Der Experimentierfreudige….

Giesser, Martigny, 1956 | © Hugo Jaeggi | Fotostiftung Schweiz

Giesser, Martigny, 1956 | © Hugo Jaeggi | Fotostiftung Schweiz

In der Druckereihalle im Ackermannshof in Basel ist – 15 Monate nach dem Tod – eine umfangreiche Ausstellung zu Hugo Jaeggi zu sehen. Die Ausstellung gibt einem interessierten Publikum einen Einblick in das Werk des Solothurner Fotografen Hugo Jaeggi. Die analogen Schwarzweissfotografien sind nach thematischen und ästhetischen Gesichtspunkten gegliedert und zeigen insbesondere Hugo Jaeggis Faszination für den Menschen in unterschiedlichen Situationen. Einprägend sind besonders die Arbeiten, die in einer ausgeprägten künstlerischen Handschrift besondere Stimmungen hervorrufen und an Traumwelten erinnern. Ergänzt werden diese Arbeiten mit Bildern des Alltags im Belarus und rund zwölf Jahre nach der nuklearen Katastrophe von Tschernobyl. Die Schwarzweissfotografien werden mit Farbfotografien, die von einer experimentellen und schöpferischen Entdeckungs- und Schaffensfreude zeugen. 

Katze zensuriert in der Ausstellung Minsk und im Katalog

Katze zensuriert in der Ausstellung Minsk und im Katalog

Mit Produktefotografie und einige Zeit als (Industrie)Fotograf bei von Roll konnte er zum Teil seine freien Projekte finanzieren. In Langzeitprojekten portraitierte er Peter G., Trudy R. und andere – von den meisten sind Bilder in der Ausstellung zu sehen. Andere freie Projekte realisierte er auf Reisen mit dem Journalisten Peter Jaeggi (sie sind nicht verwandt) in Guatemala, Indien, in Ländern Afrikas und in Osteuropa. Eine Malaria-Reportage von Peter Jaeggi führte ihn zusammen mit dem ehemaligen Tropeninstitut-Direktor Marcel Tanner nach Tansania. Die Bilder dieser Reportage sind heute noch im Tropeninstitut zu sehen. Einige Bilder der Belarus-Reise mit Peter Jaeggi wurden hingegen vom damaligen Regime zensiert – eines der zensierten Bilder ist in der Ausstellung zu sehen. 

Minsk, 1997

Minsk, 1997

Im Film "Hugo Jaeggi – Zudem ist der Traum oft Realität genug" erzählt Hugo Jaeggi wie die Portraits von Peter G. entstanden sind. Er habe Peter G. hinter eine Glasscheibe gesetzt und mit einer Gabel das Glas geritzt bis genau das Bild so war wie er es sich vorgestellt hatte. Hugo Jaeggi spricht auch über sein gespaltenes Verhältnis zu seinem Vater und wie er ein Bild, das er kurz vor dessen Tod gemacht hat, in seinem Teich unter einer Eisschicht platzierte und es so fotografierte. 

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Erst mit etwa 65 Jahren hat Hugo Jaeggi mit Digitalfotografie begonnen und experimentierte seither mit Farbfotografie – ein paar Bilder sind in der aktuellen Ausstellung zu sehen. Die meisten Bilder sind in seinem Garten entstanden - oft richtete er die Linse in Teich im Garten. 

Muottas Muragel, Engadin, 1995 | © Hugo Jaeggi | Fotostiftung Schweiz

Muottas Muragel, Engadin, 1995 | © Hugo Jaeggi | Fotostiftung Schweiz

Hugo Jaeggi (1936 – 2018) wuchs in Solothurn auf und absolvierte eine Lehre als Fotograf bei Ernst Räss. 1957 machte er Stages bei Gertrude Fehr und Yvan Dalain an der Fotoschule Vevey (CEPV). 1958/59 war er Kameramann beim Schweizer Fernsehen, er machte 1960 die Meisterprüfung. Seither war er freischaffender Fotograf in Basel. Seine Arbeiten wurden mehrfach in Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert (Fotostiftung Schweiz, Winterthur, BelleVue, Basel, Ausstellungsraum Klingental, Basel, Kunstmuseum Solothurn, Das verborgene Museum, Berlin und andere) und ausgezeichnet (Kunst- und Kulturpreis Kanton Solothurn, Fotoforum PasquArt Biel, Fotopreis Kanton Bern und andere). Bis 2016 wurden auch einige Bildbände veröffentlicht, darunter "Hugo Jaeggi. Nahe am Menschen: Fotografien" im Benteli Verlag von Peter Jaeggi und Peter Pfrunder (Hg.). Wenige Exemplare von "Hugo Jaeggi. Nahe am Menschen: Fotografien" sind noch bei Peter Jaeggi erhältlich. 

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Die ehemalige Druckereihalle wird von zahlreichen Kunst- und Kulturschaffenden genutzt, weil sie Vieles zulässt und kaum Vorgaben macht. Der Saal im hinteren Gebäudeteil ist das Herzstück für öffentliche Veranstaltungen und ausgewählte Projekte. Eigen- und Gastproduktionen sollen Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft ausloten und fliessend gestalten, überwinden, vernetztes, reflektiertes Denken und kritisches Wahrnehmen möglich machen. Improvisation und Professionalität sollen hier genauso Platz finden wie Diskussion, Bewegung und Dokumentation. 

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Das Philosophicum möchte ein Ort der schöpferischen Musse sein: für individuelle Arbeitszusammenhänge, persönliche Begegnungen und für die gemeinsame Suche nach Antworten auf Fragen unserer Zeit. Alle Fragen aus Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft können Gegenstand der Auseinandersetzung werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf existenziellen, sozialen und spirituellen Erkenntnis- und Lebensfragen der Gegenwart. Bei der Gestaltung und Umsetzung der thematischen Schwerpunkte wird von verschiedenen Formen der sozialen und künstlerischen Vermittlung Gebrauch gemacht. Personell wie thematisch ist das Philosophicum ein offener Werdeprozess. Im Philosophicum entfaltet jede und jeder Mitwirkende eine eigene Forschungs- und Kulturtätigkeit. Daraus können sich gemeinsame Forschungs-, Bildungs- und Kulturinitiativen entwickeln. Zukunfts- und ergebnisoffene, sich aktuell entwickelnde Prozesse gehören zum Kernanliegen des Philosophicums.

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Die Ausstellung "Hugo Jaeggi – Fotografie" ist noch bis 15. Dezember 2019 in der Druckereihalle im Ackermannshof in Basel zu sehen.

Der Film "Hugo Jaeggi – Zudem ist der Traum oft Realität genug" ist bis am 16. Dezember 2019 in der Mediathek von SRF abrufbar.

Miryam Abebe