Salon des refusés…
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"Mit der gleichen Wahrheit habe ich mich entschieden, sie zu fotografieren und sichtbar zu machen, was sie sowohl künstlerisch als auch emotional hervorrufen. Manchmal liegend oder stolz stehend, erzählen uns die ungeliebten Fläschchen die Launen der vergangenen Liebe."

Christelle Boulé 

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Mit dem noch unveröffentlichten Projekt "durch Glas" hat Christelle Boulé den 27. Prix Photoforum gewonnen. Die fünfköpfige Jury (Sarah Keller (Co-Leiterin Fotografie, F+F Schule für Kunst, Zürich), David Lemaire (Direktor, Musées des beaux-arts, La Chaux-de-Fonds), Brigitte Lustenberger (Künstlerin und Komiteemitglied), Danaé Panchaud (Direktorin, Photoforum Pasquart, Biel) und Nicolas Savary (Künstler, Lehrer und Komiteemitglied)) hat Christelle Boulé aus 127 Bewerbungen als Preisträgerin gewählt. 

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"Durch Glas" ist Teil ihrer langjährigen Arbeit rund um das Thema Parfüm und die bildliche Darstellung von Geruchswahrnehmungen. Aus Motiven einer Kollektion von Parfümflaschen kreierte sie analoge Farbfotogramme. Die empfindlichen Materialien, aus denen die Gefässe geschaffen sind, ermöglichen es die Form durch alle ihren Facetten, ihren Farben und dem Spiel von Transparenz und Opazität zu transzendieren und projizierte Schatten und Lichtreflexionen zu erzeugen. 

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Seit einigen Jahren sammelt sie Parfümflaschen, die von ihren Besitzerinnen verlassen wurden. Oft kennt sie die Geschichte dahinter – Düfte, die nicht mehr passen oder die an Verflossene erinnern. Es sind Düfte, die in ihrer Intensität stören oder schmerzhafte Erinnerungen wecken. Christelle Boulé nennt die Kollektion zärtlich "Salon des refusés". So klein die Flacons sind, strahlen sie eine sinnliche Poesie aus und ermöglichen die Materialisierung des darin enthaltenen Duftes und der Geschichte. 

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Christelle Boulé (geb. 1984) ist eine kanadisch-schweizerische Künstlerin und Fotografin. Sie erlangte den Master of Art Direction in Fotografie an der ECAL/University of Art and Design in Lausanne und einen Bachelor in Grafikdesign an der University of Quebec in Montreal. Ihre Arbeiten wurden bereits in mehreren Ausstellungen (Photoforum Pasquart, Biel/Bienne, National Roman Museum, Rom, Grand Musée du Parfum, Paris, Fotofever, Paris, Les Boutographies, Montpellier und anderen) präsentiert. 

"Durch Gals" wird vom 8. Dezember 2019 – 19. Januar 2020 im Photoforum Pasquart gezeigt.

Miryam Abebe
Der Mut anders zu sein...
Die deutsche Köchin Tanja Grandits leitet seit 2008 das Restaurant «Stucki» in Basel. Sie hat zwei Michelin-Sterne und 18 Gault Millau-Punkte. © Lucia Hunziker / La cheffe allemande Tanja Grandits tient depuis 2008 le restaurant «Stucki» à Bâle. Ell…

Die deutsche Köchin Tanja Grandits leitet seit 2008 das Restaurant «Stucki» in Basel. Sie hat zwei Michelin-Sterne und 18 Gault Millau-Punkte. © Lucia Hunziker / La cheffe allemande Tanja Grandits tient depuis 2008 le restaurant «Stucki» à Bâle. Elle a obtenu deux étoiles au Guide Michelin et 18 points au Gault et Millau. © Lucia Hunziker

Die Basler Fotografin Lucia Hunziker ist transgender und präsentiert ab dem 18. September im Basler Stadthaus eine Serie von Porträts zum Thema «Geschlechterrollen». Für das Projekt mit dem Titel «Queer durch Basel» bat die Künstlerin verschiedene Basler Persönlichkeiten, sich in ihre Lage zu versetzen und damit ihre eigene Identität in Frage zu stellen.

