Zeitbilder und Objekte - Melchior Imboden | Galerie 94 | Baden

New York 1998

New York 1998

Mit dem griechischen Wort Kairos, das diesen rechten Moment, die Chance die man spürt, fühlen und nutzen muss, um einen aussergewöhnlichen, potenziell bedeutungsvollen Moment in seiner Flüchtigkeit und Vergänglichkeit zu erspüren, festzuhalten und zu bewahren, beschreibt Franz Schultheis im Vorwort von Zeitbildern die Kunst den Menschen und Dingen Aufmerksamkeit und Achtung zu schenken.

Ende der 70er Jahre beginnt Melchior Imboden zu fotografieren. Im Jahr 1980 unternimmt er seine erste ausgedehnte Reise rund ums Mittelmeer und besuchte unsere südlichen Nachbarn und den Maghreb. Seine Aufmerksamkeit gilt den Menschen und ihren Orten, den Veränderungen, Umbrüchen und damit verbunden der Landschaft und Architektur als Zeugnis menschlicher Spuren. Nach dieser ersten Reise gab es kaum mehr ein Halten und er bereiste als weitere Etappe im Jahr 1991 zahlreiche Länder Südamerikas, unter anderen Brasilien, Paraguay, die Hochebenen von Argentinien, Bolivien, Chile und später Peru. Ebenso Mittelamerika, Costa Rica, Martinique und weiter im Norden Mexico. Es folgen in den laufenden Jahren Ägypten, Marokko, Libanon, Iran, die Ukraine, China, Taiwan, Japan und andere Länder Asiens. Auch Grossstädte wie Berlin, Paris, Mexico City, Moskau, New York, Peking, Shanghai, Xian, Hongkong oder Shenzhen haben ihn immer wieder fasziniert. Er hat die Orte nicht fotografiert, um seine Reisen zu dokumentieren, viel mehr galt und gilt seine Neugier den Menschen und ihrer Umgebung und deren Veränderung. Ein wichtiges Augenmerk – gerade auch in der Gestaltung dieser Ausstellung – gilt dem Urbanen. Mexico City hat Melchior Imboden zum Beispiel aus der Luft – im Landeanflug – aufgenommen und viele andere Städte hat er zu Fuss, vom fahrenden Auto oder aus dem Bus fotografiert.

Bild: René Rötheli

Bild: René Rötheli

In seinen Bildern hält Melchior Imboden Momente fest, die nicht wiederkehren. Oft ist es das Licht der Nacht, das seinen Rhythmus bestimmt, um der Zeit ein Bild zu geben. Mit dem Einnehmen eines ungewöhnlichen Blickwinkels und dank dem Spiel von Nähe und Distanz, Schärfe und Unschärfe schafft er neue Bildqualitäten und lässt die Fotografien malerisch erscheinen. Aus der Nähe betrachtet erscheinen seine Bilder abstrakt. Die Distanz bringt Schärfe und gibt den Bildern neue Kraft, sie werden mehrdeutig.

Die manuellen Einstellungen, die die analoge Fotografie erfordern, um das Bild im Innern zum Bild des Äussern zu machen braucht Zeit und eine ausgezeichnete Beherrschung des Handwerks. Genauso die Entwicklung im Labor, um die entsprechenden Barytabzüge zu schaffen, erfordert Fingerspitzengefühl.

Beim Betrachten der Bilder steht man mitten in Berlin, New York oder anderswo. In Mexico City lässt einen Melchior Imboden gar über die Stadt fliegen. Die Bilder lassen nur eine leise Erinnerung zu und doch fühlt man sich mitten in den Strassen und Gassen, über den Dächern der Stadt und verliert sich im fernen Stadtverkehr.

Das Spiel von Nähe und Distanz, der gewollten Schärfe und Unschärfe, die der Fotografie in einer speziellen Art und Weise eine malerische Kraft geben und ihr den Charakter eines Gemäldes verleihen. Ebenso unterstreicht die Struktur der Leinwand eine abstrakte Qualität.

Bild: René Rötheli

Bild: René Rötheli

Die aktuellen freien künstlerischen Arbeiten Melchior Imbodens der Werkgruppe "Spektrum" wurden konstruktiv und geometrisch angelegt und bestehen aus kleinen und grossen Holzelementen, welche als Einzelteile zusammengefügt sind und als Bildträger dienen. Die hier in der Ausstellung zu sehenden dreidimensionalen Wandobjekte, mit ihrer linearen und flächigen Anordnung knüpfen an seine bisherigen gestalterischen grafischen Arbeiten an. Die Werke faszinieren durch ihre klare flächige und dreidimensionale Struktur und ihre Vielfalt in Verbindung mit einem scheinbar uneingeschränkten Farbenspektrum. Einzelne grossflächige, lineare Elemente werden mit grosser Präzision zu Konstrukten geschaffen, die die Erweiterung konventioneller Bildgrenzen neu definieren. Mittels überlappender Holzelemente, die vertikal oder horizontal auf eine Grundplatte oder einen Holzkörper aufgebaut sind, entstehen neue Räume, die als Farbträger dienen.

Bild: René Rötheli

Bild: René Rötheli

Melchior Imboden (*1956) ist in Stans geboren und lebt und arbeitet heute in Buochs. Nach der Ausbildung als Dekorateur hat er sich mit Gestaltung, Typografie, Fotografie und Kunst auseinandergesetzt. 1984 bis 1989 studierte er an der Grafik-Fachklasse der Hochschule Luzern. Während dessen arbeitete er in Designbüros in Mailand, Basel und anschliessend in Zürich. Er ist als Dozent für Fotografie, Grafikdesign und Kunst tätig. Zudem wird er laufend zu zahlreichen Gastvorträgen, Workshops und Jurytätigkeiten im Ausland eingeladen. Drei Jahre war er Vertretungs- und Gastprofessor für Visuelle Kommunikation an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und von 2004 – 2007 an der Universität der Künste in Berlin. Seine Arbeiten sind in namhaften Sammlungen (Bibliothèque National, Paris, Musée de l'Elysée, Lausanne, Fotomuseum Winterthur, Kunstmuseum Zürich, Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich und anderen) im In- und Ausland vertreten. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde mit vielen internationalen und nationalen Preisen und Stipendien (Grosser Fotopreis Schweiz, Anerkennungspreis der Schindler Kulturstiftung, Hergiswil, Kunststipendium in Berlin, Zuger Kulturstiftung und anderen) ausgezeichnet.

Die Ausstellung der "Zeitbilder" und Wandobjekte in der Galerie 94 dauert noch bis 5. Mai 2018.

Miryam Abebe