fotografin für das Burgtheater engagiert. Ab den 1980er Jahren entstand eine Reihe von Bildbänden, die sich sowohl mit europäischen als auch mit afrikanischen und asiatischen Kulturphänomen befassten. Sie wandelte mit Vorliebe an den Rändern der sogenannten Zivilisation. 1983 war sie erstmals in der Westsahara und dokumentierte in der Folge die Tuareg[10] und 1987 den Freiheitskampf der Polisario[11]. In Russland spürte sie Wolga-Welten nach, weitere fotografische Reisen und Langzeitaufenthalte führten sie nach Griechenland, Algerien, Kurdistan, Georgien und Niger, nach Pakistan, China und Japan. In Wien erkundete sie die Dachlandschaften (1994) und die verborgene Welt der aus dem Iran emigrierten Juden (entstanden in den 1990er Jahren, ausgestellt erstmals 2015 im Jüdischen Museum Wien).

Marina Liwanowa vor dem Bild Russische Venus, von Boris Kustodiev. Nischnij Nowgorod. Russland 1996. | © Christine de Grancy

Ausstellungen zeigten ihre Werke unter anderem in Paris und Perpignan, New York, Tokio, Beirut, im Museum Moderner Kunst in Passau, bei der Biennale in Turin sowie in Mailand. Sie arbeitete mit namhaften Schriftstellern Österreichs zusammen – darunter Barbara Frischmuth[12], Erika Pluhar[13] und Gerhard Roth[14]. Zu ihren langjährigen Freunden zählt auch die Wiener Fotografin Gabriela Brandenstein[15].

Aus der Serie Camping | © Verena Andrea Penner

Camping - ein Versuch von Verena Andrea Penner die, von ihr, wahrgenommene Atmosphäre in einem Flüchtlingslager zu beschreiben. Verena Andrea Prenner ist Soziologin und Fotografin. Für ihre künstlerische Arbeit betreibt sie langjährige soziologische Feldforschung, z.B. in Flüchtlingslagern im Nahen Osten, in Zentralafrika oder im Wiener Rotlichtviertel, und beschäftigt sich mit verschiedenen Randgruppen, denn Ränder definieren bekanntlich die Mitte. Für ihre künstlerischen Projekte arbeitet sie mit nicht-professionellen Freiwilligen oder zufälligen Passanten zusammen, um individuelle Reflexionen und Ansichten über Gesellschaften in Form von Bühnenbildern auszudrücken.

Aus der Serie Camping | © Verena Andrea Penner

"Nach Abschluss meines Studiums der Soziologie zog ich in den Nahen Osten. Während dieses Aufenthaltes erhielt ich eine Förderzusage für ein Projekt in der palästinensischen Westbank. Aus soziologischem Interesse nahm ich die Möglichkeit in einem Flüchtlingslager zu wohnen an. Neben meinem eigentlichen Projekt, das darin bestand, die Auswirkungen des Baus der israelischen Sicherheitsmauer auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der palästinensischen Taxifahrer zu untersuchen, bekam ich die Möglichkeit, als Fotografin für muslimische Hochzeiten zu arbeiten. Gleichzeitig begann ich, das Leben im Camp zu studieren: Wie wirken sich die prekären Lebensumstände auf die Individuen aus? Wie ist die Gesellschaft organisiert, welche Strukturen finden sich? Und wie wirkt sich ein Leben vor Ort auf mich persönlich aus?... […]… Nach Monaten vor Ort und zwei weiteren Aufenthalten in den folgenden Jahren baute sich nach und nach gegenseitiges Vertrauen auf. Irgendwann war ich keine Fremde mehr, und so entschied ich mich, nicht nur ausserhalb des Camps, sondern auch im Flüchtlingslager eine fotografische Arbeit zu realisieren. Doch dann kam die große Frage: Was zeigt man?"

Aus der Serie Camping | © Verena Andrea Penner

Im Jahr 2021 erhielt sie den Kunstpreis des Landes Niederösterreich für die künstlerische und kulturelle Auseinandersetzung mit der Menschenwürde. Werke von ihr befinden sich in der Österreichischen Nationalphotosammlung, der Kunstsammlung des Landes Niederösterreich und des Landes Oberösterreich sowie in Privatsammlungen.

Das Festival La Gacilly in Baden bei Wien dauert noch bis am 16. Oktober 2022.

[1] Ernst Haas (* 2. März 1921 in Wien; † 12. September 1986 in New York) war ein österreichisch-amerikanischer Fotograf, der heute vor allem als Pionier der Farbfotografie bekannt ist. Sein im September 1953 in der Zeitschrift Life über 24 Seiten und zwei Folgen abgedruckter Fotoessay unter dem Titel "Images of a Magic City" gilt als Meilenstein der Farbfotografie. Haas war ein frühes Mitglied der Fotoagentur Magnum Photos, zu deren Präsidenten er 1959 gewählt wurde. (Quelle: Wikipedia)

[2] Wilhelm Simon Guttmann (* 15. November 1891 in Wien; † 13. Januar 1990 in London) war ein deutscher Literat, politischer Autor, Geschäftsführer von Bildagenturen und Inspirator verschiedener Fotografengruppen. (Quelle: Wikipedia)

[3][3] Henri Cartier-Bresson (* 22. August 1908 in Chanteloup-en-Brie, Seine-et-Marne; † 3. August 2004 in Montjustin, Alpes-de-Haute-Provence) war ein französischer Fotograf, Regisseur, Schauspieler, Zeichner, Maler und Mitbegründer der renommierten Fotoagentur Magnum. Er wurde vor allem durch seine künstlerische Schwarzweissfotografie bekannt. Im Zweiten Weltkrieg entkam er zweimal aus deutscher Kriegsgefangenschaft und fotografierte die Befreiung von Paris. (Quelle: Wikipedia)

[4] Gjon Mili (* 28. November 1904 in Korça, Albanien; † 14. Februar 1984 in Stamford, Connecticut) war ein albanisch-amerikanischer Fotograf. (Quelle: Wikipedia)

[5] Arthur Asher Miller (* 17. Oktober 1915 in New York City, New York; † 10. Februar 2005 in Roxbury, Connecticut) war ein amerikanischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Gewinner des Pulitzer-Preises. Er gilt als wichtiger gesellschaftskritischer Dramatiker der neueren Zeit. Seine sozial- und zeitkritischen Dramen wenden sich gegen den so genannten American Way of Life, bei dem der berufliche Erfolg im Mittelpunkt steht. Immer wieder stellte Miller die ethische Verpflichtung des Einzelnen in den Vordergrund. Öffentliches Interesse erzielte auch seine Ehe mit Marilyn Monroe. (Quelle: Wikipedia)

[6] Marilyn Monroe [ˈmɛɹɪlɪn mənˈɹoʊ] (* 1. Juni 1926 in Los Angeles, Kalifornien, als Norma Jeane Mortenson, kirchlich registrierter Taufname Norma Jeane Baker; † 4. August 1962[1] in Brentwood, Los Angeles) war eine US-amerikanische Filmschauspielerin, Filmproduzentin und Fotomodel. Sie wurde in den 1950er Jahren zum Weltstar, ist eine Popikone und gilt als archetypisches Sexsymbol des 20. Jahrhunderts. (Quelle: Wikipedia)

[7] Hans Adametz (* 17. August 1896 in Wien; † 26. September 1966 in Graz) war ein österreichischer Keramiker, Bildhauer und Kunsterzieher. (Quelle: Wikipedia)

[8] André Heller (* 22. März 1947 in Wien als französischer Staatsbürger), ist ein österreichischer Multimediakünstler, Aktionskünstler, Kulturmanager, Autor, Lyriker (Selbstbezeichnung Poet), Chansonnier und Schauspieler. (Quelle: Wikipedia)

[9] Achim Benning (* 20. Januar 1935 in Magdeburg) ist ein deutscher Schauspieler, Theaterregisseur und Theaterintendant. Er war von 1976 bis 1986 Direktor des Wiener Burgtheaters. (Quelle: Wikipedia)

[10] Die Tuareg (Singular: Targi (männlich), Targia (weiblich) sind ein zu den Berbern zählendes Volk in Afrika, dessen Siedlungsgebiet sich über die Wüste Sahara und den Sahel erstreckt. (Quelle: Wikipedia)

[11] Die Frente Polisario (von spanisch Frente Popular para la Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro, arabisch الجبهة الشعبية لتحرير الساقية الحمراء ووادي الذهب, DMG al-Ǧabha aš-šaʿbiyya li-taḥrīr as-Sāqiya al-Ḥamrāʾ wa-Wādī ḏ-Ḏahab, deutsch Volksfront zur Befreiung von Saguía el Hamra und Río de Oro, kurz Polisario) ist eine militärische und politische Organisation in der Westsahara. Sie vertritt liberale bis demokratisch-sozialistische Positionen und ist Beobachter bei der Sozialistischen Internationale sowie Mitglied der Progressiven Allianz. Aufgrund historischer Rivalitäten mit Marokko unterstützt Algerien die Bewegung militärisch. (Quelle: Wikipedia)

[12] Barbara Frischmuth (* 5. Juli 1941 in Altaussee, Salzkammergut) ist eine österreichische Schriftstellerin und Übersetzerin. (Quelle: Barbara Frischmuth)

[13] Erika Pluhar (* 28. Februar 1939 in Wien) ist eine österreichische Schauspielerin, Sängerin und Schriftstellerin. (Quelle: Erika Pluhar)

[14] Gerhard Roth (* 24. Juni 1942 in Graz; † 8. Februar 2022 ebenda) war ein österreichischer Schriftsteller. (Quelle: Wikipedia)

[15] Gabriela Brandenstein ist eine der großen Persönlichkeiten der österreichischen Theater- und Filmfotografie. Sie wurde in Wien geboren und absolvierte die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt. Seit 1974 fotografiert sie als freie Künstlerin Theaterproduktionen für Burg- und Akademietheater, Volkstheater und viele andere Bühnen. Coverfotos für die Klassikproduktionen großer Plattenfirmen wie Deutsche Grammophon, Philips, Sony machten sie international bekannt. Ihre Porträts österreichischer Autoren sind eine Galerie der Literatur. (Quelle: Petra Torky)

Archivgeschichte #3: Louise Dahl-Wolfe

Natalie Paine, 1950 | © Louise Dahl-Wolfe

Louise Dahl-Wolfe ist am 19. November 1895 als Louise Emma Augusta Dahl als Tochter norwegischer Eltern in San Francisco geboren. 1914 begann sie ein Studium an der California School of Fine Arts (heute San Francisco Art Institute)  unter anderem bei Rudolph Schaeffer[1].

Virginia Stewart im Sonnenkleid von Joset Walker, Harper's Bazaar, Mai 1948 | © Louise Dahl-Wolfe

In den 1920er Jahren begann sie sich nach einer Ausstellung der Pictorialistin[2] Anne Brigman[3] für Fotografie zu interessieren. Obwohl Louise Dahl-Wolfe von Brigmans Arbeiten sehr beeindruckt war, begann sie erst in den frühen 1930er Jahren selbst zu fotografieren. Eine Reise mit der Fotografin Consuelo Kanaga[4] durch Europa in den Jahren 1927-28 weckte ihr Interesse an der Fotografie erneut. 1932, als sie mit ihrem Mann, dem Bildhauer Meyer Wolfe[5] in der Nähe der Great Smoky Mountains lebte, machte sie ihre erste veröffentlichte Fotografie - Tennessee Mountain Woman, die in der Vanity Fair erschien. Die Tennessee-Bilderserie, aus der dieses Portrait stammte, wurde 1937 auch von Edward Steichen in eine Ausstellung im Museum of Modern Art in New York aufgenommen.

Unter Sonnenschirmen, Januar 1959 , Vogue | © Louise Dahl-Wolfe

1933 zog sie nach New York City und eröffnete ein Fotostudio, das sie bis 1960 betrieb. In dieser Zeit arbeitete sie als Werbe- und Modefotografin für verschiedene Magazine wie Woman's Home Companion, Saks Fifth Avenue und Bonwit Teller. 1936 wurde sie von Carmel Snow[6] als Modefotografin für Harper's Bazaar eingestellt, für die sei bis 1958 arbeitete. Danach nahm sie bis zu ihrer Pensionierung 1960 freiberufliche Aufträge von Vogue und Sports Illustrated an. Louise Dahl-Wolfe fotografierte vor allem im Freien und mit natürlichem Licht, beides zu dieser Zeit ein Novum. Für ihre Modeaufnahmen bereiste sie viele Regionen der Erde, darunter Südamerika und Afrika.

Nude in Mojave Desert, California, 1948 | © Louise Dahl-Wolfe

Neben Modeaufnahmen machte Louise Dahl-Wolfe auch Portraits u. a. von W. H. Auden, Josephine Baker, Cecil Beaton, Coco Chanel, Colette, Christian Dior, Edward Hopper, Christopher Isherwood, Carson McCullers, Orson Welles, Eudora Welty und Mae West. Zudem gilt sie als "Entdeckerin" der jungen Lauren Bacall[7].

Dappled Nude, 1940 | © Louise Dahl-Wolfe

Louise Dahl-Wolfe war in den Anfängen der Farbmodefotografie besonders für ihre hohen Ansprüche an die Reproduktion ihrer Bilder bekannt. Ihr Beharren auf Präzision bei den von ihren Negativen hergestellten Farbdias führte zu atemberaubenden Abzügen, deren subtile Farbtöne und ungewöhnliche Farbabstufungen in den 1940er und 1950er Jahren den Standard für Eleganz setzten. Mit ihrem Stil feiere sie grosse Erfolge und hatte einen dauerhaften Einfluss auf spätere Grössen der Modefotografie wie Horst P. Horst[8], Irving Penn[9] und Richard Avedon[10].

Ohne Titel, 1940 | © Louise Dahl-Wolfe

Darüber hinaus leistete sie Pionierarbeit für das aktive und zugleich anspruchsvolle Bild der "Neuen Frau", indem sie kunsthistorische Themen und Konzepte in ihre Fotografien einfliessen liess.

Lauren Bacall, 1957 | © Louise Dahl-Wolfe

Louise Dahl-Wolfe starb am 11. Dezember 1989 Nashville. Ihr Nachlass ist im Center for Creative Photography (CCP) in Tucson, Arizona untergebracht.

