Fai la brava" entstand auf Einladung von Morgane Paillard und Audrey Zimmerli (Co-Kuratorinnen bei le Balkkon, Neuchâtel) sich mit dem Thema Körper und Weiblichkeit auseinander zu setzten. Alessia Olivieri stellt mit Hilfe der Fotografie verschiedene kulturelle Traditionen in Frage, die über Generationen hinweg dazu beigetragen haben, die Rolle und das Bild der Frau zu definieren. Traditionen haben Bestand, verlieren an Kraft, entwickeln sich weiter, beeinflussen aber oft unser Unbewusstes. Es stellt sich immer wieder die Frage wie uns ein solches Erbe heute noch beeinflusst.
Ausgehend von ihrer italienischen Herkunft hat sich Alessia Olivieri entschieden, eine Reflexion zu beginnen, die von der Dualität der Gefühle angeregt wird, die die kulturellen Traditionen, die mit ihrer Situation als Frau verbunden sind, in ihr hervorrufen. Die Traditionen, das seltsame Gleichgewicht, das sich aus Bräuchen ergibt und der Mischung einer Kultur, die sie schätzt, hat eine gewisse Verwirrung hervorgerufen und sie auch etwas hilflos gemacht. Die Zuneigung und der Respekt vor diesem kulturellen Erbe, das sie an ihre Familie und ihre Herkunft bindet, hat sie es selten übers Herz gebracht die Schattenseiten dieser Bräuche bewusster zu machen.
Im Gegensatz zur wahren Urfassung des Liedes Bella Ciao (das Ende des 19. Jahrhunderts von den Frauen geschrieben wurde, die auf den Reisfeldern im Piemont arbeiteten) besingen viele Traditionen, die heute noch existieren, nicht die Freiheit der Frauen, sondern beschränken sie im Gegenteil allzu oft auf ihre "einzige" Funktion als Gebärende oder auf das, was ihr nahe kommt, wenn sie sich nicht dem Aberglauben der vielen Gefahren hingeben, die eine menstruierende Frau darstellen würde!
“Jedenfalls ist es nicht meine Absicht, dieses kulturelle Erbe in seiner Gesamtheit zu leugnen. Es erscheint mir jedoch notwendig, es in Frage zu stellen, und dies, um es meinerseits in einer Form ertragen zu können, von der ich hoffe, sie mit meinen zeitgenössischen Prinzipien und Bestrebungen in Einklang bringen zu können.”