Wer sind die Leute, die Lucia Hunziker für «Queer durch Basel» fotografiert hat? Männer? Frauen? Weder noch? Oder beides gleichzeitig? Um das in der Gesellschaft vorherrschende dualistische Konzept der Geschlecht zu hinterfragen, bildet die Basler Fotografin Lucia Hunziker Menschen ab, die ihre eigene Geschlechterrolle entfremden. Zu den Persönlichkeiten aus dem Rheinland gehören zum Beispiel der Künstler Florian Graf, die Tänzerin Andrea Tortosa Vidal, die Küchenchefin Tanja Grandits (zwei Michelin-Sterne!) und der Präsident des Bürgergemeinderats der Stadt Basel, Sebastian Kölliker.

Die non-binäre Stylistin Michele Fornera aus dem Tessin und die Basler Visagistin Diana Fischer haben die Erscheinungsbilder der Models gemeinsam verändert. Mit einer gewissen Subtilität, denn die Fotografien zeigen nicht einfach Männer, die sich in Frauen verwandeln oder umgekehrt. Tatsächlich weist jedes der Bilder eine Vieldeutigkeit auf, die es den verschiedenen Geschlechterrollen erlaubt zu koexistieren, anstatt sich auszuschliessen oder zu eliminieren.

«Mit dem Mut, sich anders zu zeigen und zu ihrer Individualität zu stehen, schaffen Menschen in einer Gesellschaft Harmonie. Denn sie erlauben sich so, sich gegenseitig zu ergänzen», sagt Lucia Hunziker. «Queer durch Basel» ist somit die fotografische Metapher dieser Überzeugung. Die Bilder zeigen Menschen, die gewillt sind, die Tabus des Geschlechts zu brechen und sich über die Grenzen ihrer sexuellen Rollen hinauszuwagen. Auf diesem Weg zeigen sie auf, dass mehr Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft möglich ist. 

Sebastian Kölliker ist unter anderem eine politische Persönlichkeit, Mitglied des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt und Vorsitzender des Stadtrats der Stadt Basel. © Lucia Hunziker / Sebastian Kölliker est, entre autres, une personnalité politiq…

Sebastian Kölliker ist unter anderem eine politische Persönlichkeit, Mitglied des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt und Vorsitzender des Stadtrats der Stadt Basel. © Lucia Hunziker / Sebastian Kölliker est, entre autres, une personnalité politique, comme membre du Grand conseil du canton de Bâle-Ville et président du conseil municipal de la ville de Bâle. © Lucia Hunziker

La photographe transgenre bâloise Lucia Hunziker présente, à partir du 18 septembre au Stadthaus de Bâle, une série de portraits sur le thème du «genre». Pour ce projet intitulé «Queer durch Basel», l’artiste a demandé à des personnalité bâloise de se mettre dans sa peau et d’ainsi questionner tant leur propre identité.

Qui sont les personnes photographiées par Lucia Hunziker pour son projet «Queer durch Basel»? Des hommes? Des femmes? Ni l’un ni l’autre? Les deux en même temps? C’est pour provoquer ce questionnement sur le genre que la photographe transgenre bâloise Lucia Hunziker a proposé à des personnalités de la cité rhénane de poser pour elle sous une apparence qui trouble leur identité sexuelle. Parmi elles, par exemple, l’artiste Florian Graf, la danseuse Andrea Tortosa Vidal, la cheffe cuisinière Tanja Grandits (deux étoiles au Michelin!), ou le grand-conseiller et président du conseil municipal de la ville de Bâle, Sebastian Kölliker, ont joué le jeu.

Entre les mains de la styliste non-binaire tessinoise Michele Fornera, et la maquilleuse bâloise Diana Fischer, les modèles ont changé d’apparence. Mais avec une certaine subtilité, car les photographies ne présentent pas simplement des hommes transformés en femmes ou inversement. Chaque image, en effet, baigne dans une certaine ambigüité où les genres cohabitent plutôt qu’ils ne s’opposent ou s’éliminent.

