Human Insights...
Operation zur Korrektur einer Fehlbildung der Wirbelsäule. Blick durch den Schnitt auf die Gewebeschicht (Dura), welche das untere Ende des Rückenmarks bedeckt. Freilegung der Dura über dem unteren Ende des Rückenmarks nach teilweiser Entfernung eines dorsalen Wirbelbogens.
Surgery to correct a malformation of the spine. View through the incision of the tissue sheath (dura) onto the terminal end of the spinal cord. Exposure of the dura covering the lower end of the spinal cord after partial removal of a dorsal arch of a vertebra.
© Michael Tummings
Michael Tummings war Artist in Residence bei Experimental Surgery.[1] Er richtet seine Kamera auf den Operationssaal und hält intime Momente chirurgischer Eingriffe fest. Seine Fotografien erkunden den menschlichen Körper nicht als Objekt klinischer Analyse, sondern als Ort der Verletzlichkeit, Widerstandsfähigkeit und Transformation. Er enthüllt Geheimnisse des Körpers und bietet völlig neue Perspektiven auf die physische Existenz und die Rolle der modernen Medizin. Mit Zustimmung der Patienten und der Operationsteams mehrerer Universitätskliniken erhielt Michael Tummings Zugang zu Operationen mit Organimplantaten und künstlichen Prothesen, um diese zu dokumentieren. Die Bilder schlagen eine Brücke zwischen Wissenschaft und Kunst und konfrontieren uns mit der inneren Schönheit des menschlichen Körpers – jenseits des rationalen und analysierenden Blicks.
Operation zur Stabilisierung der Wirbelsäule. Der Operateur und die Assistenz stabilisieren und fixieren gemeinsam das eingesetzte Instrumentarium (Stäbe und Schrauben), welches in die Wirbelsäule eingebracht wurde.
Surgery of stabilize the spine. The surgeon and the assistant work together to stabilize and tighten the instrumentation (rods and screws) that has been implanted into the spine.
© Michael Tummings
Prof. em. Dr. med. Michael Hagner beginnt in seinem Essay A Matter of Representation: On Photographing Surgical Procedures in situ mit der Feststellung, dass sich in medizinischen Disziplinen Anatomie und Chirurgie in einem Atemzug genannt werden, obwohl sie in Kunst, Literatur und Philosophie klar voneinander unterschieden werden und dass in der Kunst die Anatomie schon immer den gesamten Raum zwischen Eros [2]und Thanatos[3], zwischen Angst und Melancholie ausfüllt, wie dies insbesondere in der Malerei und Fotografie deutlich wird…
Die Patientin bzw. der Patient liegt in Bauchlage, der Rücken ist nach Desinfektion der Haut und Abdecken des Operationsfeldes mit sterilen Tüchern freigelegt. Als Nächstes beginnen die Chirurginnen und Chirurgen mit dem Schnitt entlang der markierten Linie und präparieren anschliessend das Weichgewebe sowie die Muskulatur, um die Wirbelsäulenknochen freizulegen. Ziel des Eingriffs ist es, die deutlich sichtbare s-förmige (skoliotische) Verkrümmung der Wirbelsäule zu korrigieren.
The patient is lying in a prone position; the back being exposed after disinfection the skin and draping the operating field with sterile cloth. Nex, the surgeons will start with the cut (insicion) along the dotted line and then dissect the soft tissues and muscles to expose the bones of the spine. Their goal is to correct the s-shaped (scoliotic) deformity that con clearly be seen.
© Michael Tummings
Prof. Dr. med. Mazda Farshad beleuchtet in seinem Text On Orthopedic Innovations Implantate, künstliche Intelligenz, den Bereich der augmented reality (AR)[4], das Zusammenspiel und die Integration von Robotern und weiteren Innovationen…
Seitliche Ansicht des Moments, in dem die Chirurgin oder der Chirurg die an den Wirbelkörpern befestigten Instrumente durch die offene Inzision am Rücken bewegt. Nachdem die Rotation der Wirbelsäule korrigiert wurde, werden die Stäbe an den bereits eingesetzten Schrauben fixiert und stabilisieren so die Wirbelsäule in ihrer neuen Position.
