Im Strom des Lebens…

It’s Complicated, Fine Art Print, 2021 | © Gemma Pepper

Auf der Suche nach Möglichkeiten analoge und digitale Fotografie, Malerei sowie Objekte zu vereinen und dem Wunsch eine Symbiose zu erzeugen, entstanden diese Bilder, die verschiedene Elemente aus unterschiedlichen Kunstrichtungen zusammenbringen. Die Bilder der Künstlerin Gemma Pepper entstanden mit gesammelten analogen Fotografien und eignen digitalen Bildern, Objekten und Skizzen.

It’s written in the Wind, Analog Collage, 2021 | © Gemma Pepper

Diese vielschichtigen Kunstwerke kombinieren Bilderwelten und zeichnen sich durch ihre Vielschichtigkeit aus. Diese Ebenen lassen die Fotografien und die Collagen [1]dreidimensional erscheinen und werfen Fragen auf, die sich mit der Zukunft solcher schier vergessenen Fotografien auseinandersetzen. Was geschieht mit den verstaubten Fotoalben, die die meisten Menschen auf dem Dachboden lagern? Welchen Wert haben solche Bilder und wie können diese für die zukünftige Generationen erhalten werden?

Reality Shifting, Fine Art Print, 2021 | © Gemma Pepper

Einerseits zeigt die Künstlerin abstrakte Landschaftscollagen – Unikate, inspiriert von Wales, ihrer Heimat und der Schweiz, ihrer Wahlheimat. Des Weiteren werden Kunstfotografien gezeigt mit analogen Bildern aus ihrer eigenen Sammlung. Eines haben sie jedoch gemeinsam; die Materialien sind zum grössten Teil aus den Jahren 1900-1960. Einige Kunstwerke werden zum Teil immer wieder neu rekonstruiert, um aus etwas Altem schlussendlich etwas Neues, etwas Zeitgenössisches zu kreieren.

Evolution, Analog Collage, 2021 | © Gemma Pepper

Gemma Pepper ist eine Britische Fotografin und Künstlerin, die zur Zeit in der Schweiz lebt und arbeitet. Ihre Arbeiten befinden sich in Privatsammlungen und wurden international publiziert und ausgestellt. Das Museum und die Universität von Derby in England haben Kunstwerke für ihre Museumssammlung erworben. Gemma hat an der Universität von Derby Kunstfotografie studiert und an der Zürcher Hochschule der Künste einen Master in Art Education, Curatorial Studies erworben.

Ruby and her Sister, Fine Art Print, 2021 | © Gemma Pepper

14 Islands and 50 Bridges, Analog Collage, 2021 | © Gemma Pepper

Moody Blues, Analog Collage, 2021 | © Gemma Pepper

[1] Die Collage (franz. "coller" = kleben), auch Klebebild genannt, entsteht durch Übereinanderkleben von Materialien, wobei ein neues Ganzes geschaffen wird. Dabei können verschiedenste Materialien wie Zeitungsausschnitte, farbiges Papier, Bänder, Furnierstücke, Fotografien oder ähnliches verwendet werden, die auf einen festen Untergrund oder Leinwand aufgebracht werden. Die Collage-Technik wurde von den Futuristen eingesetzt. Besonders geschätzt wurde sie von den Dadaisten und Surrealisten, wegen ihrer möglichen Überraschungseffekte und absurden Kombination, der Möglichkeit des freien Spiels des Zufalls. Max Ernst definiert die Collage so: "Collage-Technik ist die systematische Ausbeutung des zufälligen oder künstlich provozierten Zusammentreffens von zwei oder mehr wesensfremden Realitäten auf einer augenscheinlich dazu ungeeigneten Ebene - und der Funke Poesie, welcher bei der Annäherung dieser Realitäten überspringt.“ Die Collage als künstlerische Technik wurde bereits früher eingesetzt, um 1910/11 führten George Braque und Pablo Picasso die Collage in die moderne Kunst ein. Bei der Verwendung der Collagetechnik mit dreidimensionalen Objekten spricht man von einer Assemblage. (Quelle: Ketterer Kunst)

Art, CollageMiryam Abebe
In konstantem Dialog: Guido Guidi «da zero» im Centre Virreina de la Imatge, BCN…

Linea veloce Bologna-Milano, Rubiera, 2005 | © Guido Guidi

Es sei die Absicht, mit «da zero» einen vertieften, umfassenden Einblick in das Werk des italienischen Fotografen Guido Guidi (*Cesena/IT, 1941) zu geben, liest die Besucherin im aufschlussreichen, in drei Sprachen (cat, spa, eng) erhältlichen, kostenlosen Ausstellungsleaflet. Und, um es gleich vorwegzunehmen - dies ist mehr als gelungen: Die über 250 Fotografien umfassende, auf mehrere Säle unterteilte Ausstellung liefert Anschauungs-, aber auch Nachdenkmaterial, das durchaus auf mehrere Besuche verteilt werden kann.

