C/O Berlin
7. März - 5. September 2020
The Polaroid Diaries
Linda McCartney
„Sie war immer offen für die kleinen Momente des Alltags, die sie viel mehr interessierten als inszenierte Bilder. Sie wollte echte Momente.“ – Mary McCartney
Ein Mann steht vor einem schicken roten Sportwagen. Über absurd klobigen Moonboots trägt er einen schwarzen Mantel, die linke Hand ist zum Gruß erhoben. Großer Auftritt, und doch schaut der Mann gänzlich unaffektiert in die Kamera. Die Fotografie von Paul McCartney entstand in den 1970er-Jahren. Die Frau hinter der Kamera ist Linda McCartney, die sich bereits mit ihren Porträts von berühmten Persönlichkeiten und Musikern wie Aretha Franklin, Jimi Hendrix und Bob Dylan einen Namen als Fotografin gemacht hat. Doch je öffentlicher ihr Leben wird, desto persönlicher, intimer und experimenteller wird das Thema ihrer Arbeit. Über Jahrzehnte hinweg hat sie ihr Familienleben und ihre direkte Umgebung eingefangen und ein Panorama an unprätentiösen, teils sehr intimen Momenten geschaffen, das gleichzeitig den sich wandelnden Zeitgeist dokumentiert.
Wie kann eine Fotografie das Glück, die Wärme und die Harmonie des Familienlebens vermitteln? Linda McCartneys Aufnahmen eröffnen Einblicke in den Alltag einer alles andere als alltäglichen Familie, und sie verblüffen und faszinieren mit ihrer Natürlichkeit. Mit ihrem klarem Blick für Bildaufbau und Komposition sowie ihrer Empathie gelingt es der Künstlerin, die Fotografierten nahbar, menschlich und verletzlich erscheinen zu lassen. Anders als viele ihrer Zeitgenoss*innen ließ McCartney sich bewusst auf das Häusliche und Familiäre ein und machte es zum Gegenstand ihrer Arbeit. Sie betrachtete ihr Leben als Ehefrau und Mutter nicht als Einschränkung, sondern als Bereicherung ihrer Bildwelt. In ihren Aufnahmen aus dem privaten und öffentlichen Leben reflektiert sie auch das fotografische Medium. Der Zauber von Linda McCartneys Arbeiten beruht auf ihrem meisterhaften Einsatz einer fotografischen Technik, die auf das Negativ als Reproduktionsmittel verzichtet und sich auf die Einzigartigkeit eines Positivs verlässt: das Polaroid – nicht wiederholbar, nicht korrigierbar, immer live.
C/O Berlin präsentiert in der Ausstellung über 250 Polaroids und eine Auswahl von Vintage-Ausbelichtungen aus dem Archiv der Künstlerin. Ein Großteil der Polaroids stammt aus den 1970er-Jahren, als die Sofortbildfotografie noch eine relativ neue Erfindung war, deren Möglichkeiten Linda McCartney begeistert austestete. Die Polaroids der Ausstellung geben einen intimen Einblick in McCartneys Leben und ihr visuelles Denken, wobei jedes Bild einen spezifischen Ort und Moment wiedergibt. Linda McCartney . The Polaroid Diaries macht ihre Gabe, den Moment einzufangen, erfahrbar und wird von einer Publikation im Taschen Verlag begleitet.
Die Ausstellung bei C/O Berlin entstand in Zusammenarbeit mit dem Linda McCartney Archive.
Kurator*innen: Angehörige der Familie McCartney und Felix Hoffmann im Namen der C/O Berlin Foundation, in Zusammenarbeit mit Sarah Brown vom Linda McCartney Archive.
Linda McCartney (geboren 1941 in New York, gestorben 1998 in Tucson, USA) begann ihre Karriere mit der Dokumentation der Musikszene der 1960er-Jahre. 1967 wurde sie als US-amerikanische Fotografin des Jahres ausgezeichnet, 1968 fotografierte sie als erste Fotografin ein Cover des Rolling Stone. In späteren Arbeiten widmete sie sich auch sozialen Missständen, dem häuslichen Leben und der Natur und experimentierte darüber hinaus mit unterschiedlichen fotografischen Techniken wie z. B. der Cyanotypie. Linda McCartney war Vegetarierin und eine der ersten prominenten Tierschutzaktivistinnen. Die Kochbuchautorin, Musikerin und Mutter von vier Kindern starb im Alter von 56 Jahren an Brustkrebs. Ihre Arbeiten sind unter anderem in den Sammlungen des Victoria & Albert Museums und der Londoner National Portrait Gallery vertreten und wurden in Ausstellungen weltweit präsentiert.
(Text: C/O Berlin)