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Les lutteurs du grand jihad – Christian Bobst | Photobastei

3. Juli 2014. Während dem Ramadan tanzt sich eine Gruppe von Baye Fall in Trance, indem sie rituelle Lieder vor der großen neuen Massalikoul Djinane Moschee in Dakar singen, die sich noch im Bau befindet. Viele Baye Fall verdienen als Musiker Geld, wie der berühmte senegalesische Sänger Youssou N'Dour.

"Travaille comme si tu ne devais jamais mourir, et prie comme si tu devais mourir demain." (Amadou Bamba)

Der Sufi-Gelehrte Amadou Bamba (1853 – 1927) lehrte die Senegalesen, dass der Jihad (heiliger Krieg) nicht mit Waffengewalt, sondern durch Gebet, harte Arbeit und der Unterordnung unter einen spirituellen Führer geführt werden soll. Amadou Bamba war Gründer der Sufi-Bruderschaft der Mouriden und Schlüsselfigur im friedlichen Wiederstand gegen die französischen Kolonialherren. Er wird oft auch als der "muslimische Gandhi Afrikas" bezeichnet. Die Mouriden gehören zu den wirtschaftlich und gesellschaftlich einflussreichsten Kräften im Senegal. Der bekannte senegalesische Musiker Youssou N'Dour bezeichnete, in einem Interview mit der BBC, den Mouridismus als Gegenpool zum post-9/11 Stereotyp der Muslime. Der Lehre folgend sind die Mouriden zu Pazifismus, hartem Arbeiten und Teilen mit der Gesellschaft verpflichtet. Dies hat Senegal zu einem der sichersten und stabilsten Länder Afrikas gemacht.

8. November 2017. Fledermäuse schwärmen aus, während sich am Abend des Grand Magal Festes in der Großen Moschee in der heiligen Stadt Touba Tausende von Gläubigen zum Abendgebet versammeln. Die Moschee, in der der Körper von Amadou Bamba begraben ist, wurde am 7. Juni 1963 eingeweiht.

In Senegal wird der Jihad in einen grossen und einen kleinen Jihad unterteilt. Der grosse Jihad gilt als Krieg der Seele gegen menschliche Schwächen und der kleine Jihad als Krieg mit Waffengewalt. Christian Bobst fasst drei Fotoreportagen zusammen, die den grossen Jihad unterschiedlich darstellen.

7. November 2017. In der Nacht vor dem Grand Magal Festival kochen Frauen in den Straßen von Touba traditionelle senegalesische Gerichte. Nach dem Willen von Amadou Bamba sollte jeder Gläubige, der zum Großmagal in Touba reist, kostenloses Essen und Unterkunft erhalten.

6. November 2017. Serigne Touba Khouma ist der Verwalter des Brunnens am Grab von Sokhna Mame Diarra Bousso, der Mutter von Amadou Bamba, die einen ähnlichen Status wie Maria für Christen hat. Wie in Lourdes erhoffen sich die Gläubigen Heilung, Kraft und Segen vom Weihwasser dieses Brunnens.

In der Reportage "Les lutteurs du grand jihad" legt Bobst den Fokus auf verschiedene Akteure wie Amadou Bamba und seinen Söhnen Serigne Saliou Mbacké, Serigne Fallou Mbacké und heiligen Stätten wie der Moschee in Touba oder dem Brunnen am Grab von Sokhna Mame Diarra Bousso (Mutter von Amadou Bamba) der Sufi-Bruderschaften. Sokhna Mame Diarra Bousso geniesst einen ähnlichen Status wie Maria bei Christen.

26. Februar 2013. Djiby Gnigne hievt mit einem Korb Salz aus dem Wasser und schüttet es in sein Holzboot. Bei dieser Arbeit muss Djiby Gnigne gut darauf achten, dass ihm kein Salzwasser in die Augen kommt, da er die Arbeit sonst unterbrechen muss.

"L'or blanc du Lac Rose" Gründer, Amadou Bamba, der Glaubensgemeinschaft der Mouriden lehrte, dass harte Arbeit mit Beten gleichgestellt werden kann und auch als eine Art Ausübung des "grand Jihad" verstanden werden kann.