Glamouröse und anspruchsvolle Fotoshootings in Farbe | © Louise Dahl-Wolfe

[1] Rudolph "Rudy" Frederick Schaeffer (26. Juni 1886 - 5. März 1988) war ein amerikanischer Kunstpädagoge und Künstler, der der Arts-and-Crafts-Bewegung nahestand. Er war Gründer der Rudolph Schaeffer School of Design, einer Schule mit Sitz in San Francisco, die mehr als 50 Jahre lang Designer, Architekten, Innenarchitekten, Lehrer und Koloristen ausbildete. Er war einer von vielen Pionieren in der Farbfeldforschung und wird für die Etablierung der Stadt San Francisco als internationales Designzentrum verantwortlich gemacht. (Quelle: Wikipedia)

Senator John F. and Jacqueline Kennedy, Virginia, 1953 | © Louise Dahl-Wolfe

[2] Der Piktorialismus ist eine kunstfotografische Stilrichtung. Ziel des Stiles war es, nicht lediglich ein bloßes, einen Augenblick in der Realität festhaltendes Abbild des Motivs herzustellen, sondern eine symbolische Darstellung von Gemütszuständen oder grundlegenden Werten zu erzielen. Seine Blütezeit fand der Piktorialismus zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg, in Japan noch bis etwa 1925; piktorialistische Fotografien wurden allerdings teilweise noch bis zum Ende der 1950er Jahre angefertigt. (Quelle: Wikipedia)

Christian Dior in seinem Millhouse, Paris, 1946 | © Louise Dahl-Wolfe

[3] Anne „Annie“ Wardrope Nott Brigman (* 3. Dezember 1869 im Nuuanu Valley bei Honolulu, Hawaii; † 8. Februar 1950 in Eagle Rock bei Los Angeles, Kalifornien) war eine amerikanische Kunstfotografin, Lyrikerin und eines der ersten Mitglieder der Photo-Secession. Ihre bekanntesten Aufnahmen entstanden zwischen 1900 und 1920 und zeigen zumeist weibliche Akte in einem ursprünglichen, naturalistischen Kontext. (Quelle: Wikipedia)

Inga trägt einen gelben Wollmantel von Original Modes, Januar 1947 | © Louise Dahl-Wolfe

[4] Consuelo Delesseps Kanaga (25. Mai 1894-1978) war eine amerikanische Fotografin und Schriftstellerin, die durch ihre Fotografien von Afroamerikanern bekannt wurde. (Quelle: Wikipedia)

Iris posierend mit Abstraktionen, 1958 | © Louise Dahl-Wolfe

[5] Meyer (Mike) Wolfe (1897-1985), auch bekannt als Meyer R. Wolfe, war ein amerikanischer Bildhauer. Sein bestes Werk ist repräsentativ für eine Schule des regionalen Realismus, die in den 1930er Jahren als Reaktion auf den europäischen Modernismus entstand. Wolfe wurde in Louisville, Kentucky, geboren und wuchs in Nashville, Tennessee, auf. Nach seinem Studium in Chicago an der Academy of Fine Arts und an der Art Students League of New York bei John French Sloan ging er nach Paris, um bei Pierre Lauren an der Académie Julian zu studieren. Seine Lithografie Red Eye's Hall von 1934 befindet sich in der Library of Congress. Seine Werke Mooneys Place, Women Bathing und Brother Matthew Preaching befinden sich im Smithsonian American Art Museum. Er unterstützte Louise Dahl-Wolfe in ihrer fotografischen Karriere, indem er Hintergründe für ihre Aufnahmen malte und bei geschäftlichen Problemen half. (Quelle: Wikipedia)

Carole Lombard mit Beau Brummel am Set von Fools For Scandal, für Harper's Bazaar, März 1938 | © Louise Dahl-Wolfe

[6] Carmel Snow, geborene White (* 21. August 1887 in Dalkey; † 7. Mai 1961 in New York City), war eine US-amerikanische Modejournalistin irischer Herkunft und von 1934 bis 1958 Chefredakteurin des US-amerikanischen Modemagazins Harper’s Bazaar. Von den 1930er bis in die 1950er Jahre galt sie in der amerikanischen Modebranche als tonangebend. (Quelle: Wikipedia)

Zwillinge mit Elefanten, Sarasota, 1947 | © Louise Dahl-Wolfe

[7] Lauren Bacall (* 16. September 1924 in der Bronx, New York, als Betty Joan Perske; † 12. August 2014 in Manhattan, New York) war eine US-amerikanische Schauspielerin. Sie zählte zu den Leinwandlegenden der "goldenen Ära" Hollywoods und spielte während ihrer 68 Jahre langen Karriere an der Seite von Stars wie John Wayne, Rock Hudson, Gary Cooper, Marilyn Monroe, Tony Curtis, Kirk Douglas und ihrem Ehemann Humphrey Bogart. Zu ihren berühmtesten Filmen gehören ihr Leinwanddebüt Haben und Nichthaben (1944), die Thriller Tote schlafen fest (1946) und Gangster in Key Largo (1948), die Liebeskomödie Wie angelt man sich einen Millionär? (1953) sowie der Film Liebe hat zwei Gesichter (1996), für den sie den Golden Globe Award und eine Oscar-Nominierung erhielt. In den 1970er Jahren feierte Bacall ausserdem grosse Erfolge als Theaterschauspielerin am Broadway. Für ihre Darstellungen in den Musicals Applause und Woman of the Year wurde sie mit dem Tony Award ausgezeichnet. Das American Film Institute wählte sie 1999 auf Platz 20 der 25 grössten weiblichen Filmstars. 2009 erhielt sie den Ehrenoscar für ihr Lebenswerk. (Quelle: Wikipedia)

Lauren Bacall, Saint Augustine, Florida, USA, 1943 | © Louise Dahl-Wolfe

[8] Horst P. Horst (* 14. August 1906 in Weißenfels als Horst Paul Albert Bohrmann; † 19. November 1999 in Palm Beach Gardens, Florida, USA) war ein amerikanischer Fotograf deutscher Herkunft. Er wurde durch seine Fotos für die Modezeitschrift Vogue und für seine Porträts berühmter Zeitgenossen bekannt. Er wird zu den bedeutenden Modefotografen des 20. Jahrhunderts gezählt. (Quelle: Wikipedia)

Rio de Janeiro, Brasilien, 1947 | © Louise Dahl-Wolfe

[9] Irving Penn war einer der grossen Fotografen des zwanzigsten Jahrhunderts, bekannt für seine fesselnden Bilder und seine meisterhafte Drucktechnik. Obwohl er mehr als sechzig Jahre lang als einer der Top-Fotografen der Zeitschrift Vogue gefeiert wurde, war Penn ein äusserst privater Mensch, der das Rampenlicht mied und seine Arbeit mit ruhiger und unermüdlicher Hingabe verfolgte. In einer Zeit, in der die Fotografie in erster Linie als Kommunikationsmittel verstanden wurde, näherte er sich ihr mit dem Blick eines Künstlers und erweiterte das kreative Potenzial des Mediums sowohl in seinem beruflichen als auch in seinem privaten Schaffen. (Quelle: The Irving Penn Foundation)

Rita Touhy auf dem Balkon des MoMA, 1940 | © Louise Dahl-Wolfe

[10] Richard Avedon (1923-2004) wurde in New York City geboren und lebte dort. Sein Interesse an der Fotografie wurde schon früh geweckt, und mit zwölf Jahren trat er dem Kameraclub der Young Men's Hebrew Association (YMHA) bei. Er besuchte die DeWitt Clinton High School in der Bronx, wo er zusammen mit James Baldwin die Literaturzeitschrift der Schule, The Magpie, herausgab. Im Jahr 1941 wurde er zum Poet Laureate of New York City High-Schools ernannt. (Quelle: The Richard Avedon Foundation)

Natalie in Grès coat, Kairouan | © Gift of Louise Dahl Wolfe, 1982, Center for Creative Photography, Arizona Board of Regents

Stadt Land Hund - Sibylle Bergemann

Sibylle Bergemann, Niederlande, 1986
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

"Ich halte die Modefotografie für eine künstlerische Ausdrucksform. Die Mode entscheidet allerdings über Ideen und Motive. Kann ich mit den Kleidern nichts anfangen, fallen mir auch keine Bilder ein."
Sibylle - Modefotografie aus drei Jahrzehnten DDR, Interview mit Dorothea Melis, 1998

Sibylle Bergemann, Birgit, Berlin 1984
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Die Ausstellung Stadt Land Hund - Fotografien 1966 - 2010 richtet, mit einer Auswahl von über 200 Fotografien, davon 30 bisher unveröffentlicht, einen retrospektiven und persönlichen Blick auf das Werk von Sibylle Bergemann. Sechs Kapitel - "Unsichtbare Beobachterin", "Berlin", "Frauen", "Moskau, Paris, New York", "Die Welt in Farbe" und "Zurück in Berlin" - führen thematisch und weitestgehend chronologisch durch das zwischen 1966 und 2010 entstandene Œuvre. "Lebensorte" - ein weiteres Kapitel präsentiert neben ihren Fotografien auch Bilder von Arno Fischer[1], Ute Mahler[2], Roger Melis[3] und Michael Weidt[4], das Einblick in Bergemanns private und soziale Räume geben. Hier zeigt sich insbesondere die Verbundenheit zu befreundeten Fotograf*innen in Ost-Berlin und zu ihren internationalen Kolleg*innen.

Sibylle Bergemann, Nina und Eva Maria Hagen, Berlin 1976
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Bereits mit fünfzehn Jahren wollte Sibylle Bergemann Fotografin werden. 1958 beginnt sich jedoch eine kaufmännische  Ausbildung und arbeitet in verschiedenen Betrieben als Sekretärin bis sie 1965 für die illustrierte Monatszeitschrift Das Magazin in Berlin tätig wird. Hier lernt sie ihren späteren Lebenspartner, den Fotografen Arno Fischer kennen, der damals an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Weissensee unterrichtete. Sie wird Teil eines inspirierenden Freund*innenkreises aus Künstler*innen, Mode- und Architekturstudent*innen. Durch ihre berufliche Routine und den intensiven Austausch mit befreundeten Fotograf*innen wie Brigitte Voigt[5], Arno Fischer und Roger Melis stört sich in den 1970er Jahren ihre Position im Bereich der Fotografie. Bergemann ist unter anderem von der französischen Fotografie inspiriert - von Eugène Atget[6] und Edouard Boubat[7]. Mehrfach unternimmt sie in der DDR Anstrengungen nach Frankreich zu reisen.

Sibylle Bergemann, Fenster, Berlin, undatiert
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

"Da ich mich nicht getraut habe, Menschen zu fotografieren, habe ich Fenster fotografiert. Wenn man sich die anguckt, hat man eine Vorstellung von den Bewohnern dahinter: Sehe ich Rüschen? Oder gar keine Gardinen? Fenster sind auch Menschen. Das war die Idee.
Die DDR nicht schick, aber kreativ, Freitag, 24. Februar 2009

Sibylle Bergemann, Ana Moura[8], Fado[9]sängerin, Lissabon 2006
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Frauen sind ein prägendes und wiederkehrendes Motiv im Œvres von Sibylle Bergemann. Oft sind es Schauspielerinnen, Künstlerinnen, Autorinnen und Models, die sie mit Neugier und Respekt aus ihrem Selbstverständnis als Frau fotografiert. Ausdruck und Pose der Frauen variieren. Sie sind mal humorvoll, mal aufsässig, mal lässig, mal stolz oder sinnlich. Für ihre kunstvoll arrangierten Bilder richtet sie ihre Figuren oft zentralperspektivisch aus, meist einzeln in glanzloser urbaner Umgebung. 1994 hält Sibylle Bergemann fest, dass sie die Wirklichkeit in die Bilder bringen möchte. Das flüchtige Gegenwärtige zeigt sich auch in ihrer Modefotografie. Sie will Mode situativ in natürlichen Lebensräumen aufnehmen. In einem Interview mit der ehemaligen Sibylle-Redakteurin Dorothea Melis sagt sie: "Wetter und Licht sind immer ein Risiko, aber aus der Improvisation entstehen oft unerwartet schöne Bilder."

Sibylle Bergemann, Lily, Prenzlauerberg, Berlin 2009
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Auch im wiedervereinten Deutschland arbeitet Sibylle Bergemann als selbständige Fotografin. Im Oktober 1990 gründet sie in Berlin mit Harald Hauswald[10], Ute Mahler, Werner Mahler[11], Jens Rötzsch, Thomas Sandberg[12] und Harf Zimmermann die Ostkreuz-Agentur der Fotografen. In dieser Zeit erhält Bergemann zunehmen internationale Aufträge. Sie wird 1997 wird sie von der Zeitschrift Geo für ihre erste Reportage beauftragt. Es folgen neunzehn weitere.

Sibylle Bergemann, Dakar, Senegal 2001
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Die Ausstellung Stadt Land Hund - Fotografien 1966 - 2010 von Sibylle Bergemann kann bis 10. Oktober 20222 in der Berlinischen Galerie - Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur an der Alten Jakobstrasse 124-128 in Berlin besucht werden.

Sibylle Bergemann, Bassé, Île de Gorée, Senegal 2010
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Katalog
Hrsg. Berlinische Galerie: Thomas Köhler und Katia
Reich. Mit Texten von Susanne Altmann, Bertram
Kaschek, Anne Pfautsch, Katia Reich, Jan Wenzel,
Frieda von Wild und Lily von Wild. Gestaltet von Büro
Otto Sauhaus. Hatje Cantz Verlag, deutsch/englisch,
264 Seiten, 250 Abbildungen.
ISBN 978-3-940208-73-6, 34,80 € (Museumsausgabe)
ISBN 978-3-7757-5207-7, 48,00 € (Buchhandelsausgabe)

Sibylle Bergemann, Katharina Thalbach, Berlin 1974
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Anlässlich der Ausstellung erscheint ein vierteiliges Audio-Feature über die Fotografin Sibylle Bergemann. Der Podcast ist über alle gängigen Streaming Plattformen sowie auf der Website der Berlinischen Galerie und abrufbar: bg.berlin/bergemann-podcast

Sibylle Bergemann, Maria Voigt, Berlin 1994
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Die Berlinische Galerie ist ein Museum des Landes Berlin. Offiziell trägt es den Beinamen Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur. Das Museumsgebäude befindet sich in der Alten Jakobstraße im Berliner Ortsteil Kreuzberg. Die Berlinische Galerie sammelt in Berlin seit 1870 entstandene Kunst mit einem regionalen und internationalen Schwerpunkt.

Sibylle Bergemann, Meret Becker, Berlin 1998
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Freund*innenkreis der Berlinischen Galerie: Der Förderverein der Berlinischen Galerie engagiert sich für die Realisierung von Ausstellungen, Ankäufen und Bildungsprojekten. Als Dankeschön gibt es für die Freund*innen freien Eintritt in das Museum und exklusive Veranstaltungen wie Previews, Kurator*innen-Führungen, Atelierbesuche oder Kunstreisen.

Jung und Artig – die jungen Freund*innen der Berlinischen Galerie – sind eines der grössten Netzwerke von Kunstfans unter 30. Sie unterstützen ihr Lieblingsmuseum und entdecken gemeinsam die Berliner Kunstszene.

