Dorothée Nilsson Gallery | Berlin
15. Dezember 2018 - 9. Februar 2019
“In Dialogue with Strömholm”
Christer Strömholm, Dawid, Gerry Johansson, Henrik Strömberg, Håkan Elofsson, Inka and Niclas, Julia Peirone, Linda Bergman, Martina Hoogland Ivanow, Sascha Weidner, Susa Templin, Thom Bridge, Yuken Teruya
Vier seltene Unikate Abzüge des schwedischen Fotografen Christer Strömholm aus seiner ersten Werkschau von 1965 werden in Beziehung zu ausgewählten zeitgenössischen Künstlerpositionen der Galerie gesetzt. Die Arbeiten thematisieren und reflektieren im Dialog mit Strömholm wichtige künstlerische Aspekte aus seinem Schaffen auf ganz eigene Weise neu.
Strömholm, der als einer der grossen Fotografen Schwedens gilt, nimmt mit seinem aussergewöhnlichen Œuvre eine wichtige Position innerhalb der internationalen Fotografiegeschichte ein. Mit der Kamera entwickelte er seine eigenen Bildvisionen von der Welt. Dabei begründete ein ausgeprägtes Interesse an Bildstrukturen sein Mitwirken in der wegweisenden Gruppe “fotoform“ um Otto Steinert. Bekannt wurde Strömholm vor allem mit seiner legendären Serie über die Transsexuellen vom Pariser Place Blanche (Les Amies de Places Blanche) aus den 1950er und 1960er Jahren. Seine dem fotografischen Existentialismus zugeordneten Schwarzweissfotografien verweisen mit einer schonungslosen Radikalität auf eine raue Lebenswirklichkeit, bestechen dabei aber auch mit ihrem poetischen Zauber. Das Geheimnis seiner Aufnahmen liegt in den surrealen Ausprägungen des von ihm Gesehenen, die sich zu neuen bühnenartigen Bildräumen verweben. Die Menschen darin gleichen zerbrechlichen, unwirklichen Geschöpfen, die sich in ihrer Alltäglichkeit sowie Unvollkommenheit und in ihrem Zweifel der Kamera offenbaren. Strömholm besass grossen Respekt, vor seinem Gegenüber und der Welt – Jedes Bild ist für sich gesehen nichts anderes als ein Selbstportrait, ein Teil des eigenen Lebens. (Strömholm, 1983).
Bei den jüngeren Künstlern und ihren Bildformulierungen liessen sich Parallelen entdecken: Die magische Präsenz einer Astkonstruktion bei dem Künstlerduo Inka and Niclas oder einer Tür bei Henrik Strömberg offenbaren surreale Momente. Der Raum als Ort subjektiver Erfahrung, der auf die Brüchigkeit des Seins verweist, sind für das künstlerische Verständnis von Susa Templin oder Yuken Teruya relevant. Identitäten und Selbstbefragungen hat Julia Peirone mit ihren Portraitbildern von Jugendlichen thematisiert. Bilder, die auf existentielle Fragestellungen verweisen und gleichzeitig den Blick verzaubern, hat Sascha Weidner geschaffen. Das von Linda Bergman zur Unkenntlichkeit verschmorte Puppengesicht erscheint wie eine grausame Metamorphose der körperlosen Köpfe aus Strömholms Bildwelt. Es sind diese Verweise von grafischen Elementen oder Metaphern, die zu der dialogischen Gegenüberstellung in der Ausstellung der dreizehn Künstler mit dem Altmeister geführt haben.
Christer Strömholm, als Hauptprotagonist der modernen Fotografie, löste sich bereits von dem dokumentarischen und narrativen Charakter des Mediums. Dawid (Björn Dawidsson), als Begründer eines postmodernen Verständnisses der Fotografie in Schweden, fusste die Genese seines Œuvres auf einer ikonographisch-experimentellen Bildsprache. Zeitgenössische Positionen, wie die in der Ausstellung arbeiten auf unterschiedlichste Weise und vor dem Hintergrund eines heutigen postfotografischen Verständnisses an der Erweiterung des Mediums in den real existierenden Raum.
Four rare prints by the Swedish photographer Christer Strömholm from his first exhibition in Stockholm in 1965 are be displayed alongside selected contemporary artists. The ensuing “dialogue with Strömholm“ thematizes and reflects artistic aspects of this artist’s oeuvre in a unique way.
Strömholm the doyen of modern Swedish photography, and his extraordinary work occupies an important position in the history of international photography. His pictorial compositions depict a unique vision of the world, and they led to his association with the group ofpioneering photographers founded by Otto Steinert known as "Fotoform." Strömholm is known above all for his legendary photographs of transsexuals at the Place Blanche in Paris during the 1950s and 1960s. With relentless radicality, his black-and-white “photographic existentialism“ captivates the poetic charm of life’s rough realities. The secret of this existentialism often lies in the surreal forms that are interwoven with dramatic pictorial moments, moments in which people resemble fragile and illusory creatures who reveal themselves to the camera in all their ordinariness, imperfection and doubt. Strömholm regarded his environment with the eyes of an artist who simultaneously seeks confrontation with reality and establishes contact with his fellow man, as a basic principle in photography. "Each picture can be considered a self-portrait, a part of one's own life." (Strömholm, 1983)
There are also obvious parallels to the work of younger artists’ pictorial formulations: the magical presence of a tree branch by Inka and Niclas, or a door by Henrik Strömberg, reveals the fragility of being and the surreal moments of subjective experience, moments which are likewise inherent in the artistic understanding of Susa Templin and Yuken Teruya. In a similar way, Julia Peirone also thematizes identity in the self-interrogations of her youthful portrait pictures. And Sascha Weidner’s images raise existential questions in a similar was just as they enchant the eye. The disembodied heads of Strömholm's pictorial world are also reflected by the cruel metamorphosis of the doll's face in Linda Bergman's work. Such graphic references result in a dialogue between the old master and the thirteen artists displayed in the exhibition.
Strömholm, as one of the main proponents of modern photography had already abandoned the documentary and narrative character of the medium behind and Dawid (Björn Dawidsson), as the founder of a postmodern understanding of photography in Sweden, find the genesis of their oeuvre in an experimental pictorial language. Contemporary positions such as those in the exhibition work in a wide variety of ways and against the background of today's post-photographic understanding on the expansion of the medium into real existing space.
(Text: Franziska Schmidt)