Berauschendes Sommerfest und fünf Jahre Bildhalle
Mit einem berauschenden Sommerfest hat Mirjam Cavegn und ihr Team und vielen Freundinnen und Freunden das fünfjährige Bestehen der Bildhalle gefeiert. Nicht nur der Geburtstag wurde gefeiert – nein an diesem Abend wurden auch die neuen Künstlerinnen und Künstler der Galerie vorgestellt. Renato D'Agostin: ein Venezianer aus New York, Carolle Bénitah: eine Marokkanerin aus Marseille, Sissi Farassat: eine Iranerin aus Wien, Daniel Schwartz: ein Weltenbürger aus der Schweiz, Paolo Pellegrin: ein Italiener in Genf und Flor Garduño aus Mexiko.
"Ich habe nicht die eine Art des Fotografierens statt einer anderen gewählt. So wie ich die Welt da draussen durch die Kamera sehe, ist die einzige Art und Weise, wie ich sie auch fotografieren kann. Meine Fotografie ist die natürlichste Verbindung zwischen mir und dem Rest der Welt. So sehe ich, so nehme ich die Wirklichkeit wahr und übersetze sie in meine Sprache".
(Renato d'Agostin)
Renato D'Agostin (*1983) ist in Venedig geboren, heute lebt er in New York. Seine Neugier wurde durch das atmosphärische Stadtleben genährt und lässt ihn Lebenssituationen mit der Kamera einfangen. 2002 reiste er durch die Metropolen Westeuropas. Nach einem längeren Aufenthalt in Mailand zog es ihn nach New York, wo er die Gelegenheit hatte Ralph Gibson kennenzulernen und zu seinem Assistenten wurde. Seine Arbeiten wurden in mehreren Ausstellungen in Europa, den USA und Asien präsentiert. Seine Arbeiten sind in verschiedenen öffentlichen Sammlungen (Library of congress, International Center of Photography in New York, LACMA in Los Angeles und dem Maison Européeene de la Photographie in Paris) vertreten.
"Jamais je ne t'oublierai – ist eine Arbeit über die Erinnerung an die Familie – glückliche, manchmal imaginäre und auch negative Erinnerungen. Mir wurde klar, dass es nur sehr wenige Bilder meiner Eltern vor ihrer Heirat gab. Es ist eine Bildwüste, die nur dadurch erklärt werden kann, dass meine Eltern im Marokko der 1930er Jahre geboren wurden, einer Zeit ohne viel modernen Komfort. Meine Grossmutter hielt die wenigen vorhandenen Fotos verschlossen, um die Tragödie des zufälligen Verlustes einer ihrer Söhne nicht zu erwähnen. Ein Blindspot für dieses Leben voller Schmerz. Aber der Mangel an Bildern liess mich verwaist und ohne Wurzeln fühlen".
(Carolle Bénitah)
Carolle Bénitah (*1965) ist in Casablanca geboren, heute lebt und arbeitet sie in Marseille. Nachdem sie die Ecole de la Chambre Syndicale de la Couture Parisienne absolvierte, wandte sie sich 2001 der Fotografie und beschäftigte sich mit der Erinnerung, der Familie und den Lauf der Zeit. Sie kombiniert alte Familienschnappschüsse mit handgefertigten Akzenten aus Stickereien, Perlen und Tuschzeichnungen. Damit versucht sie ihre Geschichte als Tochter, Ehefrau und Mutter neu zu interpretieren.
"Das bunte Glitzern der Pailletten, die sie zur Basissubstanz ihrer jüngeren Arbeiten gemacht hat, wirkt, als bewusste Überdosierung, sogar eher „abweisend“, jedenfalls irritierend. So bleibt jedem ihrer Werke ein Resträtsel, etwas, das im (und vom) Ornamentalen ausgeblendet, überstrahlt oder verschluckt wird."
(Stefan Grissemann, österreichischer Filmkritiker und Journalist)
Sissi Farassat (*1969) ist in Teheran (Iran) geboren und lebt und arbeitet heute in Wien. Sie bestickt ihre Portrait-Fotografien – meist Selbstportraits, Aufnahmen von Familienmitglieder und Freunden, selten von Fremden auf der Strasse – mit Pailletten, Swarovski-Kristalle oder Fäden. Die aufwändige Stickarbeit an den Fotos werden zur Auseinandersetzung mit persönlichen Bilder- und Beziehungswelten. Ihre Foto-Nähkunst mag in ihrer Zeitaufwendigkeit anachronistisch erscheinen, doch berührt und reflektiert sie wesentliche Aspekte der Wahrnehmung des fotografischen Bildes. Etwa was die Lichtregie betrifft: Hinter Glas abgeschirmte Fotografien sind vielfachen Spiegelungen und Lichtbrechungen ausgesetzt, andererseits ist ihre Oberfläche wie versiegelt und der unmittelbare Blickkontakt mit ihr unterbunden. Auch mit ihren Pailletten-Teppichen setzt Sissi Farassat den Fotos zusätzliche Glanzlichter auf, doch bringt sie damit auch körperliche und haptische Qualitäten in den visuellen Raum ein. Mit ihrem Glitzern und den irisierenden Farben erinnern ihre Bilder an prunkvolle Gemächer, aber auch an die Glitterwelt von Disco und Filmrevuen - dem gegenüber steht oft die Gewöhnlichkeit oder Intimität der Sujets. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen (Kunsthaus Wien, Haramuseum in Tokyo, Edwynn Houk Gallery in New Yrok, Anzenberger Gallery in Wien, Galerie Johannes Faber in Maastrich und anderen) präsentiert und sind in öffentlichen Sammlungen (Museum für Gestaltung in Zürich, Sammlung Stadt Linz, Sammlung Rupertinum und andere) vertreten.