Sibylle Bergemann, P2, 1981

© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ

Sibylle Bergemann, Marisa und Liane, Sellin 1981
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ

Sibylle Bergemann, Das Denkmal, Berlin, Februar 1986
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Sibylle Bergemann, Zussa, Berlin 1999
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Sibylle Bergemann, Bernauer Strasse, Berlin 1990
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Sibylle Bergemann, Dakar, Senegal 2001
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin

Sibylle Bergemann, Shibam, Jemen 1999
© Estate Sibylle Bergemann/OSTKREUZ. Courtesy Loock Galerie, Berlin














[1] Arno Fischer (14. April 1927 in Berlin-Wedding - 13. September 2011 in Neustrelitz) war ein deutscher Fotograf und Hochschullehrer. (Quelle: Wikipedia)

[2] Ute Mahler, geboren 1949 in Berka (Thüringen), schloss ihr Studium der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig 1974 ab. Von 2000 - 2015 war sie Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Sie ist Gründungsmitglied von OSTKREUZ. Ute Mahler lebt in Lehnitz bei Berlin. (Quelle: Ostkreuz)

[3] Der Berliner Fotograf Roger Melis (1940-2009) gehörte neben Evelyn Richter, Arno Fischer und Sibylle Bergemann zu den Mitbegründern des ostdeutschen Fotorealismus. Mit seinen viel gerühmten Porträtfotografien prägte er von der Mitte der 1960er Jahre bis zur Jahrtausendwende maßgeblich das »Antlitz« der deutschen Literatur. Daneben entstanden zahlreiche Reportagen für Zeitungen und Zeitschriften in Ost und West, aus denen 2006 das inzwischen weitverbreitete Fotobuch »In einem stillen Land« als seinerzeit erstes komplexes fotografisches  Porträt des DDR-Sozialismus hervorging. Mode fotografierte er vorzugsweise für die Zeitschrift »Sibylle«. Besondere Popularität erlangte sein  Städteporträt »Paris zu Fuß«, das eine Auflage von 40.000 Exemplaren erreichte. (Quelle: Mathias Bertram)

[4] Michael Weidt (* 1946 in Berlin-Moabit) ist ein deutscher Fotograf, der vor allem Porträts von DDR-Künstlern aus Film, Theater, Bildender Kunst, Tanz und Musik schuf. (Quelle: Wikipedia)

[5] Brigitte Voigt (*1934) studierte ab 1958  Grafik an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee. Arno Fischer, der hier als Oberassistent tätig war, entdeckte und förderte ihr Talent zur Fotografie. Als erste Studentin legte sie als Diplomarbeit ein selbstgestaltetes Fotobuch vor und gehörte fortan zu dem Kreis von Fotografen um Arno Fischer, aus dem 1969 die Fotogruppe »Direkt« hervorging. Mit Fotofeuilletons, die sie in Zeitschriften wie der NBI und der SIBYLLE veröffentlichte, erwies sie sich als eine Mitbegründerin der ostdeutschen Autorenfotografie. Von 1965 bis 1988 leitete sie die Bildredaktion der Zeitschrift »Das Magazin« in ­Berlin und wurde in dieser Funktion selbst zu einer maßgeb­lichen Förderin der Autorenfotografie. Im Zentrum ihres Werkes stehen Künstlerporträts und Beobachtungen zur Persönlichkeitsent-wicklung von Kindern und Jugendlichen. (Quelle: Mathias Bertram)

[6] Jean Eugène Auguste Atget (* 12. Februar 1857 in Libourne; † 4. August 1927 in Paris) war ein französischer Fotograf. (Quelle: Wikipedia)

[7] Édouard Boubat (* 13. September 1923 in Paris; † 30. Juni 1999 in Montrouge) war ein französischer Fotograf und Fotojournalist. (Quelle: Wikipedia)

[8] Ana Cláudia Moura Pereira (* 17. September 1979 in Santarém) ist eine portugiesische Fado-Sängerin. Sie gehört zu den erfolgreichsten Fadosängerinnen des 21. Jahrhunderts, mit zahlreichen Auszeichnungen und etwa einer Million verkaufter Alben weltweit. (Quelle: Wikipedia)

[9] Fado ([ˈfaðu]; portugiesisch für „Schicksal“; von lateinisch fatum „Schicksal“) ist ein portugiesischer Musikstil und ein portugiesisches Vortragsgenre, beheimatet vor allem in den Städten Lissabon und Coimbra. Werke dieses Stils handeln meist von unglücklicher Liebe, sozialen Missständen, vergangenen Zeiten oder der Sehnsucht nach besseren Zeiten, und vor allem von der saudade (annähernd: Weltschmerz). Der Fado enthält unter anderem arabische Elemente, viele Tonhöhensprünge, bevorzugt Mollmelodien und drückt jenes Lebensgefühl aus, das die Portugiesen angeblich miteinander verbindet. 2011 wurde der Fado in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. (Quelle: Wikipedia)

[10] Harald Hauswald wurde 1954 in der sächsischen Provinz Radebeul geboren und ist Gründungsmitglied der Agentur OSTKREUZ. Nach einer Lehre als Fotograf zog er 1977 nach Ostberlin und wurde dort in den Verband Bildender Künstler der DDR (VBK) aufgenommen. Das soziale Interesse machte ihn zusammen mit seiner künstlerischen Ambition innerhalb kürzester Zeit zu einem bedeutenden Fotografen des Ostens. Als erster DDR-Fotograf veröffentlichte er unter anonymen Namen Fotoreportagen in westlichen Magazinen wie GEO, dem Zeitmagazin oder der Taz. Mittlerweile ist Harald Hauswald Träger des Bundesverdienstkreuzes und wurde mit mehr als 250 Einzelausstellungen in ganz Deutschland, den USA, Frankreich, Italien und den Niederlanden, sowie unterschiedlichsten Publikationen zum Thema Ost-Berlin, zu einem angesehenen deutschen Fotografen. Seine Bilder aus der Zeit vor der Wende haben das Bild der DDR und die Erinnerungen an Ostberlin deutlich mitgeprägt. (Quelle: Ostkreuz)

[11] Werner Mahler wurde 1950 in Boßdorf, Sachsen Anhalt geboren. Seine fotografische Karriere begann er 1971 als Assistent von Ludwig Schirmer. 1978 schloss er sein Studium der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ab. In seinen Arbeiten der 70er und 80er Jahre dokumentierte er auf eindringliche Weise das Leben in der DDR, etwa den Alltag in einem thüringischen Dorf, die Arbeit in einem Steinkohlebergwerke bei Zwickau oder die politisch aufgeladenen Derbys zwischen den Fußballvereinen FC Union und BFC Dynamo.Nach der Wende begründete Werner Mahler die Agentur OSTKREUZ mit, deren Geschäftsführer er bis heute ist. 2005 rief er gemeinsam mit Thomas Sandberg die OSTKREUZSCHULE für Fotografie ins Leben. In seinen neueren Arbeiten kommen häufig historische Kameras zum Einsatz. Mit der Camera Obscura schaffte er traumartige Sequenzen von Schweizer Seen, brandenburgischen Landschaften oder Leonardi da Vincis Wirkstätten in Norditalien. Gemeinsam mit seiner Frau Ute Mahler fotografierte er mit einer alten Plattenkamera Mädchen im Übergang, zwischen Stadt und Land, Kindheit und Reife. Das so entstandene Buch- und Ausstellungsprojekt Monalisen der Vorstadt wurde 2011 mit dem Kunstpreis Fotografie der Lotto Brandenburg ausgezeichnet. (Quelle: Ostkreuz)

[12] Thomas Sandberg: Wir begehren was wir sehen. Den Dingen im Bild habhaft werden, ist der Urinstinkt jedes Fotografen, der Rest ist erlernbar. Meine Kamera ist mein Tatwerkzeug und meine Komplizin. Der Sucher hilft mir Entscheidungen zu fällen. Das Objektiv zeigt mir, auch das was ich nicht sah. Der Film fixiert meine Gedanken. Aber das Wichtigste, das ist der Verschluss, er löst aus der Zeit und erlöst mein Gefühl. (Quelle: Ostkreuz Schule)

ANITA'S POINT OF VIEW // Hommage an Anita Neugebauer

Bas de Schiapparelli, 1939 | © Gisèle Freund

Anita Neugebauer (1916-2012) gründete 1976 die erste Fotogalerie der Schweiz und setzte sich die Vermittlung von internationaler und nationaler Fotografie zum Ziel. Mit ihrer Galerie-, Ausstellungs- und Sammeltätigkeit wurde sie zu einer wichtigen Wegbereiterin für die weitere Entwicklung der Fotografie in der Schweiz. In der diesjährigen Ausgabe widmet die photo basel mit der Ausstellung ANITA’S Point of View eine Hommage der Person, die so viel für die Schweizer Fotografie getan hat.

Untitled, 1978 | © Derek P. Bennett

Die Leidenschaft für Fotografie zeigte sich bei Anita Neugebauer, die 1916 in Berlin geboren wurde, bereits nach dem Schulabschluss. Sie besuchte eine Fotoschule und erlernte die Fotografie von der Pike auf. Unter der Bedrohung von Hitlers Antisemitismus wanderte sie mit ihrer Mutter 1938 nach Buenos Aires aus und zog 1947 mit ihrem Ehemann, dem Mediziner Josef Neugebauer, nach Basel. Es folgten einige Jahre in denen sich Anita Neugebauer dem Familienleben widmete, bevor sie sich wieder intensiv der Fotografie zuwandte. Ein Wiedereinstieg in den fotografischen Beruf kam für sie nicht mehr in Frage, da sie ihrer eigenen Ansicht nach mit den neuen Technologien nicht mehr vertraut war. Da sie trotzdem stets grosses Interesse an der Fotografie und dem Kontakt mit Fotografierenden hegte, entschied sie sich einen anderen Weg einzuschlagen.

The Table, 1984 | Christian Vogt

Der Gedanke eine Fotogalerie in der Schweiz zu eröffnen war in den 1970er Jahren kein naheliegendes Unterfangen. Während in den USA die Fotografie bereits seit den 1950er Jahren einen Platz in Museen und Galerien hatte, hinkte die Schweiz hinterher. Erst mit der Gründung der Stiftung für die Photographie und deren Ausstellungstätigkeit im Kunsthaus Zürich 1974 wurde die Fotografie erstmals in der Schweiz in einem Kunstmuseum gezeigt. Dass Fotografie auch im Galerienkontext ausgestellt und verkauft werden kann, zeigte Neugebauer wenige Jahre später mit der Gründung ihrer Fotogalerie photo art basel 1976. Walter Binder, der gemeinsam mit Rosellina Burri-Bischof die Stiftung für die Photographie initiierte, beschrieb die Eröffnung von Neugebauers Fotogalerie als „eine Pioniertat weit über Basel hinaus“ und Charles-Henri Favrod, der spätere Gründer und Direktor des Musée de l'Elysée in Lausanne, bezeichnete Neugebauers neuen Ausstellungsraum als “la galerie des merveilles”. Anita Neugebauer war sich ihrer Pionierrolle, aber auch den damit zusammenhängenden Vorurteilen bewusst und schien insbesondere deshalb einen Reiz an der Vermittlung zu finden. Sie wollte der breiten Öffentlichkeit zeigen „was das ist – Fotografie“ und dass diese auch in der Schweiz ein fester Bestandteil der Kunstwelt und des Kunstmarktes sein sollte.

NYC, 1963 | © Lee Friedlander

Ihre Weggefährt:innen bezeichneten Anita Neugebauer als wahre Gastgeberin, die im Herzen Basels an der Adresse St. Alban-Vorstadt 10 einen 35 Quadratmeter kleinen White Cube mit Ausstellungen bespielte. „Meine Mutter suchte ganz Basel nach dem idealen Raum für ihr Vorhaben ab“, berichtet Claudia Neugebauer. „Der kleine Ausstellungsraum wurde zu einem Ort des Austausches: Fotograf:innen brachten ihre Mappen vorbei und präsentierten ihre Arbeiten, Besucher:innen verweilten lange in den Ausstellungen, Freund:innen kamen stets vorbei – es war ein Kommen und Gehen und jeder wurde willkommen geheissen. Die Galerie photo art basel war ein lebendiger Treffpunkt für alle Fotoliebhaber:innen.“ Anita Neugebauer war sich allerdings auch der Macht des Bildes und ihrer heiklen Position, den schmalen Grat zwischen Ästhetik, Dokumentation und Kunst zu finden, bewusst. Obwohl sie selbst dem Holocaust entkommen war, stellte sie nie Werke aus, die nach Aufmerksamkeit schrien – sie lehnte es ab, die Betrachtenden durch Voyeurismus zu schockieren. Neben ihrer humanistischen Herangehensweise an die Themen der Fotografie verstand Neugebauer es gut, internationale Fotograf:innen mit nationalen sowie lokalen zu vermischen. Sie brachte angesehene Fotograf:innen aus aller Welt nach Basel – meist zum ersten Mal – und bot gleichzeitig bekannten und unbekannten Schweizer Fotograf:innen die Möglichkeit auszustellen. Die Eröffnungsausstellung ihrer Galerie widmete sie gleich dem französischen Fotografen Robert Doisneau und im weiteren Verlauf ihrer 30-jährigen Tätigkeit kuratierte Anita Neugebauer mehr als 100 Ausstellungen mit Fotografien von Jan Saudek, Édouard Boubat, Ruth Mayerson Gilbert, Hugo Jaeggi, Floris Neusüss, René Mächler, Monique Jacot, Roman Vishniac, Lee Friedlander und vielen weiteren. Bei dieser Auflistung darf auch die Fotografin Gisèle Freund nicht fehlen, die Anita Neugebauer bereits während ihrem Aufenthalt in Buenos Aires kennenlernte und mit der sie eine jahrelange, enge Freundschaft führte. Neben der regen Ausstellungs- und Vermittlungstätigkeit nahm die Galerie photo art basel als eine der ersten Fotogalerien an der Art Basel teil.

Ile de Kavoi, 1991 | © Monique Jacot

in Zusammenarbeit mit Claudia Neugebauer und der Fabian & Claude Walter Galerie bemühten wir uns, einen intimen Einblick in die Welt von Anita Neugebauer zu geben. Ziel dieser Hommage ist es nicht, Fotografien zu einem bestimmten Thema oder einer ausgewählten Zeitspanne zu zeigen, sondern vielmehr Anita Neugebauers Sicht auf die Fotografie sowie ihre Freude und Leidenschaft gegenüber dem Medium zu vermitteln und dadurch Anita's Point of View zu präsentieren.

