Anzenberger Gallery | Wien
5. März - 30. April 2021
Jindrich Streit "Village People 1965-1990"
Jindřich Štreit, geb. 1946, ist ein außergewöhnlicher Chronist und Erzähler. Über fünf Dekaden beschreibt er in seinen Schwarzweiß-Fotografien das Leben auf dem Land in den tschechischen Regionen Nordmährens und Böhmen. Es ist eine umfassende fotografische, wie auch soziologische Studie, ähnlich in ihrem Umfang und künstlerischer Qualität, vergleichbar mit dem intensiven Werk eines Eugene Atget in Paris oder den Fotografien von Diane Arbus. In einer eigenen Stilistik und Bildsprache, nur eben gewachsen im Verborgenen, am äußersten Ende der damaligen Welt, welche in Wirklichkeit ziemlich genau in der Mitte in Europas liegt. Diese Region ist geprägt von den Wirren und Beschädigungen der Weltkriege und einer nachfolgenden Diktatur, deren Rituale und Bildwelten, für uns heutige Betrachter, oft absurd erscheinen.
Jindřich Štreit beschreibt die Vereinzelung und Vereinsamung des Menschen im Alltag des sozialistischen Kollektives. Doch im Privaten, sowie auf den gemeinsamen Festen und Begegnungen zeigen die Fotografien die Lebensfreude, eine starke Gemeinschaft und Solidarität. In der Gegenüberstellung mit den Aufnahmen der offiziellenKundgebungen und Feierlichkeiten des Staates wird dies um so deutlicher. Den Fotografien Jindřich Štreits geht ein ‚Miteinander Leben‘ voraus. Streit kennt diese Menschen, welche er fotografiert. Daher ist diese Nähe erst möglich und seine empfindsame Bildsprache zu verstehen, diese radikale Poesie und Echtheit der Situation. Der Kontrast der Aufnahmen Streits zu den offiziellen ideologischen Darstellungen konnte nicht gravierender sein. Die Kritik an den bestehenden Lebensverhältnissen war in den Bildern immer vorhanden und konnte von einem totalitären Staat in seiner erstarrten Vokabel- und Zeichensprache nicht anders, als eine Kritik verstanden werden. Das führte ab den 80er Jahren zu einem Veröffentlichungsverbot in jeder Form, zu Festnahmen und ständigen Kontrollen durch die Staatsmacht. So blieb er, trotz permanentem Fotografierens bis zum Ende des Sozialismus in der Fotogeschichte ein Unbekannter. Seit den 90er Jahren, nach seiner Rehabilitierung, wurden seine Bilder weltweit gezeigt und sind in den wichtigsten Fotografischen Sammlungen vertreten. In seinem Heimatland ist er einer der bekanntesten Fotografen, wie auch ein geschätzter Lehrer an den führenden Fotohochschulen Tschechiens. Thematisch und in der fotografischen Qualität stehen die Arbeiten Streits den humanistischen Bildschöpfungen der großen Magnum-Fotografen nahe, ohne diese zu imitieren. Wie bei allen großen Fotografen ist es sein eigener, universeller Blick auf diese Welt, der seine Bilder so einmalig macht.
Jindřich Štreit ist einer der wichtigsten europäischen Fotografen. Er steht in einersozialen Foto-Tradition, die er mit Chris Killip, Anders Petersen und Josef Koudelka teilt. Immer noch fotografiert Jindřich Štreit und gibt Workshops. Allerdings fehlt bisher auf dem internationalen Buchmarkt eine umfassende Monografie zum fotografischen Werk Jindřich Štreits, welche seine Arbeit und so besondere Sicht auf das menschliche Leben einem Publikum über die tschechischen Grenzen hinweg vorstellen kann.
Das neue Buch und die Ausstellung VILLAGE PEOPLE enthält seine berühmtestenKlassiker aus dieser Zeit so wie unveröffentlichte Arbeiten, die mit den bereits bekannten Bildern leicht Stand halten können, um fotografische Ikonen zu werden. Das Buch enthält einen Text des Fotografen Vladimir Birgus.
Die Ausstellung in der AnzenbergerGallery in Wien, die die Weltpremiere einer Wanderausstellung zum Buch ist, zeigt ausschließlich Vintage Prints, die auch käuflich zu erwerben sind.
Jindřich Štreit has long been one of the most important figures in Czech photography. He has had more than 1,400 solo exhibitions and his works are in the collections of leading institutions, including the Museum of Modern Art in New York, the National Gallery of Art in Washington, D.C., and the Victoria and Albert Museum in London. Though he has made many visually powerful series with photographs from various parts of the world, his fundamental works remain the unique set of photographs of the Czechoslovak countryside in the 1970s and 1980s. In them he has made an unembellished, unlyricized, unsentimental picture of life in villages of the poor area of Bruntál in the years of the re-established Communist régime, called ‘normalization’. No other Czech photographer has developed the rural theme so multifacetedly, broadly, and authentically. Even amongst the most ravaged of environments and their inhabitants, Štreit has often been able to discover something beautiful, even if only the desire for beauty and joy,friendship and love, timeless values.
The new book and exhibition VILLAGE PEOPLE 1965-1990 contains his famous classics from this period as well as unpublished works that easily stand in comparison with those that have already become photographic icons. The book comes with a text about the photographer by Vladimir Birgus.
AnzenbergerGallery will exhibit VINTAGE PRINTS by Jindrich Streit.