View from the side of the moment at which the surgeon manipulates the instruments attached to the patient's vertebrae through the open incision at the back after the surgeon has finished correcting the rotation of the spine, the rods will be fixed to the screws that are already in place, effectively stabilizing the spine in its new position.
© Michael Tummings
Prof. em. Dr. med. Jörg Christian Tonn hat nicht nur Interviews geführt, sondern sich auch mit der Frage der Longevity auseinandergesetzt. In seinem Essay The Quest for Longevity: From medical Implants to the Novacene geht er dem Wunsch der Menschheit nach Unsterblichkeit nach…
Reverse Schulterprothese. Bei einer inversen (Reverse) Schulterprothese wird eine runde Metallkugel dort am Schulterblatt angebracht, wo sich zuvor die Gelenkpfanne befand, während eine neue künstliche Pfanne am Oberarmknochen eingesetzt wird, wo vorher der Gelenkkopf war. Hier wird die Metallkugel auf der Pfanne angebracht.
Reverse shoulder arthroplasty. In a reverse shoulder replacement, a round metal ball is placed on the shoulder blade where the socket used to be, while a new artificial socket is placed on the upper arm bone where the ball used to be. Here, the metal ball is placed on the socket.
© Michael Tummings
Informationen des Verlags: Geheimnisse im Innern – Michael Tummings künstlerische Arbeiten enthüllen das Wunderland der Anatomie und machen seine Geheimnisse sichtbar. Diese Visualisierung der Mysterien des Körpers und seine Erforschung im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen eröffnet völlig neue Aspekte unserer physischen Existenz und der modernen Medizin. Die Ästhetik der Kunstfotografie bringt uns in engen Kontakt mit unseren «Reparatur bedürftigen» Organen und lässt uns die Schönheit unseres Körpers jenseits von analytischer, rationaler und «sezierender» Annäherung erahnen. «Medicus curat – natura sanat»: Der Arzt kuriert – die Natur heilt. Diese Blicke über die Schultern der Chirurg:innen beweisen nicht nur deren Können und den technologischen Fortschritt, sondern führen uns auch vor Augen, wie wichtig die Verbundenheit mit unserem Körper im Kampf gegen Krankheiten oder auch bei Präventivmassnahmen ist. In einer Zeit künstlicher Gelenke, Organteile und Implantate müssen wir diesen Wundern unserer Biologie und Natur unsere ganze Aufmerksamkeit schenken. – Jörg Christian Tonn
Komplexe Fraktur eines Unterarmknochens in unmittelbarer Nähe zum Handgelenk (distale Radiusfraktur). Fixierung eines innerhalb des Gelenks verschobenen Knochenteils (intraartikulär). Kleine Drähte (Pins) halten die kleinen Fragmente der Fraktur, während eine Titanplatte mit Schrauben am Knochen befestigt wird, um die grösseren Fragmente zu stabilisieren.
Complex fracture of one of the bones of the forearm in close proximity to the wrist (distal fracture of the radius). Fixation of a dislocated piece of bone within the joint (intra-articular). The small wires (pins) hold small fragments of the fracture, while a titanium plate is attached with screws to the bone to keep the large fragments steady.
© Michael Tummings
Michael Tummings wurde 1966 in London als Kind jamaikanischer Einwanderer geboren. Er lebt und arbeitet in Deutschland. «Es blieb mir gar nichts anderes übrig, als in unterschiedliche Kulturen einzutauchen. Mein Medium war die Fotografie, schon in jungen Jahren hatte ich durch die Linse der Kamera die subtilen Nuancen meiner künstlerischen Praxis entdeckt und mich mit gesellschaftlichen Fragen auseinandergesetzt, die von Arbeit und Rassismus bis zu Natur und Umwelt reichten und einen Prozess anthropologischer Sensitivität für meine Thematik in Gang setzte.»