Tangierende Kreise 2, 1991 | © René Mächler

Contemporary African Photography prize – Bekanntgabe der Shortlist 2022

Kroo Bay ist eine inoffizielle Wohnsiedlung an der Küste im Zentrum von Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone. Im Jahr 2009 lebten dort schätzungsweise 10'989 Menschen. Den Bewohner:innen von Kroo Bay fehlt ein angemessener Zugang zu sanitären Einrichtungen und Gesundheitsdiensten. Dennoch gedeiht die Gemeinde und die Einwohner:innen von Kroo Bay schätzen den Ort, den sie als ihre Heimat betrachten. Kadiatou Kamarra, 25, seit acht Jahren Einwohnerin von Kroo Bay, steht für ein Portrait neben ihrem Haus. Die für die Collage verwendeten Texturen stammen aus dem verschmutzten Meerwasser, das die Gegend umgibt und das während der Regenzeit Teile der Region überflutet. 2021

Bereits zum elften Mal hatten Fotograf:innen die Möglichkeit ihre Arbeiten, die auf dem afrikanischen Kontinent entstanden sind oder die sich mit der afrikanischen Diaspora auseinandersetzen, einzureichen. Die international zusammengesetzte Jury hat 25 Arbeiten ausgewählt. Eine Selektion aus der Shortlist:

Die Bewohner:innen der Gemeinde Tombotima lebt von Viehzucht und dem Anbau von Gemüse und Cashewnüssen. Sie haben keinen Brunnen und müssen weite Strecken zurücklegen, um Wasser zu holen, das verschmutzt ist. Die Männer sind für das Wasserholen zuständig, da es für Frauen zu gefährlich ist, insbesondere wenn sie schwanger sind. Die Gemeinde hat festgestellt, dass es nicht mehr so häufig und so schnell regnet wie früher, was sich auf ihre Einnahmequelle – die Landwirtschaft - auswirkt. Kadiatou H. Kamarra, Maa Kanu und Mariatu Kanu sind Bäuerinnen, Mütter und Ehefrauen. Alle drei Frauen haben müssen mit der drastischen Veränderung der Wasserreserven umgehen, und alle drei mussten ihre Schulausbildung aufgrund der Abwesenheit oder dem frühen Tod ihrer Eltern abbrechen und heiraten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie stehen unter einem Cashewnussbaum der Gemeinde und tragen Cashewnusszweige auf dem Kopf. 2021

“Wata Na Life”, for Wateraid & British Journal of Photography, 2021
Wata Na Life – Wasser ist Leben in Krio; ist ein Satz, den man in Sierra Leone, einem Land, in dem Wasser einer Währung gleichkommt immer wieder hört. Im Auftrag von Wateraid und dem British Journal of Photography verbrachte Ngadi Smart drei Monate in ihrem Herkunftsland, um den Zusammenhang zwischen Wasser und dem sich verändernden Klima zu erforschen. Sie fand Gemeinschaften, die sich so gut wie möglich an die Folgen einer durch das Klima verschärften Wasserkrise, inmitten von Korruption und mangelnder staatlicher Planung vor.

Das Projekt ist eine deutliche Absage an die häufig "entmenschlichende" Darstellung der afrikanischen Entwicklungsländer in den westlichen Medien. Mit lebendigen Collagen erschafft sie ein Gegenpool zum "tropischen Armutsporno", indem sie das Wesen und die Identität der Menschen und Orte in Sierra Leone mit Landschaften, Portraits und Objekten der einzelnen Orte zu authentischeren Darstellungen, als es ein einzelnes Bild vermitteln vermag. Sie wünscht sich, dass sich die Menschen in Sierra Leone das Werk anschauen und stolz auf ihr Land sind.

Ngadi Smart (*1988) wurde in London geboren, wo sie heute lebt.

Untitled, from White Gold Series, 2021 | © Amina Kadous

White Gold 2021
Die ersten Samen ihrer Identität wurden in El Mehalla Al Kobra gepflanzt, ihrer Heimat und der ägyptischen Baumwolle. Durch ihre jungen Augen erstrahlte das Haus ihres Grossvaters mit Licht und Erinnerungen, die die Baumwollfäden widerspiegeln, die sich über drei Generationen reichen. Ihr Urgrossvater war Seiden- und Wollhändler, einer der ersten in El Mehalla, der die Anfangsphase des damals populären werdenden Textilhandels prägte. In den späten 1960er Jahren gründete Ihr Grossvater eine Textilfabrik in der Stadt, in den 1980er Jahren folgte ihr Vater und pflanzte Baumwollsaat.

Sie stützt sich auf das Vermächtnis ihrer Grosseltern, deren Archive und der erodierenden Geschichte ihrer Heimat Ägypten und versucht mit dieser Arbeit die übriggebliebene und verdorrte Baumwollsaat wieder zu verbinden und zu sammeln. Einst ein wichtiges Symbol für die ägyptische Identität und des kulturellen Reichtums, dass sie mit der Vergangenheit, der Entwicklung, der Erosion und dem heute verbindet. Sie stellt sich die Fragen was gewesen sein könnte, was könnte noch sei und was sie verloren haben?

Amina Kadous (*1991) in El Mehalla geboren und lebt heut in Kairo, Ägypten.

Junior Mungongu. 2021 | © Colin Delfosse

Fulu Act, 2021
In den Strassen Kinshasas machen Künstler:innen auf die Herausforderungen aufmerksam, mit denen die kongolesische Hauptstadt zu kämpfen hat. In einer zunehmend zerstörten Umwelt hinterfragen sie den Überfluss an Konsumgütern und Müll, indem sie sie zu Kostümen recyceln. Als Kollektiv treten sie in den Strassen auf und prangern gesellschaftliche Probleme an: fehlende Gesundheitsversorgung, Umweltverschmutzung, Abholzung und Überkonsum. Mit einer urbanen Kultur und symbolischen Ritualen ihrer Vorfahren treten die Künstler:innen in einen Dialog mit dem Einwohner:innen der Stadt.

Die demografische Explosion dieser Megalopolis in Verbindung mit den wachsenden Bedürfnissen, einer globalen Wirtschaft und einem grossen Appetit auf Einwegplastik haben zu einer massiven Einfuhr von Konsumgütern geführt, die eine Verwüstung hervorrufen. Die Folgen sind alarmierend: 13 Millionen Einwohner erzeugen jeden Tag 7 Tonnen Abfall. Arme Stadtviertel sind am stärksten betroffen – die Ungleichheit wird verstärkt.

Ausserhalb des Stadtzentrums reihen sich Slums an Slums aneinander – ohne jegliche Infrastruktur. Die Beschaffung von Lebensmitteln und die Fortbewegung stellen eine tägliche Herausforderung dar. Der kongolesische Staat ist nicht in der Lage, grundlegende Probleme wie fehlende Strassen, Kanalisationen und Strom zu lösen.

In diesen Vierteln verkörpern die Künstler:innen ihre Stadt neu, indem sie zeitgenössische Mythen schaffen. Was die traditionellen Rituale betrifft, so verkörpern sie den Archetypus der Natur, der sich den wichtigsten Herausforderungen der Umwelt konfrontiert und stellen unsere Modernität in Frage.

Colin Delfosse (*1981) ist in Ixelles geboren und lebt in Brussels, Belgien.

L‘origine du monde. 2018 | © Fatimazohra Serri

Shades of Black, 2022
2017 hat Fatimazohra Serri aus einem tiefen Bedürfnis mit diesem Langzeitprojekt begonnen, um ihre Gedanken und ihrer Ablehnung der Situation, in der sie sich und die Frauen, die sie umgeben auszudrücken. Sie möchte mit der Arbeit die Situation der Frauen in der marokkanischen Gesellschaft, insbesondere die konservative Seite anhand der Realität ihres Lebensunterhaltes und den verschiedenen Herausforderungen aufzeigen, mit denen sie konfrontiert sind. Sie lässt sich von ihrer Umgebung inspirieren, von Frauen, die sie kennt, von Situationen, die sie selbst täglich erlebt. Ihre Bilder spiegeln das Leben der Frauen in der marokkanischen Gesellschaft wider. Das Projekt ist auch eine Vertiefung der Erkundung von Weiblichkeit, von Sexualität und der Beziehung zwischen Frauen und Männern.

Fatimazohra Serri (*1995) ist in Taza geboren und lebt in Nador, Marokko.

Reflected Refraction. 2022 | © Mekbib Tadesse

Lost in Connection, 2022
"Ein Eichhörnchen, das vor Ihrem Haus stirbt, kann für Ihre Interessen relevanter sein als Menschen, die in Afrika sterben." Mark Zuckerberg
Prägnanter könnte dieser Satz den Stellenwert und den Platz von Afrikaner:innen in der virtuellen Welt nicht besser ausdrücken. Eigentlich sollte das Internet die Welt zusammenbringen und doch entscheiden Kodierungen und Algorithmen was wir sehen, um mit kommerziellen Absichten Emotionen zu wecken und uns mit den gleichen Dingen wieder trennen. Was uns verbinden sollte, trennt uns. Es ist offensichtlich, dass der allgemeine Konsum von Onlineinhalten, geblendet von Freuden der virtuellen Erfahrung, seinen Preis hat, sei es Chaos, Ablenkung, Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit oder anderes. Algorithmen drängen uns in eine Ecke, aus der wir kaum entkommen können. Mekbib Tadesse ist überzeugt, dass in dieser Auseinandersetzung der afrikanische Kontext nur am Rande eine Rolle spielt. Während afrikanischen Länder versuchen, ihre Bevölkerung mit Internet zu versorgen und zu erreichen, haben viele App-Entwickler die Idee der Nutzungslücke verdrängt und den Konsum virtueller Inhalte unterschätzt. Soziale Medien sind nicht das Problem, aber sie sind der Motor für das Chaos, das wir derzeit erleben.

 Mekbib Tadesse (*1989) wurde in Addis Abeba, Äthiopien geboren, wo sie heute lebt.

Ma kwela. 2022 | © Robert Nzaou Kissolo

Louzolo, 2022
Louzolo – Liebe in Kikongo einer lokalen, kongolesischen Sprache. Die Serie beleuchtet die Sprache der Liebe in der kongolesischen Gesellschaft, die Gebote und Verbote, was akzeptiert wird und was nicht… Wie viel ist zu viel, wie kann, darf man Liebe in der Öffentlichkeit ausdrücken. Die Bilder zeigen ein vertauschtes Rollenbild, wie es in den meisten kongolesischen Haushalten üblich ist. Kleine Dinge, die die Wertschätzung zwischen Männern und Frauen bedeuten.

Robert Nzaou Kissolo (*1976) wurde in Nkayi geboren und lebt heute in Pointe-Noire, DR Kongo.

Mrs. May. 2021 | © Remofiloe Nomandla Mayisela

Lip Service, 2022
Lip Service erforscht den Gedanken, der hinter dem berühmt, berüchtigten Satz: "Der Weg zum Herzen eines Menschen führt durch seinen Magen." Ein Sprichwort, das auf der ganzen Welt bekannt ist. Im Laufe der Jahre wurden Frauen Räume zugewiesen, die von der patriarchischen Gesellschaft gestützt wird. Oft sind die Räume auf das Haus, die Wohnung, insbesondere die Küche begrenzt. Innerhalb der etablierten Konsumkultur funktionieren Frauen weiterhin als Warenfetisch – eine Erfahrung, die nicht durch Nationalität und Geografie begrenzt wird. Der Vergleich von Frauen mit Lebensmitteln ist ein beliebtes rhetorisches Mittel, um Frauen auf die gleiche Stufe zu stellen – leicht zu bekommen und zu geniessen. Als junge moderne Makoti [1]begann Remofiloe Nomandla Mayisela in einer institutionellen Verbindung wie der Ehe die starke kulturelle, patriarchalische Zuweisung von Frauen in die Küche und ihrer Körper für den Konsum zu spüren. 

Remofiloe Nomandla Mayisela (*1994) wurde in Johannesburg geboren, wo sie heute lebt.

Die fünf Gewinner:innen werden am 17. Juni, 17 Uhr im Rahmen der photo basel bekannt gegeben.

Der CAP-Preis ist der internationale Preis für zeitgenössische afrikanische Fotografie, der seit 2012 jährlich an fünf Fotografen verliehen wird, deren Werke auf dem afrikanischen Kontinent entstanden sind oder die sich mit der afrikanischen Diaspora auseinandersetzen.

[1] Makoti – Braut oder Schwiegertochter. Ein in Südafrika weit verbreiteter kultureller Begriff.

Encounter…

Aus der Serie Encounter | © Silvia Rosi

Encounter ist ein fiktives Familienalbum, das die Erzählungen von Migration und Diaspora durch Selbstportraits, Theatralik und Symbolik erforscht. Inspiriert von einem Bild ihrer Mutter, die in ihrer Jugend auf dem Markt von Lomé arbeitete, zeichnet Silvia Rosi die Migration ihrer Eltern von Togo nach Italien nach.

Aus der Serie Encounter | © Silvia Rosi

Mit eigenen künstlerischen Strategien und der Tradition der westafrikanischen "Studioportraits" entwickelt sie die Inszenierung ihrer Familiengeschichte. Sie stellt die Visualisierung der italienischen Afro-Abstammung und die ständige Arbeit der Identitätsverhandlung. Mit Encounter hinterfragt Silvia Rosi den Betriff der Identität, der sich für diese Italiener und Italienerinnen mit diasporischer Abstammung in ständiger Entwicklung befindet.

Aus der Serie Encounter | © Silvia Rosi

Ihre Bilder erwähnen Themen der in die Gegenwart geholten Tradition und der Auswirkungen der Migration. Ein zentraler Aspekt in ihrer Arbeit ist die Beobachtung des traditionellen Transportierens auf den Köpfen. Sie beleuchtet die Komplexität familiärer Beziehungen und die (Selbst-)Darstellung familiärer Bindungen als ein Ort, an dem strukturelle soziale Fragen auftauchen und Subjektivitäten gefeiert werden, die im Mainstream verborgen sind.

Aus der Serie Encounter | © Silvia Rosi

Silvia Rosi (*1992) lebt zwischen England und Italien. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Fotografie vom London College of Communication. Im Jahr 2020 gewann sie den Jerwood/Photoworks Award und den Portrait of Britain Award des British Journal of Photography. Ihre Arbeiten wurden in mehreren Ausstellungen in London gezeigt, darunter der Taylor Wessing National Portrait Prize, die Autograph ABP New Artist Commissions und das PHMuseum Days Photo Festival. Auftrag des Jerwood/Photoworks Awards 2020

Aus der Serie Encounter | © Silvia Rosi

Encounter ist bis am 29. Mai im Rahmen von Circulation(s) in Paris und an den Bieler Fototagen im Photoforum Pasquart zu sehen.

Aus der Serie Encounter | © Silvia Rosi

Preview photo basel 2022…

Bildhalle | © Ilona Langbroek, Bogoriana 2022

Die siebte Ausgabe der photo basel - erste und bislang einzige Kunstmesse für Fotografie der Schweiz, findet vom 14. bis 19. Juni 2022 im Volkshaus Basel zeitgleich mit der Art Basel statt.

Artco Galerie | © Johanna Maria Fritz, Kabul-Afghanistan, 2017

Seit der ersten Ausgabe 2015 hat die photo basel ihr Profil als bedeutendste Fotomesse im deutschsprachigen Raum gefestigt. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Fotografie immer mehr in den internationalen Museen etabliert und bildet ein zentrales Fundament in der jüngeren Kunstgeschichte. Die photo basel möchte als Kunstmesse aktiv zu diesem Dialog beitragen und die Kunstfotografie mit all ihren Interessengruppen gleichzeitig während der Art Basel zusammenführen.

Galerie 94 | © Anna Lehmann-Brauns, Museum der Unschuld Istanbul, 2020

40 internationale Aussteller*innen aus 18 Ländern nützen die photo basel ihre Künstler*innen Sammler*innen und einem interessierten Publikum zu präsentieren. Auch dieses Jahr können neu hinzugekommene Galerien und ihre Künstler*innen entdeckt werden: The Photographer’s Gallery (London), Analix Forever (Geneva), Bonne Espérance (Paris), Contour Gallery (Rotterdam), die Mauer (Prato), Espace L (Geneva), Galerie XII (Paris & Los Angeles), Mars Gallery (Melbourne), ToBe Gallery (Budapest), Versus Art Projects (Istanbul).