Mame Thierno Fael, einer der vielen Salzgräber am Lac Rose, sagt: "Diese Arbeit ist in der Tat hart. Wenn ich könnte, würde ich morgen damit aufhören, aber ich muss meine Familie ernähren." Viele der Salzgräber bekennen sich zu der Glaubensbruderschaft der Mouriden und spenden ihre Einkünfte, die sie jeden Mittwoch erarbeiten, zum Ausbau der grossen Moschee von Touba.

18. September 2012. Eine der Arbeiterinnen reicht einem Salzgräber lachend eine Plastiktüte mit Trinkwasser. Die Frauen und Männer am Lac Rose arbeiten fast täglich zusammen und sind wie eine grosse Familie.

Der Lac Rose liegt ca. 30 km nordöstlich von Dakar und ist von Regenwald und Dünen umgeben. Da der See öffentliches Gut ist, darf jedermann das weisse Gold abbauen. Um das fragile ökologische Gleichgewicht nicht zu gefährden muss das Salz jedoch von Hand gefördert werden.

4. November 2017. Kehrou Ngor blickt vom Dach des Hauses seines Onkels  auf die Straßen des Quartiers Ngor in Dakar. Als angesehener Ringer spielt er auch die Rolle eines Wächters.. "Es gibt keine Diebe in diesem Quartier." sagt er grimmig. "Jeder weiß, was ihn erwartet, wenn er hier stiehlt.

"Die Gris-gris Wrestlers von Senegal" Die beiden Sportarten Ringkampf und Fussball gelten eigentlich als unislamisch. Dennoch sind sie bei den Senegalesen, die mehrheitlich praktizierende Muslime und sehr gläubig sind, sehr beliebt. Ringen – "la lutte" (franz.) ist im Senegal gar noch populärer als Fussball.

4. November 2017. Nach einem Waschritual mit magischem Wasser, das zerrissene Zettel mit geheimen Chiffren enthält, wartet Kherou Ngor bis die Zettel auf seinem Körper trocknen, während neben ihm Wäsche im Wind weht.

4. November 2017. Kurz bevor Kherou Ngor zum Turnier zu gehen, zieht er im Haus seines Onkels seine Gris-gris Amulette an, die ihn beim bevorstehenden Kampf Kraft geben und ihn vor der Voodoo-Magie seines Gegners schützen sollen. Alle Ringer im Senegal tragen diese Art von Amuletten.

Bobst hatte die Möglichkeit Djibril Ndir, ein junger Mann aus dem Quartier Ngor in Dakar, der wie tausende junger Männer von einer Ringer-Karriere träumt, zu portraitieren. Djibril, der sich den Wrestler-Name "Kherou Ngor" (Der Fels von Ngor) gegeben hat, gehört der Sufi-Bruderschaft der Layene und der Baye Fall an und ist glühender Verehrer des Sufi-Heiligen Amadou Bamba. Trotzdem sieht er keinen Widerspruch zwischen seiner Karriere als Ringer und seinem Engagement in der Sufi-Bruderschaft Baye Fall. Seine Preisgelder von Wettkämpfen teilt er nicht nur mit seiner Familie, sondern auch mit den Bedürftigen im Quartier von Ngor.

11. August 2015. Kherou Ngor übergiesst seinen Körper im Wasser am Strand von Ngor mit Kuhmilch. Er führt dieses Ritual durch, um sich mit der Kraft eines mächtigen Geistes zu verbinden, der angeblich im Wasser und den Felsen am Ufer des Strands von Ngor lebt.

Christian Bobst (1971) ist im Kanton Solothurn aufgewachsen und lebt und arbeitet heute in Zürich. Nach einem Grafik Design Studium hat er für renommierte Werbeagenturen (Wirz, Jung von Matt und anderen) in der Schweiz und Deutschland gearbeitet. Seit 2010 ist er als freischaffender Dokumentarfotograf in Europa, Afrika, Asien, Süd- und Nordamerika unterwegs. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Magazinen (GEO, Schweizer Illustrierte, Focus, etc.), Tageszeitungen (NZZ, Die ZeitThe Guardian und andere) und Onlinemedien veröffentlicht. 2016 gewann er mit "the gris-gris Wrestlers of Senegal" den zweiten Preis des World Press Awards in der Kategorie Sport. 2017 gewann er mit "Der Fels von Ngor" den vfg selection swiss photo award und wurde mit dem Fotopreis des Kantons Solothurn geehrt.

"Les lutteurs du grand jihad" sind noch bis 18. Februar 2018 in der Photobastei in Zürich zu sehen.