San Mauro in Valle © Guido Guidi

„da zero”, von vorne, bei Null beginnen:
Seit seiner Adoleszenz beschäftigt sich Guido Guidi mit der Fotografie. Die ersten Bilder der Ausstellung, in b/w, markieren dieses «da zero», bevor der Fotograf in den Sechzigerjahren zu experimentieren beginnt und die fotografische Praxis weiterdenkt: Es entstehen fotografische Diptychen, Sequenzierungen, die an ein bebildertes Skript oder Drehbuch erinnern und einen narrativen Kontext schaffen. In den Siebzigerjahren sind es Fotoserien, die uns eine Architekturfotografie zeigen, die mit den Regeln derselben bricht – und unser Auge damit gehörig irritieren. Motivisch rückt zudem die urbane Peripherie in den Mittelpunkt – mit ihrer in jeder Hinsicht unausgereiften Gestalt ist sie für fotografische Experimente durchaus prädestiniert.

Tomba Brion | © Guido Guidi

Guidis in zwischen den Siebziger und Neunziger Jahren entstandenen, die Sehgewohnheit herausfordernden Fotografien erinnern teilweise formal an die Bildpraxis von Walker Evans, obwohl sie durchwegs eigenständig sind. Von besonderem Interesse sind zudem die durch den Sucher festgehaltenen Beobachtungen des Zusammenspiels von Licht, Schatten und Bewegungen in einem Raum oder im Freien. So gelang Guidi das Bannen des zum schon von Aristoteles beschriebenen Phänomen der Eklipse.

Cervia, 1983 | © Guido Guidi

Studien in Kunst, Architektur und Design bei Professoren wie dem genannten Architekten Carlo Scarpa (dessen Meisterwerk Tomba Brion ein weiteres wichtiges Motiv in Guidis Schaffen darstellt) sowie der Einfluss von Fotografen wie Italo Zannier und Bruno Zevi auf der einen, die Bauhaus-Theorie, und die Beschreibung des «Alltäglichen», welche mit der nordamerikanischen Fotografie der Zeit konnotiert wird, auf der andern, bildeten den äusserst fruchtbaren Grund, auf dem sich Guido Guidis Schaffen stets weiter entfalten konnte und es ihm ermöglichte, experimentell in sogenannte fotografische «Peripherien» vorzustossen.

Accademia di Belle Arti, Ravenna, 2005 | © Guido Guidi

Ausdruck dieses dialektisch verstandenen «Suchens mit dem Sucher» ist der Fakt, dass in den Siebzigerjahren, in denen Guido Guidi als technischer Fotograf am Instituto Universitario di Architettura di Venezia (IUAV) arbeitet, gleichzeitig jene Arbeiten entstehen, die das Überwinden der Vorgaben, was «korrekte» (Architektur-) Fotografie sei, aufzeigen. So gelingt es Guidi, sich im technischen, aber auch im philosophischen Sinn der bestehenden Korsette zu entledigen: die Regeln der fotografischen Praxis gezielt zu brechen, sind die Bedingungen, um an neue Erkenntnisse zu gelangen und neues Terrain zu erschliessen.

Preganziol, 1983 | © Guido Guidi

Die von Marta Dahó kuratierte Ausstellung zeigt, zeitlich fast ein Menschenleben umspannend, den konstanten und konstruktiven Dialog, den der Fotograf mit der Kamera, dem Sucher, mit Licht und Schatten, aufrechterhalten hat. Die latent vorhandene Herausforderung des Mediums Fotografie ist in allen ausgestellten Werkgruppen und den zahlreichen, ebenfalls präsentierten Publikationen und Monografien präsent und macht die Ausstellung zu einem riesigen Fundus, zu einem Füllhorn, das auch beim zweiten oder dritten Besuch noch Überraschungen und Neuentdeckungen parat hält.

Tomba Brion | © Guido Guidi

Guido Guidi: «da zero», bis 16.01.2022 La Virreina Centre de la Imatge, La Rambla 99, Barcelona. Eintritt frei

Susanne Martínez García