Wo das Leben spielt...
Skitour auf den Titilis, 1945. Foto: Milou Steiner © StAAG/Ringier Bildarchiv
Er war Sportfotograf, kletterte für das perfekte Bild in die Eigernordwand und lichtete Weltstars wie Louis Armstrong ab. Doch am liebsten war Milou Steiner dort, wo das normale Leben passierte. Eine Ausstellung im Stadtmuseum Aarau zeigt das facettenreiche Werk eines Mannes, der Fotografie als Handwerk und Berufung verstand.
Bergführerschule Jungfraujoch, 1961. Foto: Milou Steiner © StAAG/Ringier Bildarchiv
Es gibt Fotografen, die jagen den einen, lauten Moment. Und es gibt solche wie Milou Steiner (1915–1994). Steiner war kein Paparazzo, obwohl er lange als Pressefotograf – unter anderem für den Blick – arbeitete. Sein Werkzeug war nicht die Ellbogenmentalität, sondern der Respekt und ein wacher Blick für den Alltag. Die umfassende Ausstellung «Wo das Leben spielt» im Stadtmuseum Aarau zeigt nun die Bandbreite dieses Fotografen , dessen Karriere in einem zutiefst bewegten Europa begann und dessen Bilder – wie etwa die Serie über den Wiederaufbau Münchens – eindrückliche Zeitdokumente sind.
Louis Armstrong mit Velma Middleton, Kongresshaus Zürich, 1955 Milou Steiner © StAAG/RBA | RBA16-313_1
Nach diesen frühen Jahren galt sein Blick voll und ganz dem alltäglichen Leben – den Momenten, die für die Menschen das Leben lebenswert machten. Steiner, der seinen Künstlernamen Milou bereits mit 18 Jahren wählte, war ein «Augenmensch», der genau wusste, wo und wann er sein musste. Als aufmerksamer Chronist dokumentierte er den enormen gesellschaftlichen Wandel fast beiläufig, aber mit einem präzisen Blick für das Wesentliche. Seine Serien spannen den Bogen von der Nachkriegszeit bis hin zur technologischen Transformation der heimischen Gesellschaft. Dabei interessierten ihn nicht nur die Innovationen selbst, sondern vor allem ihr Einfluss auf den Alltag der Bevölkerung. So hielt er kuriose Meilensteine wie die frühe Computer-Partnervermittlung mittels der sogenannten «Heiratsmaschine» (IBM 1410) fest und begleitete Pionierprojekte wie den Migros-Lastwagen, der als rollender Laden die Lebensmittelversorgung revolutionierte und direkt zu den Menschen brachte. Sein Interesse an sozialen Gefügen machte dabei auch an der Landesgrenze nicht halt: Eine seiner letzten Auslandsreportagen widmete er etwa dem männlich dominierten Strassenleben in der Türkei, was seinen Ruf als Fotografen unterstreicht, der stets den Menschen im Kontext seiner Umgebung suchte.
Matrosen mit Sextanten auf See vor Scheveningen, Niederlande 1954. Foto: Milou Steiner © StAAG/Ringier Bildarchiv
Doch Steiner war nicht nur der stille Beobachter des städtischen Alltags, er suchte auch das Abenteuer und scheute aussergewöhnliche Einsätze nicht. Für das perfekte Bild war ihm kein Weg zu steil: Er kletterte für die Berichterstattung zum Film «Sein bester Freund» 1950 sogar mit dem Filmteam in die Westflanke der berüchtigten Eigernordwand. Für ihn galt der Grundsatz, dass man sich bewegen muss, um ein gutes Bild zu bekommen. Diese professionelle Gelassenheit bewahrte er auch, wenn er das Parkett wechselte und grosse Namen vor seine Linse traten. In Zusammenarbeit mit dem People-Journalisten Jack «Chasseur» Stark fotografierte Steiner Weltstars wie Louis Armstrong , Romy Schneider oder die Beatles. Dabei mied er das blosse Spektakel und zeigte den Menschen hinter dem Star, weshalb er in der Szene als besonders verlässlicher und anständiger Fotograf galt.
Alp-Fahrt mit dem Schiff, Insel Ufenau 1959. Foto: Milou Steiner © StAAG/Ringier Bildarchiv
Hinter dem vielseitigen Profi stand dabei immer auch der Familienmensch Emil «Milou» Steiner. Seine Frau Margareth «Greta» Heiduk und die Kinder Emilio und Marianne waren oft Teil seiner Arbeit und wurden in seine Leidenschaft eingebunden. Die Ausstellung, die auf dem rund 11'000 Fotografien umfassenden Nachlass im Ringier Bildarchiv basiert, ist somit mehr als eine Werkschau. Sie ist eine Hommage an einen Chronisten, der zeigte, dass die grossen Geschichten oft im Kleinen liegen.
Migros auf Rädern, 1955. Foto: Milou Steiner © StAAG/Ringier Bildarchiv
Die Ausstellung Wo das Leben spielt von Milou Steiner kann bis am 27. September 2026 im Stadtmuseum Aarau besucht werden.