Contour Gallery | © Margriet Smulders, Who likes Red, Yellow and Blue,2020

Galerien der 7. Ausgabe der photo basel
Alex Schlesinger, Zürich
Analix Forever, Geneva
Artco, Aachen, Berlin & Cape Town
Arte Giani, Frankfurt
Baudoin Lebon, Paris
Bildhalle, Zürich & Amsterdam
Bonne Espérance*, Paris
Camara Oscura, Madrid
Catherine & André Hug, Paris
Clair by Kahn, Zürich
Contour Gallery*, Rotterdam
Die Mauer*, Prato
Galerie Dix9, Paris
Dorothée Nilsson Galerie, Berlin
Galerie Echo119, Paris
Espace L*, Geneva
Fabian & Claude Walter Galerie, Zürich
Galerie 94, Baden
Galerie Bart, Amsterdam
Galerie Esther Woerdehoff, Paris & Geneva
Galerie l'antichambre, Chambéry
Galerie Peter Sillem, Frankfurt
Galerie Springer Berlin, Berlin
Galerie STP, Greifswald
Galerie Monika Wertheimer, Oberwil/Basel
Galerie XII*, Paris & Los Angeles
Galerija Fotografija, Ljubljana
Hartmann Books, Stuttgart
Ibasho, Antwerpen
ISSP, Riga
Kahmann Gallery, Amsterdam
Mars Gallery*, Melbourne
Migrant Bird Space, Berlin & Beijing
Python Gallery*, Zürich
Photon, Ljubljana & Vienna
Red Lab Gallery*, Milano
The Photographers’ Gallery*, London
ToBe Gallery*, Budapest
Versus Art Project*, Istanbul
Willas Contemporary*, Oslo & Stockholm

Red Lab Gallery | © Yorgos Yatromanolakis, 004, 2018

Für die siebte Ausgabe konnte photo basel Sonia Voss als künstlerische Leiterin gewinnen. Ihre wichtigsten Ausstellungen: Isabelle Le Minh: Cristal réel. After Alfred Ehrhardt (Goethe Institut Paris & Alfred Ehrhardt Foundation Berlin, 2019-20); Restless Bodies: Ostdeutsche Fotografie 1980-89 (Rencontres d'Arles, 2019), Louis Roederer Discovery Award 2021 (Rencontres d'Arles, 2021) und zwei Ausstellungen im Musée de la Chasse et de la Nature in Paris: Sophie Calle, Serena Carone: Beau doublé, Monsieur June 14 - 19, 2022 ©PUTPUT Popsicles 2012 - Courtesy Galerie Esther Woerdehoff le marquis! (2017-18) sowie George Shiras: In the Heart of the Dark Night (2016-17). Sonia Voss ist zudem Autorin bei folgenden Verlagshäusern tätig Éditions Xavier Barral, Koenig Books, Filigranes und Kehrer.

Galerie XII Paris | © Mona Kuhn, An Open Door, 2006

photo basel Benefiz Edition
Aufgrund des andauernden Krieges in der Ukraine, wird die photo basel die Werke von 5 Künstler*innen mit ukrainischer Herkunft in einer Sonderedition auf der Messe verkaufen. Der Erlös wird vollumfänglich gespendet.

Les mains de Suzana, 1939 | © Gisele Freund

Hommage an Anita Neugebauer
Anita Neugebauer (1916-2012) gründete 1976 mit der Galerie "photo art basel" die erste Fotogalerie der Schweiz und setzte sich die Vermittlung von internationaler und nationaler Fotografie zum Ziel. Mit ihrer regen Galerie-, Ausstellungs- und Sammeltätigkeit wurde sie zu einer wichtigen Wegbereiterin für die weitere Entwicklung der Fotografie in der Schweiz. Die photo basel widmet in der diesjährigen Ausgabe mit der Sonderausstellung "Anita’s Point of View" eine Hommage an die Pionierin der Schweizer Fotogalerien. Kuratiert wird diese Sonderausstellung unter anderem von ihrer Tochter, Claudia Neugebauer sowie Alessia Widmer.

Art, FineArt, Art FairMiryam Abebe
Family Affair…

© Ismail Zaidy

Bereits als Kind war Ismail Zaidy angetan von der Art und Weise wie Frauen ihre Stoffe, zum Beispiel der Djellaba[1], auf der Strasse trugen, diese traditionellen Kulturen und Kleidungsweisen inspirieren den Fotografen noch heute.

© Ismail Zaidy

Fotografie ist für Ismail Zaidy eine "Familienangelegenheit". 2018 hat er mit dem Projekt "3aila" (عائلة, arabisch Familie) gestartet. Seine Geschwister Fatima und Othmane spielen eine wichtige Rolle bei der Ideenfindung hinter den Bildern. Die Bilder nimmt er mit seinem Handy im Studio Sa3ada, ein Raum, den sie auf dem Dach ihres Wohnhauses eingerichtet haben, auf. Sa3ada – Freude, sei das Gefühl, das sie beim Gestalten in diesem Raum haben.

© Ismail Zaidy

Der kreative Prozess beginnt mit der Ideenentwicklung, dem Beschaffen der Requisiten meistens auf dem Flohmarkt. Die Zeitplanung hängt stark von der Schulzeit seiner Geschwister ab. Steht eine Prüfung an, wird alles auf Eis gelegt.

© Ismail Zaidy

In seiner Arbeit versucht er die verschiedenen Familienthemen zu beleuchten; Alltagsprobleme, fehelende Kommunikation, Distanz zwischen Geschwistern und Eltern. Entfremdung in der Familie sei ein Problem, das viele betreffe, aber keiner spreche die Problematik an. Er möchte mit seiner Arbeit zeigen, dass Familie eines der wertvollsten Geschenke im Leben ist.

© Ismail Zaidy

Ismail Zaidy ist in der Gegend von Marrakesch aufgewachsen. Er ist Autodidakt. 2017 begann er die Fotografie als kreatives Ventil für seine Perspektive zu nützen. Er nutzt seine Praxis und die Möglichkeit, mit dem Handy zu fotografieren und über digitale Plattformen zu veröffentlichen - als Mittel, um diese einzigartigen, poetischen Aspekte seiner Kultur zu teilen. Ismail Zaidy ist Mitglied von Noorseen. Noorseen ist ein marokkanisches Kollektiv mit 14 Fotografen und Fotografinnen.

Arbeiten von Ismail Zaidy sind bis 12. Juni 2022 im Rahmen der Cap Prize Ausstellung im Rieterpark in Zürich zu sehen.  

Ben Füglister (Gründer Cap Prize und Kurator der Ausstellung) führt am 17. April, 1., 15. und 28. Mai durch die Ausstellung im Park. Am 29. Mai gibt es eine Spezialführung durch die Cap Prize Ausstellung im Park und der Ausstellung "The Future is Blinking" im Museum Rietberg.

© Ismail Zaidy

Der CAP-Prize ist der internationale Preis für zeitgenössische afrikanische Fotografie, der seit 2012 jährlich an fünf Fotografen vergeben wird, deren Werke auf dem afrikanischen Kontinent entstanden sind oder die sich mit der afrikanischen Diaspora auseinandersetzen.

[1] Die Djellaba (arabisch جلابة), auch Dschellaba oder Galabiya, ist ein traditioneller bodenlanger und die Körperkonturen weitgehend verbergender Überwurf- und Kapuzenmantel mit langen Ärmeln in den Ländern des Maghreb, insbesondere in Marokko. Es unterscheidet sich von der ägyptischen Galabija durch eine angenähte spitze Kapuze. Djellabas als Frauengewänder sind erst um die Mitte des 20. Jahrhunderts in den Städten bekannt geworden; auf dem Land geschah dies erst in den 1970er und 1980er Jahren. Durch die Verwendung von in hellen Tönen gefärbter Stoffe oder durch besonders feine Webtechniken sind sie in der Regel auffälliger als die der Männer; mittlerweile sind sie auch häufig gemustert (Karos, Blumen etc.). Als Frauenkleidung wird die Djellaba gelegentlich auch aus Seide gewebt und/oder mit Gold- und Silberfäden bestickt und verziert; sie dient dann als eine Art Festgewand oder "Abendkleid". Die Kapuzen vieler Frauen-Djellabas enden oft in einer Quaste. (Quelle: Wikipedia)

Art, ExhibitionMiryam Abebe
Memories of Perception…

Donkey skin | © Marianna Rothen

Die ausgestellten Fotografien spielen mit Reflexionen, Spiegeleffekten und Transparenzen, fangen den Moment ein oder betonen inszenierte Kompositionen und erforschen die emotionalen Qualitäten von Licht und Schatten. Die als chimärische Erzählung präsentierten Werke beider Künstlerinnen greifen ineinander und ihre Bilder loten die Tiefen des Unterbewusstseins aus, indem sie diese in einer bestimmten Umgebung oder einem bestimmten Rahmen aufstellen und ihre Figuren in metaphorischen Tableaus darstellen.

AD 6329, 2014 | © Mona Kuhn

"Ein Bild kann eine unterdrückte Erinnerung hervorholen und einen bestimmten Moment viel schneller ins Gedächtnis rufen als Worte. Das ist möglich, weil unser Gehirn die 'Essenz' eines Bildes sehr gut speichern kann, indem es nicht nur das Motiv, sondern auch bestimmte visuelle Qualitäten festhält."[1] Bei beiden Künstlerinnen geht es um die Flüchtigkeit der Realität und um die Erinnerung. In ihren Arbeiten, die zwischen persönlicher, kultureller und kollektiver Identität oszillieren, geht es um das intime Zeugnis des Selbst bei Marianna Rothen und um das des Anderen bei Mona Kuhn.

Backstabber | © Marianna Rothen

Während Mona Kuhn in ihrem experimentellen Umgang mit dem Akt in enger Beziehung zu ihren Modellen arbeitet, indem sie ihnen die Freiheit des Ausdrucks in Bezug auf ihre Darstellung lässt, inszeniert Marianna Rothen sich und ihre Freunde in eigentümlichen Szenarien unter Verwendung von Archetypen und Idealen aus der Filmwelt.

AD 7809, 2014 | © Mona Kuhn

Jede Szene ist wie ein visuelles Tagebuch gestaltet und wirkt durch Licht, Schatten und Reflexion wie aus Vergangenheit und Gegenwart zusammengefügt. Die Fotografien, die reich an Metaphern und harmonischen Details sind, spielen sowohl mit der Konstruktion von Raum als auch von Zeit. Schatten vervielfachen sich, Muster antworten, es ist fast so, als ob unser Sehen unsere Erinnerung konfrontiert und uns auffordert zu hinterfragen, was es bedeutet, einen Raum nicht nur zu sehen, sondern in ihm zu existieren. 

Cowboy #3 | © Marianna Rothen

Daher ist die Betrachtung der Fotografien der beiden Künstlerinnen wie die Betrachtung einer Vielzahl von Geschichten, die wir mit unserer eigenen inneren Erfahrung in Verbindung bringen können. Indem sie die Erinnerung an unbewusste Erfahrungen wachrufen, beleuchten sie eine Geschichte, die uns allen gehören könnte. Indem wir die Grenzen zwischen Abwesenheit und Anwesenheit, zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen, zwischen dem Sichtbaren und dem Verborgenen verwischen, rufen wir Erinnerungen an die Wahrnehmung wach.

AD 7013, 2014 | © Mona Kuhn

Mona Kuhn (geb. 1969, São Paulo, Brasilien) ist eine Fotografin und Medienkünstlerin. Kuhn, die für ihre zeitgenössischen Darstellungen bekannt ist, gilt als eine der führenden Künstlerinnen in der Welt des figurativen Diskurses.  In ihrer mehr als zwanzigjährigen Karriere konzentriert sich Kuhns Praxis auf die Geheimnisse der physischen und metaphysischen Präsenz der Figur.  Kuhn betrachtet die Figur und die Darstellung als eine Plattform für unsere komplexen Emotionen, Wünsche und Ängste. Während sie ihren fotografischen Stil festigte, schuf Kuhn ihren einzigartigen Ansatz für den Akt, indem sie Freundschaften mit ihren Motiven entwickelte und eine Reihe von spielerischen visuellen Strategien einsetzte, die natürliches Licht und minimalistische Einstellungen nutzen, um ein Gefühl des Wohlbefindens zwischen der menschlichen Figur und ihrer Umgebung hervorzurufen. Ihr Werk ist natürlich, ruhig und eine Neuinterpretation des Aktes im Kanon der zeitgenössischen Kunst. 

Kuhns Arbeiten wurden im Le Bal und im Louvre Museum, Paris; in der Royal Academy of Arts, London; im Musée de l'Elysée, Lausanne; im Leopold Museum, Wien und im Australian Centre for Photography, Sydney, ausgestellt. Ihre Arbeiten befinden sich in privaten und öffentlichen Sammlungen weltweit, darunter im J. Paul Getty Museum, Los Angeles; Los Angeles County Museum of Art, Kalifornien; Hammer Museum, Los Angeles; Perez Art Museum, Miami; George Eastman Museum, Rochester, New York; Museum of Fine Arts, Houston; Kiyosato Museum of Photographic Arts, Japan und in der di Rosa Foundation, Napa, Kalifornien. Steidl hat bisher sieben Monografien über Kuhns Werk veröffentlicht. Die Monografie, She Disappeared into Complete Silence, enthält einen Text von Salvador Nadales, Kurator am Museo Reina Sofia in Madrid, Spanien. In ihrer neuesten Monografie, Kings Road erkundet Mona Kuhn lyrisch die Bereiche von Zeit und Raum innerhalb der architektonischen Elemente des Schindler House in Los Angeles. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Los Angeles, Kalifornien.

AD 7085, 2014 | © Mona Kuhn

She Disappeared into Complete Silence, welches zwischen 2014 und 2019 zusammen mit Jacintha, einer Freundin der Familie, in einem Glashaus am Rande des Joshua Tree National Park entstand, ist nach der ersten Monografie von Louise Bourgeois benannt und erkundet den weiblichen Akt, der von der ätherische Pracht der "Goldenen Stunde" in der Wüste befreit wird. Die einstöckige, minimalistische Struktur spiegelt die goldenen Farbtöne der Umgebung wider und wird so zu "einer Erweiterung meiner eigenen Kamera und Optik", so Kuhn. "Diese lichtdurchlässigen Oberflächen boten eine grossartige Kulisse für Reflexionen und wirkten manchmal wie ein Prisma." Die menschliche Figur, Monas Freundin und Mitarbeiterin Jacintha, erscheint wie eine surrealistische Fata Morgana, fragmentiert und undeutlich, zuweilen in Schatten getaucht oder überbelichtet. Die Glas- und Spiegelfassade des Gebäudes dient als optische Ebene, als Erweiterung der Kamera und des Objektivs der Künstlerin. Das Licht wird in sich brechende Farben aufgespalten, die Wüstenvegetation wächst seitwärts, innen ist aussen und aussen innen. Kuhn forciert einen gewissen Desorientierungseffekt, indem sie Metallfolien als zusätzliche Oberfläche einführt, was zuweilen zu rein abstrakten Ergebnissen führt. She Disappeared into Complete Silence markiert Kuhns zunehmende Verwendung von Techniken, die scheinbar Figuren, Abstraktionen und Landschaften ineinander verschmelzen lassen. 

