Kunstraum Medici | Solothurn
20. Oktober - 8. Februar 2020
Chiffern
Alexander Jaquemet
Der Blick führt ins tiefe Dunkel und macht uns zu Sehenden. Alexander Jaquemet liebt solche Paradoxe. Er zeigt uns einen Star, fotografiert am Übergang von Tag und Nacht. Alles scheint in der Tiefe des Raumes zu versinken. Selbst die Kontur des Vogels verliert sich. Nur ein zartes Licht lässt uns im Farbverlauf den Zeitverlauf erahnen. Was bleibt, ist ein feiner Glanz, der ins Diesseits ragt und uns abholt auf unserem Weg ins Imaginäre.
Die Fotografie erscheint als Lichtzeichnung und offenbart uns zugleich ihre Rätselhaftigkeit, die aus der Finsternis spricht. Wir folgen dem Blick des Vogels ins Nichts und werden dabei auf uns selbst zurückgeworfen. Wir beobachten uns beim Sehen und loten gleichzeitig die verschiedenen Dimensionen des Bildes aus. Der Vogel wird so zu einem Begleiter in die Kunst von Alexander Jaquemet.
In diesem Bild konzentrieren sich die besondere Bildsprache dieses Fotografen und die poetische Kraft seines Schaffens. Immer wieder kommt bei Alexander Jaquemet dem Licht eine zentrale Rolle zu. Wir beobachten, wie er die subtile Grenze zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren umspielt. Immer wieder führt er uns in die Tiefe und stellt uns zugleich etwas entgegen, das die Versenkung auffängt. In bester romantischer Tradition arbeitet er mit Motiven feiner Verfremdung: Dazu gehört der Glanz auf dem Gefieder, das den Vogel greifbar macht, obwohl er sich entzieht. Dazu gehört der Dunst, der den Himmel irdisch macht. Dazu gehört die Zeichenhaftigkeit von Zweigen im Unterholz, worin sich Ordnung im Zufall zeigt. Und wenn im stillen Gewässer der Himmel über moorigem Grund erscheint, wird deutlich, dass Bilder immer auch zurückschauen, wenn wir sie betrachten.
In den Fotografien von Alexander Jaquemet sind beide Möglichkeiten offen: Die Wahrnehmung ist gekoppelt an tiefe Reflexion. So berühren seine Bilder unsere Sinne und führen uns zugleich ins Reich der Vorstellung. Der Vogel kann dabei als Bote wirken. Er zeigt uns wie aus der Einfachheit der Motive komplexe Bildwirklichkeiten wachsen, die den Moment überdauern.
(Text: Stephan Kunz)