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Artist Talk | A Quintology of Diaries - Ferit Kuyas | Galerie 94

  • Galerie 94 Bruggerstrasse 37 | Merker-Areal 5400 Baden (Karte)

Galerie 94 | Baden
15. September 2018

A Quintology of Diaries

Artist Talk mit Ferit Kuyas
Moderation: Miryam Abebe


15 Feathers | Bild: Ferit Kuyas

15 Feathers | Bild: Ferit Kuyas

"A Quintology of Diaries" begann 2010, als ich eingeladen wurde, eine Arbeit zu zeigen, die ich nie zuvor ausgestellt hatte. Die Einladung kam von Romano Zerbini für die Eröffnungsaustellung seiner neuen Galerie Photogarage. Ich entschloss mich, mit meinen Polaroids zu arbeiten, die ich Mitte der neunziger Jahre gemacht hatte, als ich an einem visuellen Austauschprogramm mit vier Künstlerfreunden beteiligt war. Während einigen Jahren schickten wir jeden Monat Polaroidbilder an alle Beteiligten und erhielten zurück. Das war eine gute Gelegenheit, um meine Umwelt zu erkunden, und als visueller Künstler zu reifen. Schliesslich einigten wir uns auf den Titel Visual Diary. Da mich von nun an ständig das Wort "Tagebuch" einfiel, führte dies zu vier weiteren Teilen.

Das Gehirn funktioniert nicht wie ein Computer, in dem Erinnerungen als Binärcode aufgezeichnet werden und jederzeit nach Belieben abgerufen werden können. Selbst dann können Daten im Laufe der Zeit beschädigt werden und möglicherweise nicht mehr lesbar sein. Unser Gedächtnis scheint die Ränder und Ecken unserer Vergangenheit zu glätten. Übrig bleibt eine Erinnerung, die wahrscheinlich nicht kongruent mit dem ist, was vor langer Zeit wirklich passiert ist. Wir neigen zu Vereinfachung und Idealisierung.

Vor einiger Zeit habe ich begonnen, mit einer Digitalkamera Momente meines Lebens festzuhalten. Das Aufnehmen dieser Art von Fotos hilft mir, mein Gedächtnis zu vertiefen. Wenn ich mir ein vor langer Zeit gemachtes Bild anschaue, erwachen all die Gefühle, die Stimmung, in der ich mich befand, der Geschmack der Dinge und die Geräusche, die mich umgeben haben, wieder zum Leben. Andererseits frage ich mich: Ist das wirklich wahr? Welche Art von Erinnerungen wird das gleiche Bild in einer Woche hervorrufen? In einem Monat? In einem Jahr? In zehn Jahren? Und schliesslich wird die Erinnerung verschwinden, sobald ihr Träger fort ist.

Dinge, die ich nicht brauche, aufzuräumen und loszuwerden gehören nicht zu meinen Stärken. Im Laufe der Jahre hat sich eine grosse Anzahl von Objekten angesammelt. Manche von ihnen nutzlos, aber zu schön, manche von der Zeit überholt, aber zu wertvoll, um weggeworfen zu werden. Wenn ich sie anschaue, scheint sich ein Fenster in meiner Seele zu öffnen. Das ist oft eine interessante Erfahrung, manchmal ironisch, schmerzhaft oder überraschend. Alte Erinnerungen kommen auf und werden neu bewertet. Die meisten Objekte werden nach dem Fotografieren zerstört oder abgegeben. Sie loszuwerden ist ein Reinigungsprozess, da ich immer weniger Dinge um mich herum haben will – nur das, was wirklich notwendig ist.

Ferit Kuyas

Ferit Kuyas (*1955) studierte Architektur und Jurisprudenz in Zürich. 1982 promovierte er an der Universität Zürich mit dem Lizentiat. Er lebt und arbeitet in Ziegelbrücke, Schweiz. Ferit Kuyas’ Arbeiten werden in Galerien, Museen und Festivals in Europa, Amerika und Asien gezeigt, darunter Shanghai Art Museum, Fotomueum Winterthur, Zacheta Nationale Galerie für Kunst, Warschau, Museum für moderne Kunst Carlos Merida, Guatemala Stadt, Photofusion Gallery, London, Elipsis Gallery, Istanbul, Transphotographiques, Lille, Frankreich, H2 Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast, Augsburg, und Fotofestiwal Lodz, Polen. 1999 erhielt er den Kodak-Fotobuchpreis für Industrielle Innenwelten, 2002 wurde er mit dem Hasselblad Masters Award ausgezeichnet, 2010 erhielt er den GuatePhoto Award. Seine Arbeiten sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten, darunter Museum of Fine Arts, Houston, Musée de la Photographie, Belgien, Charleroi, Portland Art Museum, Portland OR, Sammlung Hoffmann-La Roche, Basel, Städtische Sammlung Augsburg, Kanton Bern und Stadt Biel/Bienne.