Betty & Veronica #2 | © Marianna Rothen

Marianna Rothen (geb. 1982, Kanada) nutzt Fotografie und Film, um konventionelle Vorstellungen von weiblicher Schönheit und Geschlechterpolitik zu untersuchen. Mit 15 Jahren arbeitete Rothen als Fotomodell und verbrachte später mehrere Jahre damit, die Welt zu bereisen und ihre Erfahrungen fotografisch zu dokumentieren. Derweil sie traditionelle fotografische Verfahren mit digitalen Medien kombiniert, schafft sie Bilder, die ein Gefühl von Geheimnis und Unbehagen hervorrufen, indem sie sich auf weibliche Charaktere im Rahmen einer nostalgischen Dystopie konzentriert. In Kombination mit zerfallenen Innenräumen, Wildnis und verführerischen Motiven strahlen Rothens Arbeiten einen Hauch von Geheimnis und Unzufriedenheit aus, die Teil einer umfassenderen Erzählung werden.  

Einzelausstellungen ihrer Arbeiten fanden in der Steven Kasher Gallery in New York, der Little Black Gallery in London, der Galerie Stephan Witschi in Zürich, der Galerie Ingrid Deuss in Antwerpen und Kaune Contemporary in Köln statt. Ihre Arbeiten waren Gegenstand von drei Monografien: Snow and Rose & Other Tales, Shadows in Paradise und Mail Order, die alle bei b.frank books erschienen sind. Rothen’s Arbeiten wurden bereits im The New Yorker, Collector Daily, New York Magazine, The Paris Review, in der Vogue, in Dveight, Photoworks, Elephant, Interview, AnOther, Upstate Diary, Huffington Post und Art Daily veröffentlicht. Die Künstlerin lebt und arbeitet in New York. 

Mrs. Dubinbaum | © Marianna Rothen

Die ausgestellten Fotografien aus der Serie Shadows in Paradise beziehen sich auf drei Filme: Persona von Ingmar Bergman, Drei Frauen von Robert Altman und Mulholland Drive von David Lynch. Die Serie wurde entwickelt, um Figuren aus Rothens erster Monografie Snow and Rose & Other Tales, erschienen 2014, wieder aufzugreifen und neu zu gestalten. In einer Welt ohne Männer schienen diese Frauen überschwänglich, aber hier in ihren "Shadows"-Fotografien, ist die Fantasie komplexer: Ihre Probandinnen stellen fest, dass Männer und Männlichkeit immer noch in der Kultur lauern, die sie konsumieren, auch wenn keine Männer physisch anwesend sind - in Zeitungsüberschriften, auf der Rückseite von Zeitschriftencovern, in Gemälden an einer Wand. Rothen, weitere Models und ihre Freundinnen inszenieren in den Fotografien melancholische Szenen, in denen sie sich selbst in Spiegeln betrachten oder in die Ferne starren. Jede Frau setzt sich mit ihrer Selbstwahrnehmung auseinander. 

Bushes 22, 2018 | © Mona Kuhn

Gastautorin
Alice Le Campion war mehrere Jahre im Galeriebereich tätig, vorwiegend in der Förderung von aufstrebenden internationalen Künstlern, bevor sie in ihr bevorzugtes Medium der Fotografie eintauchte. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der Akquisition, die sie während ihrer Tätigkeit als Leiterin einer privaten Fotokunstsammlung in Berlin, Deutschland, gesammelt hat. Sie hat zahlreiche Fotoausstellungen etablierter Fotografen wie Jeanloup Sieff und Erwin Blumenfeld sowie Gruppenausstellungen kuratiert, die weibliche Repräsentationen betonen und sich an feministischen Theorien und Geschichten des Geschlechts orientieren. Neben ihre Tätigkeiten als Kuratorin mit Schwerpunkt Fotografie arbeitet Alice als Spezialistin in der Abteilung Fotografie eines Auktionhauses in New York. 

Fault, 2013 | © Mona Kuhn

Die Ausstellung Memories of Perception kann noch bis 7. Mai 2022 in der Galerie Stephan Witschi in Zürich besucht werden.

[1] Zitat Dr Daniel Glaser, Leiter Wissenschaftsgalerie, King’s College London

Im Schatten der Bäume…

Natural Order #22. Grey County. Ontario. Canada, 2020 © Edward Burtynsky, Courtesy of Flowers Gallery, London & Nicholas Metivier Gallery, Toronto.

Im Frühjahr 2020 befand sich Edward Burtynsky aufgrund der Coronavirus-Pandemie in Ontario (CA) in Isolation. Der Fotograf, der es gewohnt ist, durch die Kontinente zu reisen, nutzte diese Isolation als Gelegenheit, sein Objektiv auf die Landschaften um ihn herum zu richten. Das Ergebnis ist die neue Bildserie Natural Order, die in der Zeit des Jahres entstanden ist, in der die Erde aufblüht und neu geboren wird. Vom eisigen Schlummer des Winters bis zur fruchtbaren Dringlichkeit des Frühlings sind diese Bilder eine Bestätigung der Komplexität, des Wunders und der Widerstandsfähigkeit der natürlichen Ordnung in allen Dingen. Burtynsky betrachtet eine Vielzahl von scheinbarem Chaos, aber aus dieser selektiven Betrachtung entsteht eine Ordnung - eine dauerhafte Ordnung, die intakt bleibt, wie auch immer unser eigenes menschliches Schicksal aussehen mag. Diese Bilder wurden alle an einem Ort namens Grey County in Ontario aufgenommen.  

"Sie stammen auch aus einem Ort in meinem Kopf, der danach strebt, aus dem Chaos eine Ordnung zu schaffen und als beruhigender Balsam in diesen unsicheren Zeiten zu wirken", erklärt Edward Burtynsky.

Abbaye de Jumièges. Normandie. France, 2019 © Benjamin Deroche

Benjamin Deroche präsentiert eine Gruppe von Fotografien, die aus zwei Serien stammen: Surnature, die 2017 begann, und La lumière du loup, ein Projekt, das während seines Aufenthalts in der Normandie in der Abbaye de Jumièges (Juni 2019 bis Januar 2020) entstand. Am Anfang von Benjamin Deroches Arbeit steht der Wunsch, dem Wald, einem Ort der Therapie für Körper und Geist, eine Hommage zu erweisen, indem er einen fast animistischen Ansatz in Verbindung mit der Natur verfolgt. Das vor 12 Jahren begonnene Projekt hat es dem Künstler ermöglicht, sich zu allen Jahreszeiten im Wald aufzuhalten und durch seine Linse zu verstehen, wie sich das Licht und die Farben im Laufe des Jahres entwickeln. Er verwendet natürliche Elemente wie Beeren, Blumen oder Mineralien, die er in der Baumkrümmung anbringt. Er arbeitet auch mit Papier, Seilen und anderen zusätzlichen Elementen, die es ihm ermöglichen, seine Szene zu "rahmen" und ein fotografisches Bild voller Frieden und Ruhe zu schaffen. Heute ist diese Serie eher ein spiritueller Prozess und eine Suche nach dem Unsichtbaren als eine einfache Verpflichtung, Zeugnis von der Natur abzulegen.

Primary forest 18, roots, Malaysia from the series Reading the Landscape, 2012 © Olaf Otto Becker

Reading the Landscape befasst sich mit dem weltweiten Problem der Entwaldung und untersucht unsere Fähigkeit, die Natur zu verstehen und zu überdenken.

In den letzten 30 Jahren wurden in Indonesien fast 90 % der Wälder zerstört und durch Monokulturen ersetzt. Reading the Landscape ist ein Fotoprojekt und Buch, das in drei Abschnitten (Habitat I, Habitat II und Habitat III) die drei Zustände der Natur in den Primärwäldern Indonesiens und Malaysias dokumentiert: intakte Natur, zerstörte Natur und künstliche Natur. In diesem letzten Abschnitt macht Olaf Otto Becker auf die fehlende Vegetation in den Grossstädten und den verwässerten Einsatz von Bäumen aufmerksam, mit denen wir versuchen, diesen Zustand zu beheben. Letzteres zeigt auch, wie der Mensch den Bezug zur Natur verlieren kann, den er vor allem für die "Dekoration" der Stadtlandschaft braucht. Gleichzeitig schaffen wir eine Version des Waldes, die unserer eigenen Vorstellung entspricht und Pflanzen in eine "Ware" verwandelt, die ständig erneuert werden muss. Reading the Landscape spiegelt einen fatalen ökologischen und ökonomischen Prozess wider, der den Point of no Return überschritten hat.

from the series Résurgence, 2011-2015 © Mustapha Azeroual

Ausgehend von dem Motiv des Baumes als Element unseres kollektiven Gedächtnisses untersucht Mustapha Azeroual in Résurgence alte fotografische Verfahren, die den Ursprung des Mediums darstellen. Das Prinzip der Bildkomposition verlangt nach einer Hybridisierung der fotografischen Techniken. Mustapha Azeroual kombiniert das alte Verfahren des Gummidichromats mit dem der Digitalisierung. Die Kammerfotografie, die Digitalisierung von versilberten Negativen und die Überlagerung von Filmen führen zu einer Vervielfältigung der Bilder und zu einer Rahmung des Bildes, die um einen Punkt herum organisiert ist, an dem sich die Baumstämme mit dem Horizont schneiden. Das Auftragen der Gelatine auf das leere Papier, die richtige Dosierung der Mischung aus Gummiarabikum, Dichromat und Pigmenten und die Geste des Pinsels sind allesamt Schritte, die nicht mechanisiert sind, sondern auf die Wahl des Fotografen und seine Sicherheit in der Arbeitsweise zurückgehen.

Sein Werk basiert auf Beobachtung und Experiment und stellt historische Techniken den zeitgenössischen Fragen der Fotografie gegenüber. Résurgence ist eine Serie von Bildern, die auf Papier und Porzellan gedruckt sind. (Informationen entnommen aus einem Beitrag von Jérôme Duvignau)

Peach Blossoms Beam #06, 2019 © Yutao Gao

Nach dem Tod seines Grossvaters kletterte Yutao Gao auf den Gipfel eines Berges, auf dem ein Pfirsichbaum stand. In seiner Trauer war seine Begegnung mit dem Baum unbestreitbar vom Ende des Lebens geprägt. So beschloss er, die Äste des Baumes in einer Reihe von sich wiederholenden Gesten rituell abzutasten, als würde er "dem Baum mit einem glänzenden Kamm das Haar frisieren". Durch dieses Projekt wirft Yutao Gao einen genauen Blick auf seine eigene Existenz. Seiner Ansicht nach ist die Geste des "Kämmens" des Baumes eine Verkörperung der vergehenden Zeit, des "rituellen Sinns von Leben und Tod". Das Ergebnis ist ein Bild der Blüte des Obstbaums, zusammen mit abstrakten, verzerrten Spuren der Zeit. Der Baum sieht aus wie nichts anderes auf der Welt, er ist klar und verschwommen, wie eine Erinnerung.

Kapok. Palm Beach. Floride from the series Portraits of Time, 2004 © Beth Moon

"Die Bilder von Beth Moon fangen die Kraft und das Geheimnis der letzten uralten Bäume der Welt ein. Diese ehrwürdigen Wächter des Waldes gehören zu den ältesten Lebewesen auf unserem Planeten, und es ist von grösster Bedeutung, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um ihr Überleben zu sichern." - Jane Goodall 

14 Jahre lang durchquerte Beth Moon die Welt auf der Suche nach den ältesten Bäumen. Die Zeit, die sie damit verbrachte, sie zu betrachten, verwandelte sich in eine stille Selbstbeobachtung, und als sie die Stämme von Bäumen betrachtete, die manchmal bis zu 2000 Jahre alt sind und Zeugen unserer geologischen Geschichte sind, wurde Beth Moon mit ihrer eigenen vergänglichen Existenz konfrontiert. Die Künstlerin fängt die Schönheit und die Kraft ein, die von diesen Bäumen ausgeht und uns mit dem Konzept der Zeit verbindet. Die hier in Form einer Galerie von Portraits präsentierten Individuen gehören nicht so sehr der Vergangenheit an, sondern setzen die zaghafte Existenz als Teil unserer Zivilisation fort. Beth Moon wählt die beste Jahreszeit aus, zeltet am Fusse der Bäume, die sie fotografieren will, und erhebt das Alter der Bäume - sie überlässt nichts dem Zufall. Das Gleiche gilt für das Verfahren zur "Herstellung des Bildes": Die Künstlerin betrachtet jeden einzelnen Schritt bis zum endgültigen Druck als ebenso wichtig, um das richtige Bild einzufangen. Indem sie sich für die verlangsamte Drucktechnik, das Platin-Palladium-Verfahren, entscheidet, thematisiert sie den Begriff des Überlebens, nicht nur der Bäume, sondern auch der Fotografie.

Slash & Burn #9, 2017 © Terje Abusdal

In Slash & Burn trifft Terje Abusdal auf die Waldfinnen, die in Norwegen und Schweden als nationale Minderheit anerkannt sind. Die Waldfinnen lebten in Finnland, in einer Region in der Nähe von Russland, und betrieben Brandrodung. Diese alte Anbaumethode erforderte, dass die Menschen in ein anderes Gebiet umzogen, sobald die natürlichen Ressourcen erschöpft waren. Um 1600 führte der Bedarf an neuen Anbauflächen zur Abwanderung der Waldfinnen. Sie besiedelten einen ausgedehnten Waldgürtel an der Grenze zwischen Norwegen und Schweden, ein Gebiet, das heute noch Finnskogen (Wald der Finnen) genannt wird. Heute sind die Feuer, die sie entfachten, längst erloschen, und die Kultur der Waldfinnen als solche existiert nicht mehr. Einige Bauernfamilien leben jedoch noch heute nach einigen ihrer Traditionen, insbesondere dem Schamanismus. Das Projekt Slash & Burn basiert auf diesem Glauben und untersucht, was es heute bedeutet, ein Waldfinne zu sein". Diese Fotoserie umfasst "symbolische" Bilder aus dem Gebiet der Waldfinnen sowie Portraits von Mitgliedern der Gemeinschaft. 

Next Possible Victims de la série 100 Hectares of Understanding, 2018 © Jaakko Kahilaniemi

Ob er allein in der Landschaft steht, von anderen Bäumen umgeben ist oder mit ihnen konkurriert, ob er Teil der menschlichen Aktivitäten in der Ferne oder in der Nähe ist, der Baum ist ein wichtiges Thema der zeitgenössischen Fotografie.

Die Variationen der Formen und des Lichts, die der Baum so gut zum Ausdruck bringt, im Grunde das Rohmaterial der Fotografie, sind auch den Pionieren dieses Mediums im 19. Jahrhundert nicht entgangen. In der gesamten Kunstgeschichte wurde der Baum als explizites Symbol des Lebens, des Wachstums, des jahreszeitlichen Todes und der Widerstandsfähigkeit verwendet.

Der Baum, der grösste lebende Organismus der Welt, der manchmal Tausende von Jahren überlebt, ist oft das Emblem einer bestimmten Region oder Kultur, aber er ist auch eine Geisteshaltung. Die Bilder, die durch das Objektiv sichtbar werden, ermöglichen es, sich ein Bild vom Charakter und den Emotionen des Künstlers zu machen.

