Haus am Kleistpark | Berlin
23. Mai 2019
Buchvorstellung mit Amin El Dib und Rolf Sachsse
Body and Soul
Amin El Dib
Amin El Dibs künstlerische Entwicklung ist engstens mit Berlin verbunden, sowohl was die Entstehung seiner Bildwerke als auch was deren Präsentation in Einzel- und Gruppenausstellungen betrifft. Dass er seit einigen Jahren in der Schweiz lebt, hat daran nichts geändert. Das Haus am Kleistpark zeigt jetzt unter dem Titel „Body and Soul“ erstmals eine Ausstellung mit einer größeren Auswahl seiner über die Jahre entstandenen und thematisch geordneten Werkgruppen. Kuratiert hat sie Enno Kaufhold.
In der frühesten der hier ausgewählten und bis 1988 zurückreichenden Serie „Bilder von Menschen und Tieren“ porträtiert er, wie es schon der Titel verrät, Frauen und Männer, die ihr Leben mit Tieren teilen. Neben Hunden und Katzen, die unverzichtbar dazu gehören, reicht die Skala der Tierarten darüber jedoch weit hinaus. Ob es die Personen oder doch eher die Tiere sind, die den Blick in die Bilder ziehen, bleibt von Bild zu Bild offen. Offen wie das Oszillieren zwischen Normalität und Skurrilität, Selbstverständlichkeit und Abwegigkeit, Witz und bitterem Ernst. Angesichts des Umstands, dass die Porträtierten mal bekleidet und ein anderes Mal unbekleidet zu sehen sind, verweisen seine Bilder darauf, dass die Frage der Bekleidung allein auf die Menschen, nicht aber auf die Tiere anzuwenden ist. Die tragen ohne Ausnahme ihre evolutionär angepassten Kleidungen. Insgesamt verrät allein diese Porträtserie Amin El Dibs ausgeprägtes Interesse an Menschen und – nicht minder wichtig – am Inszenieren, das allen Porträts mehr oder weniger zugrunde liegt.
Um in der Chronologie der ausgestellten Werkgruppen zu bleiben, folgt die von 2000 bis 2002 entstandenen Serie „Weekenders“. Nicht zum ersten Mal und die traditionellen fotografischen Spezifika sprengend, unterzog Amin El Dib seine zahlreichen von ihm fotografierten Porträts einer radikalen Dekonstruktion, indem er die Fotopapiere zerriss, zerknüllte und auch sonst rüde behandelte. Die solchermaßen entstandenen Motivfragmente fügte er in einem zweiten Schritt collagenartig neu zusammen, oder fotografierte die körperlichen Gebilde ein neues Mal. Bei diesem gewaltsamen Vorgehen, schließlich ist das Zerreißen oder Zerknüllen des Fotopapiers ein rabiater physischer Akt, ging der ureigene Porträtcharakter unverkennbar verloren, zugleich kreierte er jedoch mit dieser Technik eine hinsichtlich der Materialität wie Ästhetik neue Bildform. Die solchermaßen vollzogene Reinszenierung setzte er 2006 in der medienreflexiven Arbeit „Men at Work“ auf andere Weise fort, indem er gezielt einzelne Gesichter mit geöffneten Mündern aus einschlägig pornografischen Publikationen, wie wir sie aus unserem pornografisierten Alltag kennen, heraus fotografierte. Die Verwandlung ins Schwarzweiße, die starke Fragmentierung sowie der Duktus der gerasterten Druckvorlage verleihen den so geschaffenen Bildern ein gänzlich verfremdetes Aussehen. Der pointierte Gestus des offenen Mundes, ursprünglich Ausdruck dargestellter sexueller Lust, nimmt absurde Formen an. In der zeitlich nachfolgenden Serie „United Tongues“ steigert Amin El Dib diesen Eindruck noch, indem er die aus demselben Kontext stammenden Kussszenen durch starke Ausschnitte vollends in die visuelle wie gedankliche Abstraktion verwandelt.
Schließlich umfasst die Ausstellung neben diesen durchgehend schwarzweiß fotografierten Bildserien noch eine größere Auswahl aus zwei jüngeren, jetzt farbig fotografierten Werkgruppen. In der „Under Skies of Blue and Grey” betitelten und von 2007 bis 2014 fotografierten Serie folgt Amin El Dib dem tradierten Landschaftsbild, allerdings, und das muss sofort wieder die Einschränkung sein, fern von allen, Natur verherrlichenden Stereotypen. Ihre Andersartigkeit erschließt sich bei genauerem Hinsehen und in der Abfolge des Seriellen. Es sind die subtilen Verweise, die den wie auch immer gearteten Eingriff der Menschen erkennen lassen. Schon hier kann von Verletzungen gesprochen werden. Einen wesentlich deutlicheren Akzent setzte er bei den in den Jahren 2014 bis 2016 von ihm fotografierten antiken Statuen. Diese in der Skulpturhalle in Basel aufgenommenen Bilder der dort gesammelten Gipsrepliken handeln, wie diese Arbeit klar ausweist, „Von der Brüchigkeit des Seins“. Selbst die auf Ewigkeit angelegten antiken Steinskulpturen, die den Gipsrepliken zugrunde lagen, haben Beschädigungen erlitten, verloren Gliedmaßen wie Teile ihrer Gesichter und mehr und zeugen so von der Verletzbarkeit allen Irdischen, womit im metaphorischen Sinn nicht allein die Steinplastik, sondern gleichermaßen die menschliche Existenz gemeint ist.
In all seinen Bildern, und das ist das Verbindende zwischen den scheinbar disparaten Werkgruppen, verweigert sich Amin El Dib der absoluten Harmonie, dem Schönen schlechthin. Um es mit den Begriffen des Porträts zu formulieren, er schreibt den schönen Gesichtern zugleich die Fratze ein.
(Text: Haus am Kleistpark)