«Avec le courage de se montrer différemment et de défendre leur individualité, les gens créent l’harmonie dans une société. De cette façon, ils se permettent de se compléter les uns les autres» affirme Lucia Hunziker. «Queer durch Basel» est donc la métaphore photographique de cette pensée puisqu’on y découvre des personnes prêtes à briser les tabous liés au genre, à s’aventurer au-delà des frontières de leurs rôles sexuels. Une façon de montrer que la diversité et la tolérance dans la société sont possible.

Gastbeitrag von Corina Rainer, Photoagora

Quer durch Basel ist bis 22. Feburar 2020 im Stadthaus Basel zu sehen.

Corina Rainer
Slaghuis...
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"My room is a mess. I can't keep it tidy. I don't try hard enough. I am ashamed. I am accountable. I am afraid. I am angry. I want out. I want to get bloody violent. I have a fear of being an adult with a really messed up room. Something is not quite appealing in that."

Thembinkosi Hlatshwayo

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 Thembinkosi Hlatshwayo könnte in der Altersgruppe, die Jodie Bieber in ihrer Serie "#i" im Blick hatte. In "Slaghuis" ist es nun Thembinkosi Hlatshwayo selbst, der das Wesen seiner eigenen Existenz im Fokus hat. Die dadurch freigesetzte Energie macht Platz für Innovationen der ganz anderen Art. Der Titel "Slaghuis", der an ein Schlachthaus oder im weiteren Sinne an ein Massaker erinnert, macht deutlich, dass hier kein Platz für Hoffnungen und Träume ist. Die Scham und Verzweiflung über den Raum, in dem er aufgewachsen ist, ruft Wut und Zorn hervor.  

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Thembinkosi Hlatshwayo ist in einem Haus mit einer Taverne aufgewachsen und wurde früh mit Gewalt und Schizophrenie konfrontiert. In keinem Teil des Hauses konnte es einen sicheren Zufluchtsort geben. Wo also hätte er einen Zufluchtsort finden können? Nicht einmal sein Verstand konnte Zufluchtsort sein – aber auch seinen Verstand empfand er als verwundet. 

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Er nutzt das Medium der fotografischen Collage, um das Schäbige und Zerrissene, die Gewalt und Hoffnungslosigkeit grob und roh in minimalistischen Kompositionen auf den Punkt zu bringen. Entstanden sind beklemmende visuelle Schlaglichter auf einen Menschen, auf eine Generation, die den Eindruck erwecken, dass das Leben aus den Fugen gerät und kurz vor der Zerstörung steht. 

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Thembinkosi Hlatshwayo (*1993) ist in Johannesburg aufgewachsen, wo er heute lebt und arbeitet. 

Thembinkosi Hlatshwayo ist CAP Prize Gewinner 2019. "Slaghuis" wird während dem IAF Basel – Festival für zeitgenössische Kunst vom 15. – 29. September 2019 auf dem Voltaplatz zu sehen sein.

Miryam Abebe
Fünf Betrachtungen über das, was man gemeinhin als das Vergangene bezeichnet…
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Mit der Serie "Fünft Betrachtungen über das, was man gemeinhing als Vergangene bezeichnet" gewinnt Fred Walter Uhlig den 23. vfg Nachwuchsförderpreis.

 "Do you realize that the past, starting from yesterday, has been actually abolished?"

George Orwell

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“Das ist immer "so eine Sache" mit dem Erinnern. Sollte man in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche oder weitreichender kultureller Veränderungen aufgewachsen sein, wird man gelegentlich gefragt: "Sag mal, wie war das damals eigentlich, als …" Nun ja. Meistens hört man sich dann etwas verlegen stammeln, wie: "äh - ganz normal." Irgendwie seltsam diese Diskrepanz zwischen eigenem Erleben und Geschichtsschreibung.”

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Fred Walter Uhlig hat in seiner "Fünf Betrachtungen über das, was man gemeinhin als Vergangene bezeichnet" Erinnerungen aus seiner Kindheit in der DDR nachgestellt. Dafür hat er sich nach dreissig Jahren an einige Schauplätze seiner Vergangenheit begeben und das Vorgefallene neu "aufgeführt" und aufgenommen. Dieses Wiedererleben hat er nicht etwa mit einer digitalen Kamera aufgenommen, nein er hat das Nachgespielte mit originalem DDR-Filmmaterial von 1989 – nachweisbar mit Haltbarkeitsdatum und Prägestempel – aufgezeichnet.

