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Die neue Seidenstrasse...

Kirgisistan, 2020 | © Patrick Rohr

«Die neue Seidenstrasse - Chinas Weg zur Weltmacht» ist eine fotojournalistische Reise von Patrick Rohr. Ursprünglich wollte er 12 Länder auf der Route von China westwärts der neuen Seidenstrasse entlang bis nach Amsterdam besuchen. Aufgrund der komplexen Corona-Situation musste er umplanen und konnte nur durch 6 Länder reisen. 

Im Vorwort schreibt Patrick Rohr, wie es dazu kam: «Es war an einem Abend im Frühling 2019, daheim in Amsterdam. Ich hatte gerade wieder einmal einen Zeitungsartikel über die neue Seidenstrasse gelesen, dieses gigantische Infrastrukturprojekt, mit dem China die Welt vernetzen will. Im Artikel ging es darum, dass sich erste Länder überlegen abzuspringen, weil sie realisieren, dass sie die von China gewährten Kredite nie und nimmer werden zurückzahlen können und dadurch in eine grosse Abhängigkeit von China geraten. Von China abhängig zu sein, so die Angst, bedeutet, sich einem diktatorischen und totalitären Regime zu unterwerfen, aus dessen eisernem Griff man sich nie mehr befreien kann. 

Spannend am Artikel fand ich, dass es sich bei diesen Ländern um wirtschaftlich eher schwächere Länder im asiatischen Raum handelt, während sich – auch darüber berichtete der Artikel – wirtschaftlich stärkere Länder aus Europa China geradezu an die Brust werfen. Italien, so las ich, ist gerade dabei, sein Tafelsilber an China zu verscherbeln, und auch die kleine Schweiz bietet China eine enge Zusammenarbeit an. Warnerinnen wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel müssen sich, so der Subtext im Artikel, im europäischen Chor der China-Freunde als Spassbremsen vorkommen...»

In Yiwu steht der grösste Grosshandelsmarkt der Welt: In einem der 65'000 Musterläden werden aufblasbare Artikel für den Weltmarkt angeboten, 2020 | © Patrick Rohr

China – der Welt voraus

«In das Land China kann man sich leicht verlieben. Doch besser, man tut es nicht, denn man könnte enttäuscht werden. China ist der Welt in vielem voraus, aber in Sachen Freiheits- und Menschenrechte hat es große Defizite. Die Leute im Land scheint das wenig zu kümmern – mit Grund.» 

Patrick Rohr hat sich auf den ersten Blick in China verliebt und zugleich gewusst, dass es schwierig sein wird – wie in einer Beziehung, die schier unmöglich scheint, weil Herz und Verstand immer wieder miteinander ringen, um die Situation irgendwie auszuhalten. Es ist nicht das rasante Tempo der wachsenden chinesischen Wirtschaft, die ihn interessiert, es sind viel mehr die Menschen, die mit dieser Schnelllebigkeit umgehen müssen – sie aushalten müssen, um überleben zu können…

Kirgisistan, 2020 | © Patrick Rohr

Kirgisistan – Wo der Handel blüht 

Kirgisistan baut gerade erfolgreich eine eigene Textilindustrie auf. Möglich macht das die neue Seidenstraße, über die nicht nur edle Güter, sondern auch extreme Ideen ins Land kommen. Dabei hätte die junge zentralasiatische Demokratie bereits genug mit sich selber zu tun. Das Land ist in Aufruhr. 