"Ich würde behaupten, das Gewöhnliche und das Historische, oder Symbolische — diese zwei Bereiche überschneiden sich in meinen Fotografien, welche ja im weitesten Sinne Fruchtbarkeit zelebrieren. Und, klar, sind sie dramatisch, weil wir uns ja in einer Zeit voller Aggression gegen Frauen befinden, in dieser Hemisphäre, wenn nicht gar auf der ganzen Welt. Sie ist systematisch und geht von Regierungen aus, von Politikern und einer kulturellen Elite. Sie entstammt einer ökonomischen und sozialen Frustration. Als eine Frau aus der Mittelklasse weiss ich aber auch, dass wir selbst innerhalb unserer Familien leiden, weil das Patriarchat so tief verwurzelt ist. Aber die Erniedrigung ist für Frauen aus den armen Teilen der Gesellschaft am schlimmsten. Eine Frau, die ich beim Fotografieren traf, wühlte vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang durch Abfallberge, immer auf der Suche nach Verwertbarem für sich und ihre vier Kinder. Ich möchte Würde, Schönheit, Leid und Widerstand zum Ausdruck bringen. Genau das ist die Kraft unseres Geschlechts."
(Flor Garduño)
Flor Garduño (*1957) ist in Mexico City geboren. Heute lebt sie in Stabio (Schweiz) und in Tepoztlán (Mexico). 1978 begann sie an der Academy of San Carlos (UNAM) bildende Kunst zu studieren und entwickelte dabei ein besonderes Interesse an strukturellen Aspeketen von Gestalt und Raum. An der Universität lernte sie die ungarische Fotografin Kati Horna kennen, die Garduño mit ihren magischen und ausdruckstarken Bildern stark beeinflusste. Nach dem Studium wurde Flor Garduño Dunkelkammerassistentin des bekanntesten mexikanischen Fotografen Manuel Álvarez-Bravo. Diese Erfahrungen hatten später einen starken Einfluss auf ihre Bildkompositionen und besonders auch auf ihre technischen Fähigkeiten in der Herstellung von Silber-, Platinum- und Palladiumabzügen. Unter der Leitung der Fotografin Mariana Yampolsky reiste sie für ein fotografisches Projekt übers Land und besuchte indigene Gemeinden. Mariana Yampolsky war bekannt für ihre humanistischen Arbeiten, die sich besonders mit Frauen beschäftigen. Diese Erfahrungen halfen Flor Garduño ihre eigene unverwechselbare Bildsprache einer beschreibenden Fotografie zu finden, die sie mit den mystischen Archetypen anreicherte, die so charakteristisch für den mexikanischen Surrealismus sind. Ihre Werke wurden in zahlreichen Ausstellungen (Galeria José Clemente Orozco in Mexico City, La Chambre Claire in Paris, Galleria Sozzani in Mailand, Galerie Photonet in Wiesbaden und andere) präsentiert.
"Ich interessiere mich mehr für eine Fotografie, die'unfertig' ist - eine Fotografie, die suggestiv ist und ein Gespräch oder einen Dialog auslösen kann. Es gibt Bilder, die geschlossen, fertig sind, zu denen es keinen Zugang gibt."
(Paolo Pellegrin)
Paolo Pellegrin (*1964) ist in Rom geboren und lebt heute in Genève. Nach einem Architekturstudium an der Università la Sapienza in Rom studierte er am Istituto Italiano die Fotografia auch in Rom Fotografie. 2001 wurde er zum Magnum Photo Kandidat und seit 2005 zum ordentlichen Mitglied ernannt. Für seine Arbeiten wurde Paolo Pellegrin mehrfach ausgezeichnet (mehrere World Press Photo Awards und Photographer of the Year Awards, Leica Medal of Excellence, Olivier Rebbot Award, Hansel-Mieth Preis, Robert Capa Gold Medal Award und den W. Eugene Smith Grant in Humanistischer Fotografie).
Daniel Schwartz (*1955) ist in Olten geboren und lebt heute in Solothurn. Er besuchte die Fachklasse für Fotografie an der Schule für Gestaltung in Zürich (heute ZHdK). Nebst anderen Auszeichnungen hat er 1998 den Preis für Fotografie des Kantons Solothurn und 2010 den Kulturpreis des Kantons Zürich erhalten. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen (Kunsthaus Zürich, Martin-Gropius-Bau in Berlin, Fotomuseum Winterthur, San Francisco Museum of Modern Art und anderen) gezeigt.
Die Ausstellung in der Bildhalle dauert bis 25. August 2018.