Im Sommer 2020 starteten wir das Programm im Raum des Bestatters mit einem Friedhofspaziergang auf dem Schosshaldenfriedhof in Bern. Mit der letzten Ausstellung der Zwischennutzung kehren wir zum Friedhof zurück und untersuchen ihn als städtischen Freiraum. Wir schauen dazu nach Buenos Aires: Im heutigen Zentrum der argentinischen Metropole liegt Chacarita, einer der grössten Friedhöfe weltweit. Sein Herzstück bildet der Pantéon Subterráneo, auch Sexto Panteón genannt, eine zweigeschossige unterirdische Nekropole, die Platz für mehr als 100’000 Grabnischen bietet. Die argentinische Architektin Ítala Fulvia Villa (1913–1991) plante in den 1950er Jahren die Friedhofserweiterung im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Baudepartement der Stadt. Ihr grossmassstäblicher Entwurf verlegte die Gräber in Anlehnung an die römischen Katakomben in den Untergrund und liess auf Erdniveau eine 95 Hektar grosse Parkfläche entstehen. Die modernistische, brutalistische Architektur, die Typologie der unterirdischen Totenstadt und die städtebaulichen Dimensionen faszinieren noch heute Architektinnen und Architekten. So auch die junge französische Architektin Léa Namer (*1989). Der Ort liess sie nicht mehr los. Und sie war erstaunt, wie wenig die Architektur und ihre Autorin rezipiert werden. So initiierte sie ihr persönliches Rechercheprojekt «Chacarita Moderna». Sie fotografierte, filmte, forschte in Archiven und führte Gespräche. Daraus entstand eine interdisziplinär ausgerichtete Ausstellung, die 2020 in der Alliance Française in Buenos Aires hätte gezeigt werden sollen, aufgrund der Pandemie jedoch geschlossen wurde. Wir haben Léa Namer eingeladen, ihre Auseinandersetzung mit «Chacarita Moderna» in Bern zu zeigen. Die Ausstellung stellt den aussergewöhnlichen Ort vor und fragt nach seiner Bedeutung für den Umgang der Gesellschaft mit dem Tod und die Auswirkung auf die Gestaltung von Friedhöfen als städtische Freiräume.
Léa Namer *1989, Architektin und Kuratorin, Paris. Léa Namer schloss 2012 ihr Studium an der École Nationale d‘Architecture de Paris La Villete ab. Im Rahmen eines Hochschulaustauschs verbrachte sie 2011 ein Jahr an der Fakultät für Architektur, Design und Urbanismus in Buenos Aires und begeisterte sich für die argentinische Hauptstadt. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie in verschiedenen Pariser Architektur- und Landschaftsarchitekturbüros. 2016 kuratierte sie die Ausstellung «Les Îles de la Seine» im Pavillon de l‘Arsenal in Paris. 2019 initiierte sie das Ausstellungsprojekt «Chacarita Moderna» (ursprünglich gemeinsam mit Elsa Dupont).
Ítala Fulvia Villa (1913–1991) ist eine der ersten Architektinnen und Urbanistinnen Argentiniens. Sie diplomierte 1935 an der Architekturschule der Universität von Buenos Aires, die damals der Fakultät für Naturwissenschaften angehörte. 1937 nahm sie mit Studienkollegen, darunter Jorge Ferrari Hardoy und Juan Kurchan, an einer Studienreise nach Europa teil. Hardoy und Kurchan blieben in Paris und assistierten Le Corbusier bei der Arbeit an seinem Plan für Buenos Aires (1937). Villa lieferte ihnen kartografisches und fotografisches Material, das sie eigens erarbeitete. Nach der Rückkehr von Hardoy und Kurchan gründeten sie gemeinsam mit Ítala Fulvia Villa den Grupo Austral, der die Ideen des Modernismus nach Argentinien transferierte. Die Stadt, ihre Entwicklung, Planung und Gestaltung blieb zeitlebens das wichtigste Interesse von Ítala Fulvia Villa und bildete den Schwerpunkt ihres Schaffens.
Das Jahresprogramm des Affspace wird gefördert von der Stadt Bern, dem Kanton Bern und der Burgergemeinde Bern. Die Zwischennutzung wird von Egli Bestattungen, der Zunftgesellschaft zum Affen und der Bank EEK unterstützt.