In Kirgisistan ist er ob dem Gedränge und der Hetzerei im Dordoi-Basar in Bischkek erstaunt, da die Strassen am Vorabend fast menschenleer schienen. Kirgisistan wurde erst 1991 nach dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig. Da das Land zuvor zum russischen Zarenreich gehörte und im 18. Jahrhundert die Chinesen an der Macht waren, fehlte die Zeit, ein funktionierendes demokratisches Staatswesen und eine entsprechend freie und erfolgreiche Marktwirtschaft aufzubauen. Trotz der erfolgreichen Textilindustrie hat Kirgisistan wirtschaftlich schwer zu kämpfen und ist politisch höchst instabil. Patrick Rohr schreibt über die Begegnung mit einer jungen Modeunternehmerin, die eine Plattform für einheimisches Design geschaffen hat, über eine Inhaberin einer Textilfabrik, in der jährlich über 50'000 Herrenanzüge hergestellt werden, die nach Kasachstan und Russland exportiert werden, und über den Grenzkonflikt zwischen Kirgisistan und Usbekistan.

Frischer Honig in der Auslage des Restaurants »Suphan Kahvalti« in Van, 2020 | © Patrick Rohr

Türkei – Alle Macht den Starken 

Mit seinen Minderheiten geht das Land nicht gut um. Auch Menschen, die kritisch sind, haben in der Türkei einen schweren Stand. Dafür verhilft Präsident Erdogan dem Islam zu einem unerwarteten Comeback. Und dreht damit das Rad der Geschichte zurück. 

Eigentlich hat Patrick Rohr via den Iran in die Türkei fahren wollen. Aufgrund der Coronapandemie musste er seine Pläne kurzfristig ändern und ist deshalb mit dem Flugzeug direkt in den Osten der Türkei geflogen. Er trifft sich in Van mit dem Präsidenten der Unternehmervereinigung, der ihm bei einem kurdischen Frühstück erklärt, dass seiner Meinung nach die Grenze zum Iran nicht wegen des Coronavirus geschlossen ist, sondern weil die Regierung den Kurden wieder einmal Steine in den Weg legen will. Auch hier spürt man den Drang von Patrick Rohr, nicht über Politik zu schreiben, sondern den Fokus auf die Menschen zu richten und über ihre Situation zu berichten. 

In den beiden türkischen Metropolen Ankara und Istanbul taucht er in andere Welten ein. In Ankara lässt er die Leserin und den Leser die ausgelassene Stimmung in einer Bar erleben und in Istanbul an einem Gespräch mit einem kurdischen Künstler, der nach Berlin auswandern möchte, teilhaben.

Der Parlamentspalast in Bukarest ist das zweitgrösste Verwaltungsgebäude der Welt, 2020 | © Patrick Rohr

Rumänien – Im Land der grossen Träume 

Rumänien hat sich noch immer nicht von der Zeit der kommunistischen Diktatur erholt. Es leidet schwer unter seiner Geschichte. Die Armut ist gross, viele Eltern können sich nicht einmal Schulmaterial für ihre Kinder leisten. Jetzt soll China die Rettung bringen. 

Via Rumänien fährt Patrick Rohr weiter westwärts in Richtung Amsterdam, seinem heutigen Wohnort. In Bukarest besucht er das Kitschmuseum und unterhält sich mit dessen Gründer, der Europa als grosses Museum bezeichnet. «Wo wird heute das Geschäft gemacht?», fragt der Museumsleiter – und gibt die Antwort gleich selber: «In China und im Westen der USA.» Rumänien ist nach wie vor von der Ära Ceausescu geprägt. Das Grab von Elena und Nicolae Ceausescu ist heute eine beliebte Pilgerstätte – der Personenkult um den «Führer» lebt weiter. Im Gespräch mit einer erfolgreichen Dichterin und Bürgerrechtlerin und Dissidentin erfährt er mehr über diese Zeit.

DJ Nastia, Unternehmerin, 2020 | © Patrick Rohr

Ukraine – Ein Land tanzt sich frei  

Die Ukraine gewöhnt sich gerade an ihre neuen Freiheiten. Schwer haben die Menschen im Land unter der Sowjetherrschaft gelitten. Jetzt blicken sie in eine blühende Zukunft. Wenn da nur nicht Krieg, Korruption und Kirche die Freude immer wieder dämpfen würden. 

