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Ausstellung | Wandeln - Karen Irmer | St. Moritzkirche | Augsburg


  • St. Moritzkirche Moritzplatz 5 86150 Augsburg Deutschland (Karte)

St. Moritzkirche | Augsburg
21. September - 4. November 2018
Anlässlich des 1000 jährigen Gemeindejubiläums der St. Moritzkirche, Augsburg; Teil des Medienkunstfestivals Lab30: 25. - 28. Oktober 2018

Wandeln
Karen Irmer


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Künstlerische Intervention in der St. Moritzkirche Augsburg anlässlich des 1000 jährigen Gemeindejubiläums “1000 Jahre wie ein Tag“

 Wenn es langsam zu dämmern beginnt, tauchen sie in der Apsis der Kirche auf – kleine, weiße Lichtpunkte, die in steter Bewegung nach oben steigen, kreisen und hinabzufallen scheinen. Trotz ihrer Ruhelosigkeit und ihrer diffusen Form lassen sie an Sterne denken. Diese Assoziation liegt durchaus nahe, finden sich doch in den Kuppeln älterer Sakralbauten immer wieder gemalte Sternenhimmel, die die Unendlichkeit des Universums ins Innere des Kirchenraums überführen sollten. Bei längerem Hinsehen entpuppen sich die Lichtgebilde jedoch als Vögel, die im Ostchor ihre Kreise ziehen. Karen Irmer positioniert ihre Installation bewusst an jener Stelle der Moritzkirche, welche durch die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg den Blick nach außen freigab. Dort bricht sie den Raum auf ins Illusionistische und lässt die Außenwelt erneut in den Innenraum dringen – sichtbar, aber nicht greifbar. Sie dynamisiert die streng gegliederte Struktur der Kirche und eröffnet dem Betrachter dadurch eine neue Raum-Zeit-Ebene.  

Außen und Innen, Kommen und Gehen, Sichtbares und Unsichtbares – Irmers Arbeiten bewegen sich im Spannungsfeld dieser Gegensätze und thematisieren ihre Übergänge. Grenzen verschieben sich, verschwinden und stellen vermeintliche Eindeutigkeiten infrage. Im rechten  Seitenschiff blicken wir wie durch ein Fenster auf eine imposante Wolkenformation von großer ästhetischer Kraft. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich diese Formation jedoch als verschmelzendes Zusammenspiel von Wasser und Wolken. Wo endet die Gischt, wo beginnen die Wolken? Eine klare Trennung ist nicht möglich, der Übergang von einem Aggregatszustand in einen anderen ist vielmehr fließend.

Diesem Aufeinandertreffen der verschiedenen Aggregatszustände begegnen wir in der linken Seitenkapelle wieder. Über eine leicht bewegte Wasserfläche ziehen zarte Nebelschleier hinweg. Obgleich wir keine Veränderung des Himmels sehen können, erkennen wir an den glitzernden Flächen auf der Wasseroberfläche, dass sich einige Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Wolken bahnen. Die Videoinstallation strahlt eine große Ruhe aus und verstärkt die meditative Wirkung der Kapelle. In der Nische, die eigentlich dem Kruzifix  vorbehalten ist, wird während der Ausstellung das Wasser, oder die von ihm evozierte Stimmung zum Gegenstand der Kontemplation. Durch die Interaktion mit dem sakralen Raum ermöglicht Irmers Kunst dem in der Immanenz verhafteten Betrachter eine intensive spirituelle Erfahrung, bei der die fließende Grenze zur Transzendenz spürbar werden kann.

(Text: Simone Kimmel 2018) 

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Im Jahr 2013 wurde die Kirche St. Moritz in Augsburg mit ihrer fast 1000 jährigen Geschichte durch das Architekturbüro John Pawson aus London neu gestaltet. Der Kunst in der Kirche Raum zu geben und Kunst mit Spiritualität in Zwiesprache zu bringen, ist eine der Aufgabe, der sich die Moritzkirche verschrieben hat.