Genau diese aussergewöhnliche Vielfalt möchte der Hangar mit der Ausstellung Im Schatten der Bäume widerspiegeln, die zwanzig fotografische Projekte vereint. Die Ausstellung soll auch den entscheidenden Platz beleuchten, den Bäume im Leben einnehmen, und den Einfluss, den sie auf das Überleben der Menschheit haben. Im Jahr 2022 können wir die ökologischen und umweltbezogenen Aspekte, die allen künstlerischen Arbeiten zugrunde liegen, nicht mehr ignorieren.

Die Ausstellung In the Shadow of Trees im Hangar Photo Art Center in Brussels ist die Hauptausstellung des PhotoBrussels Festival 06. Die Ausstellung kann noch bis am 26. März 2022 besucht werden.

Sometimes I feel like a Bulgarian not a European…

© Désirée Good, Sava Hlavacek

"Sometimes I feel like a Bulgarian not a European" ist ein multimediales Langzeitprojekt in Kooperation mit Kulturschaffenden aus der Schweiz und Bulgarien.

© Désirée Good, Sava Hlavacek

2005, kurz vor der EU-Osterweiterung entstand der erste Teil der Arbeit. Die europäische Idee hat sich ein "Europa ohne Grenzen" zum Ziel gesetzt – eine Angleichung von Ost und West. 17 Jahre nachdem der eiserne Vorhang gefallen ist, wurden die neuen Freiheiten, Warenverkehr und Personenverkehr auf die ehemaligen kommunistischen Länder erweitert. Viele kritische Stimmen äusserten sich über die geplante Osterweiterung. Bulgarien ist im politischen und wirtschaftlichen Sinne ein "Transformationsland" und seit jeher von verschiedenen Systemwechseln geprägt.

© Désirée Good, Sava Hlavacek

Das Land hat eine komplexe Kulturgeschichte mit vielen unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften und Minderheiten. Die Entwicklung Bulgariens ist geprägt durch die Römer, die Byzantiner sowie die Türken. Zehn Prozent der türkischen Minderheit stammt ursprünglich aus der Zeit des Osmanischen Reiches.

© Désirée Good, Sava Hlavacek

Die herrschenden Vorurteile und das lückenhafte Wissen über das Land gaben Désirée Good und Sava Hlavacek den Impuls und die Motivation - 2 Jahre vor dem EU-Beitritt - eine Annäherung an Bulgarien zu wagen. Die Diversität im Land ist gross. Bei den Recherchen sind sie oft auf den Begriff "Balkan" gestossen. Die Polarisierung und Konstruktion eines "Anderen" wollten sie untersuchen und stellten sich die Frage: Wie verschieben sich die Blicke mit dem neuen Gewand Europas?

© Désirée Good, Sava Hlavacek

Während dieser ersten fünfwöchigen Forschungsreise konfrontierten sie bulgarische Lebensgemeinschaften unter anderem mit der Frage, wie der bevorstehende EU-Beitritt ihre kulturelle Identität beeinflussen, beziehungsweise verändern wird. Sie befragten und fotografierten Menschen aus verschiedenen Landesteilen, ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten sowie sozialen Schichten. Dadurch war es ihnen möglich Kontraste sichtbar zu machen.

© Désirée Good, Sava Hlavacek

Sie wollten aber auch das Naheliegende, Vertraute und Zwischenmenschliche finden. Die Paare wurden in ihrem persönlichen Umfeld portraitiert. Kleine, fast unscheinbare Gesten, Blicke, Berührungen und Posen stehen im Vordergrund der Fotografien. Durch die Öffnung ihres Heims bekamen Good und Hlavacek Zugang zu persönlichen Dingen wie Fotoalben, Dekorationen, Erinnerungsstücken, Schmuckschatullen und weiteren Gebrauchs- und Alltagsgegenständen.

© Désirée Good, Sava Hlavacek

13 Jahre später bereisten die beiden das Land erneut und haben sich auf das aktuelle heutige Bulgarien eingelassen. Was hat sich in den letzten 13 Jahren ereignet? Wie haben sich die portraitieren Menschen verändert? Welche Haltung und Identität haben die jungen Erwachsenen entwickelt, die damals noch Kinder waren? Damals "Balkan" heute ein Teil der EU, was steckt hinter diesen Begriffen und was bedeuten sie? Sie haben von generationsübergreifenden Traumata, Ausgrenzungen und anderen menschenrechtswidrigen Themen erfahren, die zum Teil mit den neuen EU-Grundrechten aufgearbeitet wurden. Bulgarien bleibt bis heute das ärmste EU-Land und leidet immer noch unter der Instabilität seines politischen Systems. Die gleichen Menschen wie vor dem EU-Beitritt wurden 13 Jahre später auf gleiche Art und Weise aufgenommen, am gleichen Ort - soweit es möglich war - in ihrem privaten Umfeld, im gleichen Abstand und Kamerastandpunkt.

© Désirée Good, Sava Hlavacek

Désirée Good (*1982) Fotografin und Kulturschaffende. In ihren Arbeiten beschäftigt siesich mit dem Thema Körper als kulturelle Inszenierung.

 Sava Hlavacek (*1973) Kunsttherapeutin Fachrichtung Intermediale Methode, Fotografin und Kulturschaffende. Sie beschäftigt sich mit den Themen Identität und kulturelle Herkunft.

 Boris Deliradev (*1976) ist freischaffender Autor und Übersetzer. Er beschäftigt sich eingehend mit dem Thema Sozialismus in Bulgarien und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft. 

Diana Ivanova (* 1968) ist eine bulgarische Journalistin, Autorin und Dokumentarfilmerin. Ihr berufliches Interesse gilt dem interkulturellen Dialog zwischen den Menschen in Bulgarien und anderen Ländern. Als Kulturmanagerin und Kuratorin engagiert sie sich für den Kulturaustausch und organisiert jedes Jahr im Nordwesten von Bulgarien das internationale Goatmilkfestival.

Sometimes I feel like a Bulgarian not a European ist bis 28. Februar in der Buchhandlung Never Stop Reading in Zürich zu sehen.

Floating Islands…

Aus der Serie Floating Islands © Matteo Aroldi

Die grösste Offenbarung ist die Stille.

Laotse[1]

Aus der Serie Floating Islands © Matteo Aroldi

Ich schöpfe Atem, kehre wieder auf die Insel in mir. Wie herrlich die Bäume dort! Wasser gibt es und Vögel, im Schein der Sonne die frische Luft. Ich atme aus, genieße die Sicherheit.

Linji[2]

Aus der Serie Floating Islands © Matteo Aroldi

Inspiriert von der traditionellen chinesischen und japanischen Malerei, entstehen in diesen Bildern fantastische und imaginäre Landschaften, die den Betrachter durch nebel- und wolkenverhangene Berge und wilde Gegenden führen.

Aus der Serie Floating Islands © Matteo Aroldi

Inmitten von Myriaden von Wassertropfen, die an Regentagen am Himmel schweben, inmitten des Morgennebels der fahlen Winterdämmerung, inmitten des Abendnebels der schwülen und glühenden Sommer, inmitten von flüchtigen, unsichtbaren Klängen, schweben Felsinseln, einsame Bäume, uralte Wälder, magische Wasserfälle, Wasserströme und seltene Spuren menschlicher Anwesenheit. Eine Welt aus Wasser, dessen Strömungen alles um uns herumtragen und bewegen.

Aus der Serie Floating Islands © Matteo Aroldi

Matteo Aroldi befasst sich in seinen Arbeiten hauptsächlich mit Themen aus den Bereichen Architektur, Stadtlandschaft, Natur und Mensch. Er hatte zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa und Japan. Seine Werke sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. Er ist Mitglied von Visarte (Schweizerischer Berufsverband für Bildende Kunst) und SBF (Schweizer Berufsfotografen und Fotodesigner).

Aus der Serie Floating Islands © Matteo Aroldi

[1] Laotse ist ein legendärer chinesischer Philosoph, der im 6. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben soll. Er gilt als Begründer des Daoismus. Das ihm in der Legende zugeschriebene Werk, welches erst durch den Han-Kaiser Jing (157–141 v. Chr.) als Dàodéjīng (Tao Te King, Tao Te Ching) gefasst und betitelt wurde, ist das Hauptwerk des Daoismus. Das Werk ist wahrscheinlich im 4. Jahrhundert v. Chr. entstanden. Trotz der sonst beeindruckenden Überlieferung minutiöser Chroniken und Listen von Herrschern, Beamten und anderen Würdenträgern des alten China ist über Laozi fast nichts bekannt. Die ältesten Quellen, die ihn erwähnen, sind Anekdoten und Legenden, darunter mehrere Geschichten über ihn in Zhuāngzǐs (Dschuang Dsi, Chuang-tzu). Die erste historische oder biographische Quelle findet sich im Shǐjì (Shi chi) des Sīmǎ Qiān (Ssu-ma Ch'ien), den „Aufzeichnungen des Chronisten“ aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., doch Sīmǎ Qiān schreibt selbst, dass seine Quellenlage sehr unsicher sei und er widersprüchliche Aussagen über Lǎozǐ gefunden habe; deshalb sei er nicht sicher, ob Lǎozǐ tatsächlich je gelebt habe. (Quelle: Wikipedia)

Aus der Serie Floating Islands © Matteo Aroldi

[2] Linji Yixuan (chinesisch 臨濟義玄, Pinyin Línjì Yìxuán, W.-G. Lin-chi I-hsüan; jap. Rinzai Gigen; † 866/867) ist der Begründer der nach ihm benannten Schule Linji zong (臨濟宗, Línjì zōng, Lin-chi tsung), des Meditationsbuddhismus (Chan) im Kaiserreich China, die in der Folge auch in Korea, Japan und Vietnam Fuss fasst. Am bekanntesten ist die japanische Rinzai-shū, die einen Zweig des japanischen Zen-Buddhismus darstellt. Linji war als junger Mönch in der Huayan-Tradition ein eifriger Studierender der buddhistischen Regeln und Lehrschriften. Eines Tages soll er alle seine schriftlichen Unterlagen verbrannt haben, um ein Mönch der Chan Schule zu werden, deren Belehrungen 'außerhalb der Schriften' übermittelt wurden. So wurde er Schüler von Huángbò sowie dessen Dharma-Nachfolger und erhielt seinen Namen vom Linji-Tempel in Hebei, in dem er ab 851, also zur Zeit der großen Buddhistenverfolgung (ab 845), wirkte. Einige seiner wichtigsten Dharma-Vorträge, Unterweisungen und Dialoge wurden von seinen Schülern im Linji Lu (jap. Rinzai Roku) überliefert. (Quelle: Wikipedia)

Art, FineArtMiryam Abebe
"Face Control" in der Foto Colectania, Barcelona…

Patient #1, 2016. © Alma Haser / Sammlung Art Vontobel, Schweiz

(Sich selbst) sehen, als Selfie inszenieren; von anderen gesehen werden: ein Gesicht; dein Gesicht! Gesucht, erkannt, – verkannt? – einem wahrhaft “janusköpfigen” Themenkomplex widmet sich die aktuelle Ausstellung in der Fotocolectania Barcelona (kuratiert von Urs Stahel).

Are You Talking to Me? – L.P., 2019. © Daniele Buetti / Cortesía del artista

Der gewählte Titel: «Face Control» benennt bereits die beiden gegensätzlichen Anknüpfungspunkte, die beiden Pole, an deren magnetischer Mittellinie entlang sich die Schau mit zahlreichen Werken bewegt: «Face», Gesicht, das Selbst-Porträt bzw. Selfie, dieses Selbstbild also, welches wir vermeintlich autonom über Social Media und andere Kanäle herumpräsentieren, gefiltert, optimiert, bereinigt, oft bis die individuellen Züge hinter einer computergenerierten Maske verschwinden; auf der andern Seite «Control»; die Programme, Algorithmen und Softwares, die befähigt sind, dank der ihr verfügbaren, jede Minute wachsenden Daten-Menge aus einer Masse von anonymen Gesichtszügen einen spezifischen Fall, eine spezifische Person heraus zu identifizieren, zu extrapolieren, zu exponieren. Ein explosives Feld, in dem die Grenzen des «Privaten» und dem «Öffentlichen», aber auch von Manipulation und manipuliert-werden sich überlappen und klare Grenzziehungen schwierig werden.

The Average of Everything, de la serie 'Image Eaters', 2020. © Maria Mavropoulou / Cortesía de la artista

Idealisierte (Selbst-) Bilder sind zwar seit frühster Zeit und in verstärktem Masse aus der Renaissance bekannt; im Karneval geben wir uns seit jeher ein «fremdes» Gesicht, schlüpfen in eine Larve, und bleiben deswegen beim Morgenstraich unerkannt. Im Zeitalter der Aufklärung war es Johann Caspar Lavater, der in seinen Schriften zur Physiognomie den Versuch anstellte, aus Gesichtszügen im Sinne einer Typisierung auf spezifischen Charakteren zu schliessen, und damit viel Gesprächsmunition lieferte. Denn man ahnt natürlich, dass Ansätze zur «Vereinfachung» oder Schubladisierung schnell entgleisen können - und es kaum zwei Jahrhunderte später auch taten.

Guise #0025, from the series 'Gestalt', 2012. © Cortesía de Thomas Rehbein Gallery y Tina Hage

Wir sind eine debattenfreudige Gesellschaft, ausgerüstet mit viel Schrift und Theorie, wortreich und laut. Gerade deswegen ist es umso reizvoller, den Raum Künstler*innen zur Verfügung zu stellen, die sich mit eher stillen, kreativen Mitteln und Strategien diesem Problemfeld stellen oder deren Werke sich thematisch gut einfügen. Die ganz zu Beginn der Schau gezeigten Front/Profil-Fotos von Verbrecher*innen – polizeiliches Bildmaterial zur Identifikation – kann man als thematisches «warm-up» verstehen. Sie leiten schwarzweiss und analog ein in eine sich schnell entfaltende, reichhaltige, farbige, im wahrsten Sinne überaus facettenreiche Ausstellung.

Kurze Texte an den Wänden stecken den theoretischen Rahmen ab, was es den Besucher*innen erleichtert, angeregt von den gezeigten Werken aus der traditionellen Fotografie bis hin zu Multimedia (zu sehen sind u.a. Werke von Diane Arbus, Thomas Ruff und Richard Hamilton ebenso wie von Alma Haser, Daniele Buetti, Shu Lea Chang oder Eva O’Leary) das kontroverse Thema «Face Control» auch für sich selbst zu reflektieren.

Tracked, a self-portrait. 3D avatar and facial tracking, 2019. © Shu Lea Cheang / Cortesía del artista

Es ist der Fundació Fotocolectania bzw. Urs Stahel gelungen, sich diesem komplexen, vielschichtigen Thema im Rahmen einer Ausstellung auf intelligente Weise zu nähern, ohne an Banalitäten hängenzubleiben oder mit simplen Positionen zu langweilen.  