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Mit der Wahl des 30jährigen Filmmaterials, dem für den 1980 geborenen Fred Walter Uhlig historischem Medium gelingt ihm auf spielerische Weise die

Mit dem, für den 1980 geborenen Fred Walter Uhlig, historischen Medium überwindet er im fotografischen Prozess spielend das performative Reenactment die Erinnerung in Bildern festzuhalten. Eine Art neu gemachtes Fotoalbum, das Erinnerungen an die Kindheit wieder weckt.

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Fred Walter Uhlig (*1980) ist in Leipzig geboren und lebt und arbeitet heute in Basel. Er studierte Musik und ist als Musiker mit Spezialisierung in historischer Aufführungspraxis selbständig. Parallel dazu arbeitet er als Fotograf und Künstler. Auch in der Fotografie widmet er sich historischen Drucktechniken und realisiert Editionen, mit denen er moderne Sehgewohnheiten hinterfragt.

Miryam Abebe
Land of Ibeji...
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“We believe Ibeji (twins) bring good luck. They represent fertility and bring love, they are a blessing to the family. Once you have twins, people believe that more and more of everything will come to you. Twins are also related to the monkey spirit and more specifically to the Edun monkey. These monkeys always give birth to twins so they are a symbol for the Ibeji.”

Nike Davies Okundaye, Yoruba artist and designer 

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Zwillinge sind mit Dämonen im Bunde, künden Unheil an, müssen ausgegrenzt oder gar getötet werden. Nicht nur in Afrika war dies ein weit verbreiterter Glaube. Heute hat sich die Leseart grundlegend geändert. Zwilling bedeutet doppeltes Glück, doppelte Fruchtbarkeit, doppelte Liebe und vieles mehr. In der Kleinstadt Igbo-Ora, nördlich von Lagos werden weltweit wohl die meisten Zwillinge geboren, deshalb kann sich Igbo-Ora mit dem Titel: "Welthauptstadt der Zwillinge" schmücken. 

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Die beiden Fotografinnen Sanne de Wilde und Bénédicte Kurzen haben bei ihrer "Zwillingsforschung" auf sehr unterschiedliche Art und Weise und zugleich gewohnte effektfreudige Inszenierungen gesetzt, die die traditionellen und symbolträchtigen Farben betonen, auf Überblendungen und wie könnte es anders sein; selbstverständlich auch auf Spiegelungen. 

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Die Zwillingspaare in "Land of Ibeji" vermitteln eine verschworene Nähe, die sich in der Vorstellung wiederspiegelt, dass sich Zwillinge eine Seele teilen. Diese Nähe verbirgt jedoch immer eine Fragilität und eine Angst um Verlust des anderen. Diese Atmosphäre der Kontemplation über das Wechselspiel von Verbundenheit und Individualität scheint alle Protagonistinnen und Protagonisten zu beschäftigen. Im Betrachten des anderen, reflektieren sie immer über sich selbst. 

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Sanne de Wilde (*1987) ist in Antwerpen geboren und lebt und arbeitet heute in Amsterdam. Ihr Masterstudium an der KASK Universität in Gent in bildender Kunst hat sie mit Auszeichnung abgeschlossen. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet (Photo Academy Award, International Photography Award Emergents DST, Prix National Photographie Ouverte and NuWork Award for Phtographic Excellence). 

Bénédicte Kurzen (*1980) ist in Lyon aufgewachsen und lebt heute in Lagos. Ihren Master in histoire contemporaine schloss sie an der Sorbonne in Paris ab. Ihre Arbeiten wurden/werden in verschiedenen Magazinen (The New York Times, Paris Match, The New Yorker, Le Monde Magazine und anderen) veröffentlicht. 

Sanne de Wilde und Bénédicte Kurzen werden beide von Noor Images vertreten. 

Sanne de Wilde und Bénédicte Kurzen sind CAP Prize Gewinner 2019. "Land of Ibeji" wird während dem IAF Basel – Festival für zeitgenössische Kunst vom 15. – 29. September 2019 auf dem Voltaplatz zu sehen sein.

Miryam Abebe