Goodhope oder der Neuropsychologe on the dark side

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Goodhope – das neue Fotobuch von Hennnric Jokeit scheint seinen Namen vom Kap der guten Hoffnung zu haben. Die Bilder sind alle in Kapstadt und seiner Umgebung in den letzten Jahren entstanden – in einer Zeit des Umbruchs in ganz Afrika.

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Goodhope hat eigentlich nichts mit der dunklen Seite zu tun, ausser vielleicht man lässt sich von der Kehrseite leiten. Wenn man sich bewusst wird, dass sich Hennric Jokeit als Neuropsychologe täglich mit bildgebender Diagnostik auseinander setzt, wird einem sehr schnell bewusst, dass es ein anderes Sehen voraussetzt. Nicht nur die Röntgenbilder, MRI's oder andere diagnostische bildgebende Verfahren verlangen, viel mehr zwingen einen genau zu schauen, um nichts zu übersehen, auch die Bilder in Goodhope irritieren und verlangen – zu mindest beim ersten Durchblättern – genau hinzusehen.

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Als Neuropsychologe interessiert sich Hennric Jokeit wie Negativität – the dark side – verarbeitet wird, insbesondere auch wie unsere visuelle Wahrnehmung funktioniert. Das visuelle System übernimmt 90% unserer Wahrnehmung, die ohne grossen Aufwand ins Grosshirn geleitet werden. Dabei hilft vielleicht der Hinweis, dass mit wenig Aufwand der Hardware viele einfache Informationen verarbeitet werden können. Jetzt kommt der Hacken: In Goodhope sind nur Negativbilder zu sehen. Das heisst wir werden aufgefordert unsere visuelle Wahrnehmung zu schärfen. Tun wir's nicht – ist das Buch uninteressant. Lässt man sich aber auf einen zweiten, dritten Blick ein wird es spannend. Vor dem inneren Auge tauchen die Orte in Farben auf, man erinnert sich womöglich an lange Disconächte, in denen man sich dummerweise oder absichtlich mit fluoreszierenden Farben gekleidet hat und alle Blicke angezogen hat.

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Zu den Arbeiten von Hennric Jokeit schreibt Enno Kaufhold: "Hennric Jokeit präsentiert seine aktuellen Bilder ausschliesslich in einer Negativ-Form. In dieser Stringenz reflektiert seine Arbeit zunächst mediale Eigenheiten an der Schwelle vom analogen zum digitalen Bild. Als Neurowissenschaftler weiss er um die Irritation visueller Wahrnehmung durch die Negativ-Form. Sie evoziert eine Entschleunigung des Sehens. Eingedenk dieses Wissens provoziert Jokeit mit seinen Bildern ganz bewusst eine Wahrnehmung, die sich der uns heute von den neuen Medien im Alltag mehr und mehr Abverlangten entgegenstellt. Für den künstlerischen Gehalt seiner Bilder ist jedoch die Frage nach der grundlegenden Bedeutung des Negativen in Zeiten einer exzessiven Positivierung aller Lebensbereiche entscheidender. Jokeits Bilder beharren auf dem grundsätzlichen Wert des Negativen als Voraussetzung des Besseren, Positiven. Seine Motive zeigen moderne städtische Architektur, Industrieanlagen, einfachste Häuser wie Behausungen, Interieurs, Müll, aber zugleich Natur. Intakt genauso wie ruinös und verfallen. Alle Orte scheinen verlassen, jegliches Leben ausgelöscht. Solchermassen entleert, um nicht zu sagen entmenschlicht, schwingt in den Negativ-Formen ein Geheimnis mit. Zugleich können sie als Anstoss begriffen werden, als Aufforderung, die als negativ empfundene Welt zu negieren."

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Sollten sie die Gelegenheit haben, sich mit Hennric Jokeit zu unterhalten: lassen sie sich nicht durcheinander bringen, wenn er sie nach ihren negativen Visionen fragt – er will sie wissen, bestimmt. Aber in diesem Fall möchte er ihnen wahrscheinlich sein letztes Buch "Negative Vision" schenken.

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Hennric Jokeit (*1963) ist in Stralsund geboren und lebt und arbeitet heute in Zürich. Seit 2001 ist er Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich und am Schweizerischen Epilepsie-Zentrum. Seine Arbeiten wurden in der Schweiz, Deutschland, Litauen und Südafrika ausgestellt.

Goodhope (ISBN-13: 978-3-941249-23-3) und Negative Vision (ISBN-13: 978-3941825918) sind bei Peperoni Books erschienen.

Miryam Abebe