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Die Anmut der Vergänglichkeit des Seins - Brigitte Lustenberger

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Das Flackern zwischen Leben und Tod kann keine Kamera einfangen, dafür jedoch die Zeit davor und danach, die des Alterns und des Zerfalls. Meine Arbeiten entstehen aus einem Innehalten, aus dem Beobachten des Vergehens, dem Schwelgen in der Schönheit des Dahinschwindenden und der Zersetzung. Ich staune über die Wunder und Schrecken des Todes und seiner Überreste, über die Anmut der Vergänglichkeit des Seins, bin aber gleichzeitig verunsichert beim Gedanken an den Tod. Gefühle wie Leidenschaft, Faszination, Angst oder gar Abscheu liegen nah beieinander. Ich erschaffe mit meinen Installationen ein Barockes und zugleich sehr zeitgenössisches Universum.

Brigitte Lustenberger

Wie eine Forscherin sammelt Brigitte Lustenberger Blumen und tote Insekten, um die Fragilität und die Schönheit des Verfalls und des Alters festzuhalten. Es ist auch der Versuch das Ephemere festzuhalten. Mit Salz, Haarspray oder Klebeband fixiert sie die Blüten oder Teile davon auf Objektträger. Sie taucht die zuvor meist gefrorenen Blüten, - die dadurch noch zerbrechlicher werden – in Salzwasser und lässt sie auf Objektträgern trocknen. Die dünnen Glasplatten werden zu Dias und durch helles Licht von alten Diaprojektoren zu filigranen Projektionen und offenbaren die Zärtlichkeit der Blütenblätter. Oft präsentiert Brigitte Lustenberger die Dias als Installation in kleinen Tischen mit Leuchtlöchern und lässt die Betrachtenden die Feinheit der Strukturen entdecken und erleben. Um diese Momente festzuhalten fotografiert sie die Objekte und macht so die Anmut der Vergänglichkeit, des Zerfalls sichtbar. 

FLOWERS XIX

Als einzige Lichtquelle nützt Brigitte Lustenberger Tageslicht, das durch ein Fenster fällt. Dadurch verweisen ihre chiaro-scuro Stillleben subtil auf die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Wortes Portrait: portrahere – hervorziehen, ans Licht bringen. Chiaro-scuro oder clair-obscur ist ein in der Spätrenaissace und im Barock entwickeltes Gestaltungsmittel der Grafik und der Malerei, das sich durch die starken Hell-Dunkel-Kontraste auszeichnete und sowohl der Steigerung des Räumlichen als auch des Ausdrucks diente. 

Über die Arbeit von Brigitte Lustenberger schreibt die Kunsthistorikerin Julia Hountou: Mit dem Licht als wertvollen Verbündeten stellt sie Gegenstände, Pflanzen, Tiere dar, denen sie eine Seele zu verleihen scheint, um geheimnisvolle, leise Geschichten zu erzählen. Es gelingt ihr auf bewundernswerte Weise, ein rätselhaftes Universum und eine mit kleinen Andeutungen zusammengesetzte poetische Welt zu schaffen, das den Geist zum Träumen verführt. 

FLOWERS V

Brigitte Lustenberger (*1969) ist in Zürich aufgewachsen und lebt und arbeitet in Bern. Nach einem lic. phil. I Studium mit Prädikat cum Laude (Lizentiat zu Fotografien von Robert Capa und Gerta Taro aus dem Spanischen Bürgerkrieg) hat sie den Master of Fine Arts (MFA) in Photography and Related Media an der New School University, New York, Prädikat Grade A (excellent) erlangt. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen (Christophe Guye Galerie Zürich, Galerie Kunstkeller Bern, Musée d'Elysée Lausanne, Photoforum PasquArt Biel, Galerie Béatrice Brunner Bern, Galerie Soon Bern und anderen) und an Festivals (Les Boutographies, Montpellier, Darmstädter Tage der Fotografie, Verzasca Foto Festival und anderen) präsentiert und ausgezeichnet (Merck Preis 2018, Julia Margaret Cameron Award for best Still Lifes, Fotopreis des Kantons Bern und anderen).

Ihre Arbeiten sind zur Zeit in der Ausstellung "Aufgeblüht und Abgelichtet: Blumen in der Fotografie" in der Galerie Stihl Waiblingen zu sehen.

Ab 20. Juni 2019 in der Gruppenausstellung "tut en flur" in der Galerie Tart in Zürich.