Dorothée Nilsson Gallery | Berlin
5. September - 31. Oktober 2020
Aurora
Sascha Weidner
Ein orangefarbenes Zelt spannt sich über den Köpfen der Besucher der Dorothée Nilsson Gallery. In einer Fotografie der Ausstellung steht es zwischen den Bäumen eines Waldes. Es ist beleuchtet; grell sticht es aus der dunklen Umgebung hervor. Refuge II, der Titel des Bildes, lässt offen, ob es sich um den Zufluchtsort eines müden Reisenden oder ein Refugium der bewussten Abkehr von der Gesellschaft handelt. Sascha Weidners Fotografien suchen das Licht und mit ihm all die unbekannten oder übersehenen Szenen und Orte, auf die es fällt.
Der Fotokünstler war zeitlebens ein romantisch bewegter Reisender. Weidners radikal subjektive Fotografien erscheinen als poetische Traumbilder und offenbaren Momente der Sehnsucht. Er selbst sprach vom Akt des Fotografierens als „Refugium, wo Utopie die Realität inszeniert und Realität die Utopie“. Jedoch finden sich in dem von ihm visualisierten Erhabenen immer auch erste Anzeichen von Unergründlichem und Melancholie.
Große Teile des Nachlasses Weidners befinden sich heute im Sprengel Museum Hannover. Inka Schube, Kuratorin des Hauses, sprach Sascha Weidner einen „Gestus der bedingungslos erscheinenden Zugewandtheit“ zu. Es gibt keine klaren Grenzen zwischen dem Leben und der fotografischen Arbeit Sascha Weidners. Ob spontane Momentaufnahme oder Inszenierung, seinen Bildern wohnt Authentizität inne.
Sascha Weidners Arbeiten halten Momente des Lebenshungers und Freiheitsdranges fest. Die Fotografie Idiosyncratic II zeigt zwei Menschen, die auf einem nicht sichtbaren Untergrund tollen und einander auf ihren Beinen fliegen lassen. Das Bild steht Kopf und die Personen scheinen zu fallen. Weidner unterstreicht, dass die Ekstase des Fliegens nicht von der Angst des Fallens zu trennen ist.
Die Dorothée Nilsson Gallery zeigt mit Aurora eine Zusammenstellung der Arbeiten Sascha Weidners, die in dieser Form noch nie in Berlin ausgestellt wurde. Die Ausstellung folgt lockeren, subjektiven Assoziationslinien, die weit über die eigentlichen Bilder hinaus vom Betrachter intuitiv weiterentwickelt werden können.
Sascha Weidner wurde 1974 in Georgsmarienhütte bei Osnabrück geboren. Er studierte von 1996 bis 2004 Bildende Kunst und Visuelle Kommunikation an der HBK Braunschweig und schloss das Studium mit einem Ehrendiplom ab. Im Laufe seiner Karriere wurde Weidner mit diversen Preisen und Stipendien ausgezeichnet und erhielt die Möglichkeit, an Artist Residency Programmen teilzunehmen. Die Reisen, die er in diesem Rahmen unter anderem nach Italien, Kalifornien, Australien, Japan und China unternahm, prägten das Schaffen des Künstlers maßgeblich. Sascha Weidner verstarb 2015 in Norden.
(Text: Dorothée Nilsson Gallery, Berlin)