"Unsere Lebendigkeit beweisen wir uns ein Leben lang. Wir kaufen Güter, häufen Gegenstände an, sammeln Erinnerungen. Wir horten das, was sich festhalten lässt, um uns zu bestätigen: Wir existieren. Wir leben. Wir sind Zeugen des Lebens.
Und dann ist es da, das Ende des Lebens. Ein Mensch stirbt und hinterlässt all die Dinge, die Teil seines Lebens waren. Sie bleiben zurück ohne den Menschen, der ihnen Bedeutung verlieh. Einige davon mögen ihren Wert gänzlich verlieren, andere dagegen verwandeln sich, werden zu tröstenden Objekten der Erinnerung. An ihnen halten wir uns fest, um das Unfassbare des Todes zu begreifen."
(Tina Ruisinger)
Für Traces hat Tina Ruisinger Dinge fotografiert, die zurückbleiben, wenn ein Mensch stirbt, die Erinnerungen wachrufen und die Spuren der verlorenen Person tragen. Es sind nicht nur Dinge, die davon erzählen wen wir verlieren, sondern auch davon was uns Kraft geben kann weiterzuleben.
Es sind Stimmgabeln, die uns daran erinnern wie er sie energisch an eine Kante schlug und schnell ans Ohr hielt, um zu hören wie tief oder wie hoch die Musik beginnen oder weiter gehen soll. Die Schlüssel, die wir immer wieder in Händen hielten und halten und doch nie herausfinden werden welche Türe oder welches Schliessfach sie öffnen. Vielleicht ist es aber auch der Schlüssel des kleinen Sommerhauses am See – ein Ort, der zur Kraftquelle geworden ist.
Die Schallplatte, die wir immer wieder hören und uns an die vielen Abende auf der Tanzfläche mit Freunden, an die Begegnung an den Lieblingsmenschen erinnern. Briefe, die wir einander geschrieben haben und der Sessel am Fenster, in dem er seine Zeitung und die vielen Bücher gelesen hat. Der Ring, den sie immer getragen hat – den wir heute selbst immer tragen, um sie nah bei uns zu haben…
Tina Ruisinger (1969*) in Stuttgart geboren, hat an der Hamburger Fotoschule, am International Center of Photography in New York und an der ZHdK in Zürich studiert. Seit 1992 arbeitet sie als freischaffende Fotografin und Künstlerin in den Bereichen Reportage, Portrait und Tanzfotografie. 2002 erschien ihr Fotoband "Gesichter der Fotografie", für den sie zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhielt. 2007 erschien ihr Tanzbuch "Meg Stuart/Anne Teresa de Keersmaeker" und 2017 ihr Buch "Traces". Ihre Arbeiten wurden in zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Tina Ruisinger lebt und arbeitet in Zürich und Berlin.
Die Ausstellung "Traces" findet vom 13. Oktober – 4. November 2018 im Künstlerhaus S11 in Solothurn statt. Vernissage ist am 12. Oktober 2018, 19 Uhr, zudem findet am 14. Oktober ein Küntlerinnengespräch statt.
Ein Teil von "Traces" ist vom 27. Oktober bis 10. November 2018 auch im zürcher Lighthouse zu sehen.
"Traces" ist 2017 bei Kehrer Heidelberg Berlin (ISBN 978-3-86828-771-4) erschienen.