Blick auf die Oberfläche des Gehirns (Grosshirnrinde) mit sichtbaren Blutgefässen: Arterien (hellrot) und Venen (dunkelrot und violett). Die Hirnrinde zeigt Windungen (Gyri) und die dazwischenliegenden Furchen (Sulci). In der unteren linken Ecke ist die weissliche äussere Schicht der Hirnhäute (Dura mater) erkennbar. Die grossen Gefässe auf der rechten Seite sind von der mittleren Schicht der Hirnhäute, dem spinnwebartigen Gewebe (Arachnoidea), bedeckt.
View onto the surface of the brain (cerebral cortex) showing blood vessels: arteries (light red) and veins (dark red and violet).The cortex shows convolutions (gyri) and the indentations (sulci) between them. In the lower left corner, the whitish outer layer of the brain's covering (dura mater) is visible. The large vessels on the right are covered by the middle layer of the brain's covering, the spiderweb-like tissue (arachnoidea).
© Michael Tummings
Prof. Dr. Michael Hagner ist Professor für Wissenschaftsforschung am Departement für Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften der ETH Zürich. Nach dem Studium der Medizin und Philosophie an der Freien Universität Berlin und Promotion war er unter anderem am Wellcome Institute for the History of Medicine in London, den Universitäten Lübeck und Göttingen sowie am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin tätig. Gastprofessuren führten ihn u. a. nach Salzburg, Tel Aviv und Frankfurt am Main. 2008 wurde er mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa ausgezeichnet. Seine Forschungsschwerpunkte sind die historische Epistemologie der Humanwissenschaften, Visualisierungsstrategien in den Lebenswissenschaften, das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft sowie die Geschichte der Kybernetik.
Zugang zur Entfernung eines Hirntumors unter der Oberfläche des Gehirns (Grosshirnrinde). Die Grosshirnrinde ist sichtbar nach dem vorübergehenden Entfernen eines Schädelknochenstücks und der sie bedeckenden Gewebeschicht (Dura mater).
Approach to remove a brain tumor beneath the surface of the brain (cerebral cortex). The cortex, after the temporary removal of a segment of the skull and the sheath of tissue (dura mater) covering the brain.
© Michael Tummings
Prof. Dr. med. Jörg-Christian Tonn ist Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik am Klinikum der Universität München und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach Medizinstudium und Facharztausbildung in Lübeck, Hannover und München spezialisierte er sich auf neuroonkologische und vaskuläre Neurochirurgie. Er ist ein international führender Experte auf dem Gebiet der Hirntumorbehandlung und leitet zahlreiche innovative Forschungs- und Therapieprojekte zur Behandlung von Hirntumoren und anderen neurochirurgischen Erkrankungen.
Blick in eine eröffnete Hauttasche über dem grossen Brustmuskel (Pectoralis-Muskel), in welcher sich ein implantierbarer Defibrillator befindet – ein Gerät, das lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erkennt und korrigiert. Das Gerät selbst ist hier nicht sichtbar, jedoch sind die elektrischen Sonden zu sehen, die lose in der Tasche liegen. Diese Sonden verlaufen vom Aggregat durch die Vene unter dem Schlüsselbein bis zum Herzen.
View into an opened skin picket over the large chest muscle (pectoral muscle), with an implantable defibrillator – a device that detects and corrects dangerous heart rhythm disorders – located in the depth. While the device itself is not visible here, the electrical leads con be seen, loosely coiled in the pocket. These leads run from the generator through the vein under the collarbone to the heart.