Noch bis 20.3.2022, Foto Colectania Barcelona, C/ Passeig Picasso, 14, 08003 Barcelona

Korell, 2017. © Eva O’Leary / Sammlung Art Vontobel, Schweiz

« (…) Die spanische Regierung arbeitet seit Monaten an der Instandstellung einer «intelligenten Grenze», bei der die Grenzübergänge der (sich auf marokkanischem Boden befindlichen, sma) autonomen Städten Ceuta und Melilla mit Gesichtserkennungs-Kameras ausgerüstet werden. Obwohl solche Pläne sich rechtlich innerhalb der EU-Richtlinien befinden, beklagt eine Reihe von humanitären und sozialen Organisationen den Einsatz von AI (Artificial Intelligence), weil damit fundamentale Rechte der Menschen, die nach Europa kommen, verletzt werden könnten. (…)» (el periódico, Barcelona, 14.1.2022, Übersetzung sma

Ode an den Fisch…

Aus "Ode an den Fisch" © Natascha Auenhammer

Es ist eine Hommage an die Schönheit der Natur und die Ästhetik des Essens. Der Fisch als Teil des Ozeans wird als ästhetisches Objekt gezeigt - eine neue Sichtweise auf unser "Essen".

Aus "Ode an den Fisch" © Natascha Auenhammer

"Ich möchte den Fisch auf eine neue, persönliche Weise präsentieren. In der Form des Stilllebens, des Stilllebens (stil = unbewegt und leven = Existenz), also in Anlehnung an die europäische Kunsttradition der Darstellung toter oder unbewegter Objekte. Meine Darstellung von Fischen im Glas macht die Fische nun lebendig und konterkariert damit den eigentlichen Begriff des Stilllebens. Jeder hat seinen eigenen Ausdruck, Charakter und seine Persönlichkeit."

Natascha Auenhammer

Aus "Ode an den Fisch" © Natascha Auenhammer

Natascha Auenhammer (*1964) ist in Wien geboren und aufgewachsen. 1982 hat sie die Matura gemacht und danach Jusstudium absolviert. 1987 hat sie mit der Ausbildung als Fotografin begonnen. Sie lebt und arbeitet in Wien. Seit 1990 beschäftigt sie sich mit künstlerischer Fotografie, mit Schwerpunkt Körper und Portrait. Sie ist seit 2012 Mitglied des Künstlerhauses der Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs und seit 2013 Mitglied der ESHPH, European Society for the History of Photography.

Aus "Ode an den Fisch" © Natascha Auenhammer

Der TOKYO INTERNATIONAL FOTO AWARDS zeichnet talentierte Fotografen aus der ganzen Welt aus und bringt sie mit einer neuen Publikation einem Publikum in den kreativen Kreisen Japans in Kontakt. Der Award steht allen offen und lädt Fotografen aus der ganzen Welt ein, ihre Arbeiten einzureichen.

Aus "Ode an den Fisch" © Natascha Auenhammer

 

Aus "Ode an den Fisch" © Natascha Auenhammer

Aus "Ode an den Fisch" © Natascha Auenhammer

 

Archivgeschichte #2: Claire Anita Aho Brofeldt…

Untitled, Late 50's | © Claire Anita Aho Brofeldt

Claire Anita Aho Brofeldt (1925 – 2015), war eine finnische Fotografin. Sie wurde in Helsinki als Tochter des finnischen Filmregisseurs Heikki Aho[1] (Sohn des finnischen Schriftstellers Juhani Aho[2] und der Künstlerin Venny Soldan-Brofeldt[3]) und der aus Litauen stammende Tänzerin Dinah Selkina geboren.

Time, Mid 1960's | © Claire Anita Aho Brofeldt

Im Alter von 10 Jahren erhielt sie ihre erste Kamera. Sie war in vielerlei Hinsicht eine Pionierin – als Frau, die seit den späten 1940er Jahren als Werbefotografin arbeitete, zu einer Zeit, als kaum eine Frau in diesem Bereich tätig war, in ihrer Verwendung von Farbfotografie und in ihrer einzigartigen fotografischen Mischung aus Stil, Witz und Vitalität.

 

© Claire Anita Aho Brofeldt

Ihre Karriere begann sie in den 1940er Jahren bei der Firma Aho & Soldan, die sich im Besitz ihrer Familie befand. In den 1950er und 1960er Jahren war sie eine frühe Befürworterin der Farbfotografie in Finnland.

 

The woman in the Window, Early 1950's | © Claire Anita Aho Brofeldt

1974 zog Claire Anita Aho Brofeldt nach Schweden, wo sie als Fotografin für mehrere Zeitungen (Hufvudstadsbladet) und für das Nordische Museum arbeitete.

 

Stainless Finland, Mid 1960's | © Claire Anita Aho Brofeldt

Sie war nicht nur Fotografin, sondern auch Filmemacherin. Sie wurde bekannt für Pekka und seine Schule (1961), Laulu meren kaupungista (1950) und Jean Sibelius zu Hause (1961).

 

Penguins, Mid 1950´s | © Claire Anita Aho Brofeldt

Ihre Arbeiten wurden unter anderem in Kiel und London ausgestellt. 2011 fand in Helsinki eine grosse Retrospektive statt.

 

Marimekko II, Mid 1960's | © Claire Anita Aho Brofeldt

Sie starb am 29. November 2015 in Stockholm bei einem Brand in ihrem Haus.

[1] Heikki Taavetti Aho (1895 - 1961) gilt als ein Pionier des finnischen Dokumentarfilms. Aho arbeitete mit seinem Halbbruder Björn Soldan (1902-1953) zusammen und begründete mit seiner Filmproduktionsfirma Aho & Soldan (1925-1961) die finnische Dokumentarfilmtradition. Aho & Soldan wurde 1925 in Helsinki gegründet, um ein visuelles Bild von Finnland als junge Nation zu vermitteln. (Quelle: Wikipedia).

[2] Juhani Aho, eigentlich Juhani Brofeldt (1861 - 1921), war ein finnischer Schriftsteller und Journalist. Juhani Aho stammte aus einem pietistischen Elternhaus, in dem die Lektüre weltlicher Literatur nicht geduldet wurde. Sein Vater Henrik Gustaf Theodor Brofeldt war Propst in Lapinlahti; seine Mutter war Karolina Fredrika Emelie Snellman. Aho studierte von 1880 bis 1884 Geschichte und Literatur in Helsinki. Schon während des Studiums war er freiberuflich für verschiedene finnische Zeitungen tätig. Er war auch der Mitbegründer der Zeitung Päivälehti. Dadurch wurde er u. a. zu einer der wichtigen Persönlichkeiten im Jungen Finnland, eine Gruppe, die in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts neue Gedanken zu Gesellschaft, Kunst und Moral in Finnland formulierte. (Quelle: Wikipedia)

[3] Venny Soldan-Brofeldt (1863 - 1945) war eine finnlandschwedische Malerin, Illustratorin, Bildhauerin, Fotografin und Designerin. (Quelle: Wikipedia)

Im Strom des Lebens…

It’s Complicated, Fine Art Print, 2021 | © Gemma Pepper

Auf der Suche nach Möglichkeiten analoge und digitale Fotografie, Malerei sowie Objekte zu vereinen und dem Wunsch eine Symbiose zu erzeugen, entstanden diese Bilder, die verschiedene Elemente aus unterschiedlichen Kunstrichtungen zusammenbringen. Die Bilder der Künstlerin Gemma Pepper entstanden mit gesammelten analogen Fotografien und eignen digitalen Bildern, Objekten und Skizzen.

It’s written in the Wind, Analog Collage, 2021 | © Gemma Pepper

Diese vielschichtigen Kunstwerke kombinieren Bilderwelten und zeichnen sich durch ihre Vielschichtigkeit aus. Diese Ebenen lassen die Fotografien und die Collagen [1]dreidimensional erscheinen und werfen Fragen auf, die sich mit der Zukunft solcher schier vergessenen Fotografien auseinandersetzen. Was geschieht mit den verstaubten Fotoalben, die die meisten Menschen auf dem Dachboden lagern? Welchen Wert haben solche Bilder und wie können diese für die zukünftige Generationen erhalten werden?

Reality Shifting, Fine Art Print, 2021 | © Gemma Pepper

Einerseits zeigt die Künstlerin abstrakte Landschaftscollagen – Unikate, inspiriert von Wales, ihrer Heimat und der Schweiz, ihrer Wahlheimat. Des Weiteren werden Kunstfotografien gezeigt mit analogen Bildern aus ihrer eigenen Sammlung. Eines haben sie jedoch gemeinsam; die Materialien sind zum grössten Teil aus den Jahren 1900-1960. Einige Kunstwerke werden zum Teil immer wieder neu rekonstruiert, um aus etwas Altem schlussendlich etwas Neues, etwas Zeitgenössisches zu kreieren.

Evolution, Analog Collage, 2021 | © Gemma Pepper

Gemma Pepper ist eine Britische Fotografin und Künstlerin, die zur Zeit in der Schweiz lebt und arbeitet. Ihre Arbeiten befinden sich in Privatsammlungen und wurden international publiziert und ausgestellt. Das Museum und die Universität von Derby in England haben Kunstwerke für ihre Museumssammlung erworben. Gemma hat an der Universität von Derby Kunstfotografie studiert und an der Zürcher Hochschule der Künste einen Master in Art Education, Curatorial Studies erworben.

Ruby and her Sister, Fine Art Print, 2021 | © Gemma Pepper

14 Islands and 50 Bridges, Analog Collage, 2021 | © Gemma Pepper

Moody Blues, Analog Collage, 2021 | © Gemma Pepper

[1] Die Collage (franz. "coller" = kleben), auch Klebebild genannt, entsteht durch Übereinanderkleben von Materialien, wobei ein neues Ganzes geschaffen wird. Dabei können verschiedenste Materialien wie Zeitungsausschnitte, farbiges Papier, Bänder, Furnierstücke, Fotografien oder ähnliches verwendet werden, die auf einen festen Untergrund oder Leinwand aufgebracht werden. Die Collage-Technik wurde von den Futuristen eingesetzt. Besonders geschätzt wurde sie von den Dadaisten und Surrealisten, wegen ihrer möglichen Überraschungseffekte und absurden Kombination, der Möglichkeit des freien Spiels des Zufalls. Max Ernst definiert die Collage so: "Collage-Technik ist die systematische Ausbeutung des zufälligen oder künstlich provozierten Zusammentreffens von zwei oder mehr wesensfremden Realitäten auf einer augenscheinlich dazu ungeeigneten Ebene - und der Funke Poesie, welcher bei der Annäherung dieser Realitäten überspringt.“ Die Collage als künstlerische Technik wurde bereits früher eingesetzt, um 1910/11 führten George Braque und Pablo Picasso die Collage in die moderne Kunst ein. Bei der Verwendung der Collagetechnik mit dreidimensionalen Objekten spricht man von einer Assemblage. (Quelle: Ketterer Kunst)

Art, CollageMiryam Abebe
In konstantem Dialog: Guido Guidi «da zero» im Centre Virreina de la Imatge, BCN…

Linea veloce Bologna-Milano, Rubiera, 2005 | © Guido Guidi

Es sei die Absicht, mit «da zero» einen vertieften, umfassenden Einblick in das Werk des italienischen Fotografen Guido Guidi (*Cesena/IT, 1941) zu geben, liest die Besucherin im aufschlussreichen, in drei Sprachen (cat, spa, eng) erhältlichen, kostenlosen Ausstellungsleaflet. Und, um es gleich vorwegzunehmen - dies ist mehr als gelungen: Die über 250 Fotografien umfassende, auf mehrere Säle unterteilte Ausstellung liefert Anschauungs-, aber auch Nachdenkmaterial, das durchaus auf mehrere Besuche verteilt werden kann.

San Mauro in Valle © Guido Guidi

„da zero”, von vorne, bei Null beginnen:
Seit seiner Adoleszenz beschäftigt sich Guido Guidi mit der Fotografie. Die ersten Bilder der Ausstellung, in b/w, markieren dieses «da zero», bevor der Fotograf in den Sechzigerjahren zu experimentieren beginnt und die fotografische Praxis weiterdenkt: Es entstehen fotografische Diptychen, Sequenzierungen, die an ein bebildertes Skript oder Drehbuch erinnern und einen narrativen Kontext schaffen. In den Siebzigerjahren sind es Fotoserien, die uns eine Architekturfotografie zeigen, die mit den Regeln derselben bricht – und unser Auge damit gehörig irritieren. Motivisch rückt zudem die urbane Peripherie in den Mittelpunkt – mit ihrer in jeder Hinsicht unausgereiften Gestalt ist sie für fotografische Experimente durchaus prädestiniert.

Tomba Brion | © Guido Guidi

Guidis in zwischen den Siebziger und Neunziger Jahren entstandenen, die Sehgewohnheit herausfordernden Fotografien erinnern teilweise formal an die Bildpraxis von Walker Evans, obwohl sie durchwegs eigenständig sind. Von besonderem Interesse sind zudem die durch den Sucher festgehaltenen Beobachtungen des Zusammenspiels von Licht, Schatten und Bewegungen in einem Raum oder im Freien. So gelang Guidi das Bannen des zum schon von Aristoteles beschriebenen Phänomen der Eklipse.

Cervia, 1983 | © Guido Guidi

Studien in Kunst, Architektur und Design bei Professoren wie dem genannten Architekten Carlo Scarpa (dessen Meisterwerk Tomba Brion ein weiteres wichtiges Motiv in Guidis Schaffen darstellt) sowie der Einfluss von Fotografen wie Italo Zannier und Bruno Zevi auf der einen, die Bauhaus-Theorie, und die Beschreibung des «Alltäglichen», welche mit der nordamerikanischen Fotografie der Zeit konnotiert wird, auf der andern, bildeten den äusserst fruchtbaren Grund, auf dem sich Guido Guidis Schaffen stets weiter entfalten konnte und es ihm ermöglichte, experimentell in sogenannte fotografische «Peripherien» vorzustossen.

Accademia di Belle Arti, Ravenna, 2005 | © Guido Guidi

Ausdruck dieses dialektisch verstandenen «Suchens mit dem Sucher» ist der Fakt, dass in den Siebzigerjahren, in denen Guido Guidi als technischer Fotograf am Instituto Universitario di Architettura di Venezia (IUAV) arbeitet, gleichzeitig jene Arbeiten entstehen, die das Überwinden der Vorgaben, was «korrekte» (Architektur-) Fotografie sei, aufzeigen. So gelingt es Guidi, sich im technischen, aber auch im philosophischen Sinn der bestehenden Korsette zu entledigen: die Regeln der fotografischen Praxis gezielt zu brechen, sind die Bedingungen, um an neue Erkenntnisse zu gelangen und neues Terrain zu erschliessen.

Preganziol, 1983 | © Guido Guidi

Die von Marta Dahó kuratierte Ausstellung zeigt, zeitlich fast ein Menschenleben umspannend, den konstanten und konstruktiven Dialog, den der Fotograf mit der Kamera, dem Sucher, mit Licht und Schatten, aufrechterhalten hat. Die latent vorhandene Herausforderung des Mediums Fotografie ist in allen ausgestellten Werkgruppen und den zahlreichen, ebenfalls präsentierten Publikationen und Monografien präsent und macht die Ausstellung zu einem riesigen Fundus, zu einem Füllhorn, das auch beim zweiten oder dritten Besuch noch Überraschungen und Neuentdeckungen parat hält.

Tomba Brion | © Guido Guidi

Guido Guidi: «da zero», bis 16.01.2022 La Virreina Centre de la Imatge, La Rambla 99, Barcelona. Eintritt frei

Susanne Martínez García