C/O Berlin
7. März - 5. September 2020
On Being an Angel
Francesca Woodman
Ein nackter tanzender Körper vor und gleichzeitig in einem Spiegel, Wäscheklammern, die Körperoberfläche und Haut quetschen – was macht diese junge Frau da? Francesca Woodmans Fotografien sind Dokumentationen von Performances, mit der Kamera als einziges Publikum. Aber es sind auch komplexe und formal ausgewogene Kompositionen des überwiegend weiblichen Körpers, den sie zusammen mit Lilien, Muscheln oder Aalen in baufälligen Räumen inszeniert – weibliche und männliche Symbole, die sie sich aneignet, umdeutet und dekonstruiert. Meist tritt die Künstlerin selbst im Bildraum auf und nutzt gekonnt Fragmentierung und Maskierung zum Spiel mit der Identität: Die angeschnittenen Leiber, die sie im Bildraum platziert, sind selten einzelnen Individuen zuzuordnen. So erscheint der einzelne Körper gleichzeitig physisch präsent und engelhaft immateriell. Dabei lassen Bewegungsunschärfen, Spiegelungen und mit dem Hintergrund verschmelzende Figuren melancholische, surrealistische und manchmal auch klaustrophobische Züge erkennen. Unter Verwendung bekannter Motive aus der Kultur-, Bild- und Fotogeschichte thematisiert Woodman die vielen Rollen der Frau – das junge Mädchen, die Schönheit, die Verführerin, aber auch das universell Weibliche als Medium des Spiritismus und der Kunst. Dennoch bleibt die Atmosphäre der Fotografien zutiefst persönlich und intim, was durch die Wahl überwiegend kleiner Formate noch verstärkt wird.
Zu Lebzeiten kaum bekannt, gehört Francesca Woodman heute zum Kanon der künstlerischen Fotografie und gilt neben Claude Cahun und Cindy Sherman zu den starken weiblichen Stimmen der Fotografiegeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit der Ausstellung On Being an Angel präsentiert C/O Berlin erstmalig in Deutschland einen Querschnitt durch Francesca Woodmans Werk – von kleinformatigen Schwarz-Weiß-Bildern über seltene Farbfotografien bis hin zu den späten, überlebensgroßen Arbeiten, die mit experimentellen Techniken wie der Diazotypie entstanden sind. Die 102 Estate Prints bilden alle thematischen Hauptgruppen ab, die in ihrer kurzen, aber intensiven Schaffenszeit entstanden sind, und die bei C/O Berlin im Dialog mit sechs Kurzfilmen der Künstlerin zu sehen sind.
Die Aussstellung Francesca Woodman . On Being an Angel wurde organisiert vom Moderna Museet, Stockholm.
Francesca Woodman (geboren 1958 in Denver, gestorben 1981 in New York City, USA) war eine US-amerikanische Künstlerin und Fotografin. Aufgewachsen in einer Künstlerfamilie, begann sie mit 13 Jahren zu fotografieren. Sie studierte an der Rhode Island School of Design in Providence unter anderem bei dem berühmten Nachkriegsfotografen Aaron Siskind und verbrachte Arbeitsaufenthalte in Rom, New York City und Peterborough, New Hampshire, bevor sie sich im Alter von nur 22 Jahren das Leben nahm. Sie schuf tausende von Negativen und etwa 800 Prints verschiedener Techniken, die heute vom Estate of Francesca Woodman verwaltet werden. Die erste umfassende Retrospektive wurde postum im Jahr 1986 für das Wellesley College Museum kuratiert und tourte anschließend durch US-amerikanische Universitätsmuseen. 1992 wurde ihr Schaffen zum ersten Mal in Europa in der Shedhalle, Zürich, und im Westfälischen Kunstverein, Münster präsentiert. Francesca Woodman wurden international Einzelausstellungen gewidmet, unter anderem an Institutionen wie der Fondation Cartier pour l’art contemporain, Paris (1998), San Francisco Museum of Modern Art (2011) und Guggenheim Museum, New York (2012). Die Aussstellung Francesca Woodman . On Being an Angel war in Europa an verschiedenen Stationen zu sehen.
(Text: C/O Berlin)