© Michael Tummings
Prof. Dr. med. Mazda Farshad ist Spitaldirektor und Chefarzt für Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie an der Universitätsklinik Balgrist sowie Professor an der Universität Zürich. Nach Medizinstudium, Facharztausbildung in Zürich und einem Master of Public Health spezialisierte er sich am Hospital for Special Surgery in New York auf Wirbelsäulenchirurgie. Zu den von ihm gegründeten und geleiteten Innovationen zählen das Universitäre Wirbelsäulenzentrum Zürich, das Forschungsprojekt SURGENT sowie das moderne Zentrum OR-X.
Chirurgischer Eingriff zur Korrektur der Kurzsichtigkeit (Myopie) (SMILE – small incision lenticule extraction). Bei diesem Verfahren formt ein Laser ein kleines, scheibenförmiges Stück Hornhautgewebe (Lentikel) aus der äusseren Schicht des Auges, das anschliessend durch einen kleinen Schnitt entfernt wird. Dadurch wird die Hornhaut umgeformt und das Sehvermögen verbessert.
Surgical procedure for the correction of nearsightedness (myopia) (SMILE – small incision lenticule extraction – procedure). A laser creates a tiny, disc-shaped piece of corneal tissue from the outer layer corneal lenticule) of the eyeball, which is then removed through a small incision, reshaping the cornea and improving vision.
© Michael Tummings
Martin Steiner verantwortet die Gestaltung des Buches. Studio Martin Steiner konzipiert und gestaltet Bücher, Kataloge, Magazine, Buchcover, Ausstellungen, Konferenzen, Erscheinungsbilder und digitale Umsetzungsformen im Umfeld von kulturellen, sowie kommerziellen Projekten. Darüber hinaus verfügt es über ein Netzwerk aus Fotografen, Illustratoren, Programmierern, Produktionern und Textern.
Die Edition Patrick Frey hat seit ihrer Gründung 1986 mehr als 300 Bücher veröffentlicht. Der Verlag arbeitet in engen Kollaborationen mit hauptsächlich Schweizer, aber auch internationalen Künstlern zusammen. So entstehen einmalige Projekte in kleinen Auflagen. Die Edition Patrick Frey bietet jungen Künstlern eine Plattform und die Möglichkeit für eine erste Publikation. Ausserdem ist der Verlag in Langzeitkollaborationen mit renommierten Künstlern wie Walter Pfeiffer, Karen Kilimnik, Anne-Lise Coste, Peter Fischli & David Weiss und Andreas Züst involviert. Mit einem Output von etwa 20 Büchern pro Jahr, liegt der Fokus auf Fotografie, Kunst und auf Projekten, die Popkultur und das Alltägliche thematisieren.
Human Insights von Michael Tummings (ISBN: 978-3-907236-79-6) kann direkt bei der Edition Patrick Frey oder im Buchhandel bezogen werden.
[1] Das Artist in Residence (AIR) Programm @ Experimental Surgery ist eine Initiative, die Künstler in eine chirurgische Forschungsumgebung integriert. Es bringt Kunst und Wissenschaft zusammen, indem es Künstlern die Möglichkeit gibt, direkt mit Chirurgen, Forschern und medizinischen Technologien zu interagieren. Ziel ist es, neue Perspektiven zu eröffnen, interdisziplinäre Dialoge zu fördern und innovative Projekte zu entwickeln, die an der Schnittstelle von Kunst und Medizin liegen.
[2] Eros: In der griechischen Mythologie der Gott der Liebe, Begierde und Anziehung; philosophisch steht Eros für die schöpferische Kraft der Liebe und des Begehrens im weitesten Sinne.
[3] Thanatos: In der griechischen Mythologie die Personifikation des Todes; in der Psychologie steht er für den Todestrieb und destruktive Kräfte.
[4] Augmented Reality (AR) in der Orthopädie: Eine Technologie, die digitale Daten wie 3D-Bilder in die reale Sicht des Operateurs einblendet, um die Navigation, Präzision und Effizienz bei orthopädischen Eingriffen zu optimieren.