Der Clubbesitzer von «Khvyl’ovyy» («Welle») erzählt Patrick Rohr, dass sich Podil, ein Stadtviertel von Kiew, zum Kreuzberg Kiews entwickelt habe – von einem heruntergekommenen Viertel zu einem Ausgehviertel mit schicken Restaurants, Cafés und Bars.  

Am 21. November 2013, nachdem die Regierung verkündet hatte, dass sie das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen, begannen die Proteste auf dem Maidan, dem grossen Stadtplatz von Kiew. Die Proteste wurden immer grösser und breiteten sich über das ganze Land aus. Russland hat diese Situation genutzt und die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. 

Der Clubbesitzer ist nicht der Einzige, den Patrick Rohr während seiner Reise durch die Ukraine trifft. Die Begegnungen, die er mit Kamera und Texten dokumentiert, bringen uns die Bevölkerung der Ukraine näher.

Demonstration am Weltfrauentag in Warschau, 2020 | © Patrick Rohr

Polen – Starke Zivilgesellschaft 

In Polen tobt ein heftiger Kampf zwischen Konservatismus und Liberalismus. Mit der katholischen Kirche im Rücken verhindert die Regierungspartei den sozialen Fortschritt. Eine immer stärker werdende Zivilgesellschaft wehrt sich dagegen – aber leicht hat sie es nicht. 

Um Polen besser zu verstehen, sollte man gemäss Patrick Rohr in einen Wald. Am besten in den Urwald von Bialowieza, den letzten Tiefland-Urwald Europas, der seit 1992 UNESCO-Welterbe ist. Dort hat er einen Biologen und eine Biologin und die ehemalige Direktorin des Nationalparks getroffen. 

Es ist ihm gelungen verschiedene Zugänge zu den Ländern und besonders den Menschen, die an der neuen Seidenstrasse leben, aufzuzeigen. Mit «Die neue Seidenstrasse» schafft er es, die Neugierde auf die Länder Zentralasiens und Osteuropas zu wecken…

Moschee in einem Dorf vor Sivas in der Mitte des Landes, 2020 | © Patrick Rohr

Der Fotojournalist Patrick Rohr ist 1968 in der Schweiz geboren und lebt heute in Amsterdam. Er ist an gesellschafts- und geopolitischen Zusammenhängen interessiert und reist im Auftrag von Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen in Krisen- und Entwicklungsgebiete auf der ganzen Welt. Auch für seine eigenen Projekte taucht er immer wieder in fremde Lebenswelten ein. 2017 realisierte er das Fotoreportagenbuch «Japan – Abseits von Kirschblüten und Kimono». Vor seiner Ausbildung zum Dokumentar- und Porträtfotografen an der «Fotoacademie Amsterdam» arbeitete er als Zeitungs- und Radiojournalist und als Redaktor und Moderator für verschiedene Sendungen des Schweizer Fernsehens.

Die weltberühmte Skyline von Schanghai mit den Wolkenkratzern des Finanzviertels, 2020 | © Patrick Rohr

Sachbücher, die bei Orell Füssli erscheinen, greifen aktuelle und kontroverse Themen aus Politik, Geschichte und Gesellschaft auf und richten sich an ein allgemeines Publikum. Sie informieren über wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklungen, liefern vertiefte Informationen und leisten einen Beitrag zum gegenwärtigen Diskurs. Im Programm finden sich politische Debattenbücher, Biografien ausgewählter Persönlichkeiten der Zeitgeschichte sowie Publikationen, die sich mit relevanten Themen der Zeit auseinandersetzen. 

Das Buch «Die neue Seidenstrasse – Chinas Weg zur Weltmacht» kann direkt bei Orell Füssli oder im Buchhandel bezogen werden. 

Patrick Rohr wurde von Background Tours bei der Realisierung seiner Reisen zu diesem Buch unterstützt. Patrick Rohr ist als Experte für Background Tours unterwegs. 

Während seiner Reise hat Patrick Rohr auch Entwicklungsprojekte in Kirgisistan von Helvetas besucht und dokumentiert.